personalmagazin bAVspezial 11/2017 - page 12

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SPEZIAL BAV
_BETRIEBSRENTENREFORM
spezial bAV 11/17
Reform oder Reförmchen
STATEMENTS.
Was bringt das neue Betriebsrentenstärkungsgesetz? Ist es als bAV-Reform
ausreichend? Und wird es die Betriebsrenten tatsächlich stärken? Wir haben nachgefragt.
Förderung gelingt es darüber hinaus,
die Doppelverbeitrag komplett – auch
für Altverträge und für diejenigen, die
mehr als die BBG-Kranken verdienen –
zu vermeiden. Der neue § 100 EStG führt
erstmals eine Förderung für den Arbeit-
geber ein, wenn er Geringverdienern mit
arbeitgeberfinanzierter bAV unter die
Arme greift. Gut ist, dass diese Maßnah-
men mit einem neuen Freibetrag bei der
Anrechnung von Betriebsrenten auf die
Grundsicherung kombiniert werden,
auch wenn dieser künftig unbedingt
ausgeweitet und dynamisiert werden
sollte. Die Erweiterung des § 3 Nr. 63
EStG ist zu begrüßen, fällt jedoch aus
unserer Sicht zu gering aus und wird in
D
ie betriebliche Altersversor-
gung in Deutschland soll ge-
stärkt werden – so lautete der
Auftrag, den die große Koaliti-
on sich zu Beginn der letzten Legislatur-
periode selbst setzte. Erarbeitet wurde
deshalb das Betriebsrentenstärkungsge-
setz, das am 1. Januar 2018 in Kraft tre-
ten wird. In der bAV-Welt ist man uneins,
ob damit das große Ziel, die Betriebsren-
ten als dritte Säule der Altersvorsorge
auszubauen, erreicht wurde. Wir baten
bAV-Experten um ihre Einschätzung.
Verbesserungsbedarf in den Details
Die bAV leidet in ihrer gegenwärtig
geltenden Form unter erheblichen Sub-
optimalitäten. Diese resultieren ins-
besondere aus der 20-35-Asymmetrie
(der Arbeitnehmer spart in der Anwart-
schaftsphase lediglich etwa 20 Prozent
seines bAV-Beitrags an Sozialabgaben,
muss aber grundsätzlich in der Renten-
phase 35 Prozent seiner Betriebsrente
an Beiträgen zur gesetzlichen Kranken-
und Pflegeversicherung und Reduzie-
rung der gesetzlichen Rente verkraf-
ten), welche vielen Vorsorge Treibenden
derartige Probleme bereitet, dass die
bAV gegenwärtig bei ihnen nicht selten
schlechter abschneidet als die staatlich
nicht geförderte, dafür aber wesentlich
flexiblere Schicht Drei. Etwas anderes
gilt für diejenigen Arbeitnehmer, de-
ren spätere Leistungen aus der bAV
die dann gültige Freigrenze nach § 226
Abs. 2 SGB V nicht übersteigen. Dafür
sind diese Personen aber oft Geringver-
Von
Katharina Schmitt
(Red.)
diener, deren Problem die Anrechnung
der bAV auf die Grundsicherung oder
schlichtweg ihr niedriges Einkommen
ist; Faktoren, die eine Eigeninitiative in
der betrieblichen Vorsorge oftmals ver-
hindern. Verdient der Beschäftigte mehr
als die BBG-Kranken, gesellt sich zur
20-35-Asymmetrie zusätzlich das Prob­
lem der Doppelverbeitragung hinzu; das
Potenzial künftiger Beitragssatzsteige-
rungen zur gesetzlichen Kranken- und
Pflegeversicherung verschärft die Situ-
ation weiter. Schließlich mindern auch
noch der gesetzlich fixierte Rechnungs-
zinsfuß des § 6a Abs. 3 Satz 3 EStG und
die hohe Komplexität jener Vorsorge-
form deren Attraktivität.
Eine wirkliche Reform der bAV steht
daher vor einer großenHerausforderung.
Das Sozialpartnermodell mit seiner
neuen Beitragszusage ohne Mindestleis­
tung kann diese Herausforderung allei-
ne nicht meistern. Darüber hinaus wird
es im Kern tarifvertraglich geregelt und
dürfte daher an der Hauptzielgruppe des
Gesetzes, den Arbeitnehmern von KMU
und den Geringverdienern, die noch kei-
ne bAV haben, zielstrebig vorbeigehen.
Zum Glück führt das BRSG neben dem
Sozialpartnermodell noch zahlreiche
andere Neuerungen ein: Allen voran ist
hier der neue, frühestens ab 2019 gel-
tende, gesetzlich obligatorische Arbeit-
geberzuschuss in Höhe von 15 Prozent
des Entgeltumwandlungsbeitrags zu
nennen. Er kann die 20-35-Asymmetrie
in eine 35-35-Symmetrie verkehren und
somit das Problem der Sozialabgaben-
überbelastung der bAV vermeiden. Durch
die Kombination der bAV mit der Riester-
„Das Sozialpartner­
modell kann die Heraus-
forderung einer bAV-Re-
form nicht meistern. Es
dürfte an der Hauptziel-
gruppe vorbeigehen.“
Prof. Dr. Thomas Dommermuth und
Thomas Schiller, Institut für Vorsorge und
Finanzplanzung GmbH
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