Personalmagazin 6/2018 - page 19

19
06/18 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
lagen im Land der Ingenieure, dessen
wirtschaftlicher Erfolg wesentlich von
Produktion und Innovation abhängt.
Nach wie vor finden sich deutlich we-
niger Frauen als Männer in Positionen
mit Umsatzverantwortung. Dies zählt
aber zu den zwingenden Eintrittsvo­
raussetzungen zu mindestens 50 Pro-
zent der Vorstandsposten. Hier setzt
ein wesentlicher Hebel an: Frauen brau-
chen besseren Zugang zu Positionen
mit Umsatzverantwortung, um sich in
solchen Rollen entwickeln zu können.
Gleichzeitig ist es nötig, diese Karrieren
als Vorbilder für alle Mitarbeiter sicht-
barer zu machen.
Nötig ist zunächst eine Diskussion
über Führungskultur im Topmanage-
ment: Ist unsere bisher gängige De-
finition von erfolgreichem Habitus
überhaupt noch zeitgemäß? Welche Art
Manager wollen wir in Zukunft für un-
sere Unternehmen? Ist es der einsame
Entscheider, der mit harter Hand agiert
und weder Kollegen noch Mitarbeiter
einbezieht? Wenn ja, dann werden wir
auch weiterhin dem tradierten männli-
chen Rollenmodell verhaftet bleiben.
Es liegt an den Frauen selbst, die ei-
nen angebotenen Spitzenjob mit all
seinen Chancen, aber auch Einschrän-
kungen, nicht antreten wollen. Die Ar-
gumentation ist fast immer die gleiche:
In den obersten Etagen gebe es zu wenig
Inhalt, dafür aber zu viel Politik. Viele
weibliche Talente wollen sich nicht im
permanenten politisch getriebenen
Wettstreit zerreiben, sondern lieber in-
haltlich an den Fachthemen arbeiten.
Solange Frauen dieses politische Spiel
nicht beherrschen und auch nicht be-
herrschen wollen, bleibt der Weg an die
Spitze steinig. Schließlich kommt Verän-
derung von oben.
Innovation ist der Schlüssel
Man sollte sich nicht täuschen. Diese
Argumente sind absolut richtig. Aller-
dings gilt es, mit der Situation umzu-
gehen und nicht mehr zu lamentieren.
Innovation ist der Schlüssel. Es ist Zeit,
neue Wege zu gehen. Executive Search
muss die Betonung wieder deutlich stär-
ker auf Beratung legen.
Somit heißt es zunächst einmal, in in-
tensiven Gesprächen mit dem Klienten
herauszufinden, welches Know-how tat-
sächlich benötigt wird und wo dieses am
ehesten zu finden ist. Durch die Digitali-
sierung verändern sich die Geschäftsmo-
delle aller Branchen. Da heißt es, über die
eigene Branche hinaus zu denken. Damit
öffnet sich automatisch ein neues Feld
der Kandidatensuche. Als besonders
hilfreich hat sich dabei herausgestellt,
auf das Kriterium Deutschsprachig-
keit zu verzichten. Die Ausweitung des
Screenings auf das Ausland kann das
Potenzial passender Kandidaten – eben
auch weiblicher – signifikant erhöhen.
Das Ende der Altherrenclubs
Viele Unternehmen befürchten aller-
dings noch immer das Risiko eines
verstärkten Cultural Missfits und man-
gelnder Integrationsfähigkeit. Dabei ist
statistisch das Gegenteil der Fall: Der
große Vorteil von Diversity besteht da-
rin, das Unternehmen und seine Mit-
arbeiter näher an die Kunden heranzu-
führen – und diese spiegeln selten die
Soziodemografie des deutschen Topma-
nagements wider. Zudem agieren fast
alle großen Unternehmen ohnehin auf
den internationalen Märkten. Eine Rei-
he von Studien belegt darüber hinaus,
dass sich Mitarbeiter, die bereits im
Ausland gearbeitet haben, deutlich bes-
ser und schneller in Teams integrieren
können und damit häufig bessere Füh-
rungskräfte sind.
Als dritte Maßnahme sollten die Exe-
cutive-Search-Unternehmen das Thema
auch selbst endlich anpacken und jün-
ger und weiblicher werden. Schließlich
haftet dem Geschäft nicht umsonst das
Image eines Altherrenclubs an. Viele
Protagonisten sind inzwischen jenseits
der 60, manche jenseits der 70.
Demgegenüber ist die jüngste Auf-
sichtsrätin in Deutschland gerade ein-
mal Mitte 30. Damit wächst der Wunsch
nach Beratern, die diesen transfor-
matorischen Prozess, der sich in den
Unternehmen vollzieht, auch selbst
glaubwürdig repräsentieren und mit
den Kandidaten auf Augenhöhe und auf
Basis einer vergleichbaren digitalen So-
zialisation kommunizieren können.
Frauenfreundlichere Beratungen
So ließe sich das glaubwürdig unter Be-
weis stellen, was die Klienten gepredigt
bekommen. Dabei kämpfen Personalbe-
ratungen mit den gleichen Problemen
wie die großen Strategieberatungen
McKinsey oder BCG. Der Job ist geprägt
von umfangreicher Reisetätigkeit und
man arbeitet häufig in einer ausge-
prägten Wettbewerbssituation mit den
eigenen Partnerkollegen – eine frauen-
feindliche Umgebung also, wenn man
so will. Dem ließe sich allerdings ganz
pragmatisch entgegenwirken, beispiels-
weise durch die Unterstützung privater
Kinderbetreuung.
Fazit: Beim Thema Gender Diversity
im Executive Search gibt es noch einiges
zu tun. Der Appell geht nicht zuletzt auch
an ambitionierte weibliche Talente: Sie
sollten ihre Netzwerke pflegen und auf
den Erfahrungsaustausch mit Gleichge-
sinnten auf vergleichbarer beruflicher
Ebene setzen. Fällt die Entscheidung auf
ein rein weibliches Netzwerk, sollte da-
rauf geachtet werden, dass es seine eige-
ne Kraft nutzt, dass es als starkes, weil
vereinigtes Sprachrohr von Meinungs-
machern auftritt und gesellschaftlichen
Einfluss ausübt. Noch besser wäre es
allerdings, unabhängig vom Geschlecht
Fürsprecher dieser zukunftsweisenden
gesellschaftlichen Veränderung zu fin-
den und die Karrieren vieler weiblicher
Talente wirkungsvoll zu fördern.
CHRISTINA VIRZÍ
ist Grün-
derin und Geschäftsführerin
der Christina Virzí GmbH,
die auf die Vermittlung von
Vorstands- und Aufsichtsratsmandaten
spezialisiert ist.
1...,9,10,11,12,13,14,15,16,17,18 20,21,22,23,24,25,26,27,28,29,...84
Powered by FlippingBook