personalmagazin bAVspezial 11/2017 - page 7

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Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
11/17 spezial bAV
nicht-tarifgebundenen Arbeitgebern den
Zugang nicht verwehren oder sachlich
unbegründete Vorgaben machen. Da-
mit können auch nicht-tarifgebundene
Arbeitgeber durch Bezugnahme auf den
für sie einschlägigen Tarifvertrag die
Beitragszusage nutzen.“
Keine Frage: Die Maßnahmen für die
Verbesserung der Situation von Gering-
verdienern sind ein Schritt in die rich-
tige Richtung, die Verkomplizierung der
bAV mit der neuen Sozialpartner-Rente
aber nicht. Letztere führt zu unnötiger
Verwirrung und Irritationen der Ar-
beitgeber. Daher hat die Redaktion bei
Karsten Tacke, stellvertretender Haupt-
geschäftsführer des Arbeitgeberver-
bands Gesamtmetall, nachgefragt, der
sich mit den Themen Tarif- und Sozialpo-
litik, Arbeitswissenschaft, Arbeitspolitik
und Recht beschäftigt.
Das Wichtigste für Arbeitgeber
in der alten bAV-Welt
„Zunächst muss man die alte Welt der
Garantiezusagen und die neue Welt
mit den Gestaltungsmöglichkeiten der
neuen Zusageform (reine Beitragszu-
sage) auseinanderhalten“, sagt Tacke.
In der alten Welt bleibe arbeitsrecht-
lich im Wesentlichen alles beim Alten.
„Bestehende Modelle und Strukturen
werden nicht beeinträchtigt, die beste-
henden Zusageformen bleiben erhalten
und können weiter genutzt werden“,
beruhigt der Experte. Für erheblichen
Aufwand in der Praxis sorgen Tacke zu-
folge allerdings die Änderungen bei den
Fördertatbeständen auch in der „alten
Welt“. Die steuerfreie Dotierung nach
Paragraf 3 Nr. 63 EStG wird verdoppelt
(auf 8 Prozent der Beitragsbemessungs-
grenze West der Rentenversicherung)
und durch Vervielfältigungs- und Nach-
dotierungsoptionen ergänzt, beitrags-
rechtlich wird der Dotierungsrahmen
jedoch nur zur Hälfte flankiert (in der
Ansparphase gibt es nur die halbe SV-
Ersparnis). „Dieser fehlende Gleichlauf
wird die Betriebe vor Umsetzungspro-
bleme stellen“, fürchtet Gesamtmetall.
Mit der Abschaffung der Leistungsver-
beitragung hält die Riester-Förderung
Einzug in die betriebliche Altersver-
sorgung (bAV) und wird durch höhere
Grundzulagen insgesamt attraktiver.
Die Pauschalversteuerung nach Paragraf
40b EStG wird für Bestandsfälle dauer-
haft mit Portabilität abgesichert. „Für
die Arbeitnehmer folgt daraus die Frage
der Förderoptimierung, für die Arbeit-
geber die der Abrechnung und Abwick-
lung und gegebenenfalls das Problem
der Beratung“, legt Tacke den Finger in
die Wunde.
Zur Erinnerung: Das BRSG bringt ein
paar Pluspunkte, die auch bei den bishe-
rigen Durchführungswegen („alte Welt“)
nutzbar sind. Um Geringverdiener mit
maximal 2.200 Euro Bruttoeinkommen
stärker als bisher zu fördern, werden
zwei Punkte neu geregelt. Erstens: Zahlt
der Arbeitgeber für zusätzliche Alters-
vorsorge mindestens 240 Euro jährlich
ein, so kann er 30 Prozent von der Lohn-
steuer des Arbeitnehmers einbehalten.
Beiträge aus Entgeltumwandlung sind
jedoch nicht begünstigt. Zweitens: Bei
der Grundsicherung im Alter wird ein
Freibetrag eingeführt. Betriebsrentner
können dann ab 2018 von ihren Alters-
vorsorge-Leistungen rund 205 Euro mo-
natlich behalten.
Show-Stopper Entgeltumwandlung
Ganz zum Schluss kam noch ins Gesetz:
Bei Entgeltumwandlung in allen Durch-
führungswegen (auch in der „neuen
Welt“) wird der Arbeitgeber verpflich-
tet, 15 Prozent Zuschuss zu zahlen,
soweit er durch die Entgeltumwand-
lung SV-Beitrag einspart. Das gilt für
neue Entgeltumwandlungen ab 2019.
„Für den Bestand einschließlich neuer
Vereinbarungen bis Ende 2018 kommt
diese 15-Prozent-Zuschusspflicht des
Arbeitgebers erst 2022. Bis dahin ge-
währte Zuschüsse unterliegen dann
auch nicht zwingend einer sofortigen
gesetzlichen Unverfallbarkeit“, sagt An-
dreas Buttler, Gesellschafter der Febs
Consulting GmbH, ein unabhängiger
Sachverständiger für bAV sowie gericht-
lich zugelassener Rentenberater. Der
bAV-Gutachter sieht in der klassischen
Entgeltumwandlung mit Arbeitgeberzu-
schuss, kombiniert mit der verdoppel-
ten steuerlichen Förderung, den wich-
tigsten Wert des BRSG.
„Die größte Baustelle wird die Pflicht
zur Weitergabe der SV-Ersparnis der
Arbeitgeber bei der Entgeltumwandlung
auch für laufende Verträge sein“, meint
dagegen Tacke. Das könne ein richtiger
Show-Stopper werden, weil es laut Tacke
für alle Beteiligten zu unbefriedigenden
Ergebnissen führt:
• Die Finanzdienstleister können das
Geld in der Niedrigzinsphase in den
hoch verzinsten Bestandsverträgen gar
nicht aufnehmen.
• Die Arbeitnehmer müssen neue Ver-
träge mit neuen Provisionen abschlie-
ßen, die nur abfindungsgeneigte Kleinst-
renten erzielen und im ungünstigsten
© GESAMTMETALL
„Dringendste Aufgabe der Tarifvertrags-
parteien wird sein, über die gesetzlichen
Öffnungsklauseln die Komplexität der
Gesetzesumsetzung im Interesse von
Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu senken.“
Karsten Tacke, stellvertretender Hauptgeschäftsführer Gesamtmetall
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