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06/18 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
aus: Teammitglieder melden sich ad hoc
oder länger geplant für ein Feedback an.
Zuerst sitzt das Teammit einemModera-
tor zusammen, sammelt und sortiert die
Meinungen. Im zweiten Schritt kommt
der Feedback-Nehmer dazu. Klappt es,
fühlt sich der Einzelne gestärkt und die
Stimmung im Team verbessert sich, der
Spaßfaktor steigt. Erfolg misst Goldkuh-
le daran, ob sich jeder im Team freiwillig
der Situation aussetzt.
Agiles Feedback bei Avira
Die Avira-Teams erhöhen die Transpa-
renz nicht nur für den Einzelnen, son-
dern auch als Gruppe. Das Ziel: Produk-
te effektiver und effizienter entwickeln.
Das Team schlüsselt dafür seine Kompe-
tenzen, Qualitäten und Lücken auf. Eine
einfache Matrix kreuzt Skills und Kom-
petenzen mit den Namen der Teammit-
glieder. Vier Stufen vom Anfänger bis
zum Experten werden sichtbar – und
zwar von gelb bis grün. Eine schlagkräf-
tige Truppe sollte in allen Kompetenzen
Experten haben. Und die Anfänger sol-
len sich qualifizieren können. Ein war-
nendes Rot für „Kann’s gar nicht und
wird es auch nicht lernen“ gibt es nicht
in dieser Matrix. Es geht ums Aufbauen,
nicht ums Niedermachen.
Und schließlich kann sich jeder – auch
das ganz freiwillig – eine Vertrauensper-
son als Development Coach suchen, die
Wissen, Reflexion und Karriere anregt.
Ein Muss wird der Developer erst, wenn
ein Mitarbeiter befördert werden will.
Der Coach wird für seine Rolle ausgebil-
det und kommt nicht aus dem eigenen
Team. Er holt Meinungen aus verschie-
denen Ebenen über seinen Coachee ein
und hat ein Budget für Weiterbildung.
Bei Versetzungen und Beförderungen
kann er Unterstützung anbieten.
Macht sich HR mit diesen selbstler-
nenden Strukturen überflüssig? Davor
hat Personalerin Maike Goldkuhle keine
Furcht. Das HR-Team berät und stützt
den Workflow, bietet Trainings und ist
beim Recruiting prozessverantwortlich.
Doch auch dort bleiben die Avira-HRler
nicht mit den Bewerbern allein. Denn
zum Einstellungsverfahren gehört ein
einstündiges halbstrukturiertes Leitbild-
Interview. Ein geschulter, aber HR-frem-
der Leitbild-Interviewer mit sehr guten
Gesprächsfähigkeiten schaut, ob der Kan-
didat zum Unternehmen und zu dem avi-
sierten Team passt. Er ist im Idealfall kein
Manager und hat bei der Entscheidung
über ein Vertragsangebot ein Vetorecht.
Es sind die fehlenden Wenn und Aber,
die durch die Hallen bei der Agile HR
Conference wabern. Gefragt wird, ob
die Referenten auch viel Überzeugungs-
arbeit leisten müssen oder was sie ma-
chen, wenn sie einen Kollegen partout
nicht überzeugen können. „Ist das bei
euch auch so?“ hört man häufig nach
einem der 20 Vorträge. Und die Antwor-
ten kommen erstaunlich offen: „Wenn
einer gar nicht auf den neuen Wegen
mitgehen will, dem helfen wir nach
draußen.“ Ein Satz dieser Art fällt häu-
figer. Das ist so bei kleinen Firmen wie
der Hamburger Kommunikationsagen-
tur Ministry, in der die 70 Mitarbeiter
selbst entscheiden, wie viel Urlaub sie
machen, aber auch, dass sie ihre per-
sönlichen Gehälter geheimhalten. Und
bei den Konzerntöchtern der Deutschen
Bahn ist es nicht anders. Es wird den
Managern und Jobinhabern ja auch ei-
niges abverlangt, wenn durch eine agile
Rollenverteilung die alten Privilegien in-
frage stehen – vom Vierachsenzimmer
bis zum Dienstwagen.
Bosch: HR zieht bei Agilität nach
Bei Robert Bosch Power Tools wuchs der
Druck auf die Personaler, auch ihre ei-
gene Arbeitsweise zu verändern. Denn
der Entwickler und Hersteller von Elek-
trowerkzeugen in Leinfelden-Echterdin-
gen baut mit seinen rund 3.000 Mitar-
beitern in Deutschland schon länger
an einer agilen Roadmap: Entlang der
Wertschöpfungskette werden Anwen-
dungstechnik wie Produktion und cross-
funktionale Teams erfasst. Da musste
sich auch HR fragen, ob der Bereich
nahe genug am Kunden, flexibel und
anpassungsfähig, schnell und effizient
sowie echt innovativ ist und ob er eine
motivierende Arbeitsumgebung schafft.
2016 packten die Personalmanager und
-mitarbeiter die eigene Entwicklung
an. Nach dem Kickoff wurden in vielen
Teams Teilaspekte analysiert, diskutiert
und natürlich ausprobiert.
© FOTOS: HR PIONEERS GMBH
Maike Goldkuhle
von Avira Operations
warb auf der Agile HR
Conference für agile
Veränderungen.
VIDEO
Tillmann Seidel, Unitymedia, zeigt, wie
agile Transformation gelingt. Das Video
finden Sie in der Personalmagazin-App.
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