Personalmagazin 6/2018 - page 35

Oft resultieren diese Karriere­
schritte aus gezielter Binnen-
fluktuation. Die Jobrotation von
Mitarbeitern zu fördern, ist Aufgabe
des internen Arbeitsmarkts. „Solche
Wechsel sind gewünscht, sogar se-
xy“, erklärt Schledt. Wer wechselt,
so die Botschaft, ergreift die große
Chance, sich im Sinne des Unterneh-
mens zu entwickeln. Es zeigt sich:
Zukunftsorientierte Unternehmen
wenden Talent Management teils auf
einen kleineren Personenkreis an,
wie Weidmüller auf digitale Talente,
teils auf die ganze Belegschaft, wie
bei Alnatura zu beobachten ist. Sie
verknüpfen es mit einem neuen Or-
ganisationsverständnis sowie revi-
dierten Führungsrollen.
Der Goldfischteich ist leer
Von elitärem Gehabe wird dabei Ab-
schied genommen. Talente in einem
Goldfischteich zu versammeln, wo
niemand so richtig weiß, warum er
dabei ist und was ihn konkret erwar-
tet, ist für Grieger tabu. „Das lassen
sich die besten Talente heute nicht
mehr bieten.“
Doch Umsteuern benötige Zeit,
findet Jens Bender, Geschäftsfüh-
rer von Intraworlds. Das auf Talent
Management spezialisierte Münch-
ner Beratungshaus richtet das in-
ternationale „World Talent Forum“
aus. Das Umfeld von Unternehmen
ändere sich, auch die Kultur. Da-
zu zählt Bender zufolge auch der
Wunsch nach stärkerer Partizipati-
on, wie etwa bei Haufe Umantis zu
beobachten. Dort wählen die Mitar-
beiter den CEO. „Mitarbeiter wollen
bis zu einem bestimmten Grad un-
ternehmerische Mitverantwortung
tragen, nicht zuletzt auch für die ei-
gene Entwicklung“, sagt Bender. Die
Kaminkarriere, ein Konstrukt aus
vordefinierten Entwicklungsstufen,
tauge nicht mehr.
Nun überzeugen laut Bender Ta-
lent-Management-Konzepte, die sich
WINFRIED GERTZ
ist freier Journalist in
München.
durch große Eigenverantwortung der
Mitarbeiter und große Transparenz
auszeichnen. „Im Idealfall“, so der
Talent-Management-Experte Trost,
„unterschreiben Talente den Arbeits-
vertrag, weil sie wissen, dass sie ihre
Entwicklung selbst in die Hand neh-
men müssen.“ Finde heraus, wo dei-
ne Zukunft liegt – dafür stehen dir
viele Wege offen! So könnte da das
Motto lauten. Trost nennt das „mit-
arbeiterzentrierte Befähigung“ – im
Gegensatz zur zentralen Steuerung
und Kontrolle im Sinne einer Bevor-
mundung.
Wie es scheint, sind Führungs-
kräfte Dreh- und Angelpunkt bei der
Frage, inwieweit Talent Management
eine Zukunft hat. „Es gehört in die
DNA guter Führungskräfte“, betont
Personalleiter Felder. Sie verfügten
über Rezeptoren, um auf Talente auf-
merksam zu werden, sie zu binden
und zu fördern. Prinzipiell sollten
Führungskräfte ihre Talente immer
wieder überraschen, um sie in neu-
em Licht zu sehen. „Schaden wird
auch ein Sprung ins kalte Wasser
keineswegs.“
Talent Management abschaffen?
Weniger optimistisch ist hingegen
Talent-Management-Experte Trost.
Für ihn ist die Bereitschaft, ein-
getretene Pfade zu verlassen, ge-
ring ausgeprägt. „Von jenen, die so
nach oben gekommen sind, ist auch
nichts zu erwarten.“ Viel wurde in
Talent Management investiert, auch
in Systeme, die heillos vertrackt
sind und Anwender frustrieren.
Da könne man durchaus darüber
nachdenken, das Konzept ganz ab-
zuschaffen, meint Trost. Das hieße
auch, dass die offenkundig heikle
Frage, wer nun eigentlich Talent ist
und wer nicht, vom Tisch wäre.
35
06/18 personalmagazin
1...,25,26,27,28,29,30,31,32,33,34 36,37,38,39,40,41,42,43,44,45,...84
Powered by FlippingBook