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SPEZIAL BAV
_BEITRAGSZUSAGE
spezial bAV 11/17
Die Karten sind neu gemischt
MARKTBLICK.
In den bAV-Markt kommt Bewegung: Die ersten Produktanbieter haben
auf das neue Gesetz schon reagiert. Wir zeigen, was Arbeitgeber nun erwarten können.
Michael Karst, Leiter Recht und Steuern
beim bAV-Berater Willis Towers Watson.
In der Tat sind derzeit 69 Prozent der Fir-
men nicht tarifgebunden. Immerhin: Für
die rBZ werden auch nicht-tarifgebun-
dene Firmen zugelassen (durch Bezug-
nahme auf Branchen-bAV-Tarifverträge).
Diese nachträglich ins Gesetz eingefügte
Soll-Vorschrift lautet: „Die mit der Bei-
tragszusage neu entstehenden Versor-
gungseinrichtungen sollen nicht-tarif-
gebundenen Arbeitgebern den Zugang
nicht verwehren oder keine sachlich un-
begründeten Vorgaben machen.“
Der Praxistest für die reine Beitrags-
zusage steht noch bevor, da das Betriebs-
rentenstärkungsgesetz erst am 1. Januar
2018 in Kraft tritt und in untrennbarem
Zusammenhang mit laufenden Tarif-
verhandlungen steht. Der bAV-Markt in
Deutschland ist sehr komplex organisiert.
Von den 575 Milliarden Euro Deckungs-
mitteln in der deutschen bAV (Stand Ende
2015) kommt die Hälfte auf firmeninterne
Direktzusagen, für die die Unternehmen
Pensionsrückstellungen bilden müssen.
Wie Joachim Schwind, Chef der Hoechs-
ter Pensionskasse, herausfand, entfallen
weitere 26,5 Prozent auf Pensionskassen,
10,7 Prozent auf Direktversicherungen,
6,7 Prozent auf Unterstützungskassen
und 5,7 Prozent auf Pensionsfonds.
Bei den weitgehend versicherungsför-
migen bAV-Wegen Direktversicherung,
Pensionskasse und Pensionsfonds wird
der Markt von einigen wenigen Anbie-
tern dominiert, allen voran Allianz, R+V
und Generali. Das BRSG wird zur wei-
teren Konzentration der bAV-Anbieter
führen und den Margen- und Kosten-
D
ie betriebliche Altersversor-
gung (bAV) in Deutschland
stagniert. Dabei wäre stärkere
Verbreitung für alle noch nicht
versorgten Arbeitnehmer ein Segen.
Doch mangelndes Wissen und Interesse
sowie die sehr komplexe Materie hindern
viele Arbeitnehmer und Arbeitgeber glei-
chermaßen an der Teilnahme. „Speziell
in der bAV sind vor allem mehr nied-
rigschwellige Angebote nötig“, erklärte
Andrea Nahles (SPD), unter deren Regie
als Bundesarbeitsministerin der vergan-
genen Großen Koalition die Reform der
betrieblichen Altersversorgung durch
das Betriebsrenten-Stärkungsgesetzes
(BRSG) durchgesetzt wurde.
Nahles steht wie keine andere für
das Sozialpartnermodell, das den Kern
des Betriebsrenten-Stärkungsgesetzes
(BRSG) bildet. Es erlaubt gemeinsame
Versorgungseinrichtungen der Tarifpart-
ner, also von Arbeitgebern und Gewerk-
schaften, die auf tariflicher Grundlage
reine Beitragszusagen (rBZ) einführen
oder bestehende nutzen. Neben die früher
übliche Leistungszusage, die inzwischen
weitgehend der beitragsorientierten
Leistungszusage oder einer Beitragszu-
sage mit Mindestleistung gewichen ist,
tritt damit eine vierte Zusageart der bAV.
Deren herausragendes Merkmal: Arbeit-
nehmern wird statt einer garantierten
Mindestleistung lediglich eine Zielrente
zugesagt. Im Gegenzug werden Arbeitge-
ber von der Mithaftung für die Garantie
befreit („pay and forget“). Solche Zielren-
tensysteme („defined ambition“) gab es
Von
Detlef Pohl
zuvor in Deutschland noch nicht. Mit der
Zielrente gehen Rechte und Pflichten des
Arbeitgebers auf den Versorgungsträger
über, an dessen Steuerung sich die Tarif-
partner aber beteiligen.
Mit dem Sozialpartnermodell wurden
neue Förderregeln eingeführt. So ist der
Arbeitgeber bei Entgeltumwandlung
ab 2019 verpflichtet, mindestens 15
Prozent des umgewandelten SV-freien
Entgelts als Zuschuss an die Versor-
gungseinrichtung einzuzahlen, wenn
es im Tarifvertrag vereinbart wurde.
Dieser Betrag entspricht in etwa den
bisher eingesparten SV-Beiträgen auf
der Arbeitgeberseite. „Damit will man
den Performance-Korridor für die neue
Zielrente nach oben schieben“, erklärt
Karsten Tacke, stellvertretender Haupt-
geschäftsführer des Arbeitgeberver-
bands Gesamtmetall. Er hält viel von der
Zielrente. „In den letzten 20 Jahren hätte
eine Zielrente mindestens das Doppelte
gegenüber Angeboten mit Garantien
gebracht“, rechnet er vor. „Garantien
führen bei Niedrigzins zu einer Abwärts-
spirale“, mit der keinem Arbeitnehmer
gedient sei und Arbeitgeber unnötig in
Gefahr kämen, aus der Firma Geld nach-
zuschießen.
Eine Kunst wird sein,
die KMU zuzulassen
Man darf gespannt sein, ob und wie da-
mit kleine und mittlere Unternehmen
(KMU) erreicht werden. „Eine reine Bei-
tragszusage nur auf tarifvertraglicher
Grundlage geht an der Realität der Masse
der KMU vorbei, die überhaupt nicht ta-
rifgebunden sind“, sagt Rechtsanwalt Dr.