Personalmagazin 6/2018 - page 10

personalmagazin 06/18
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TITEL
_
ZEITENWENDE IM PEOPLE BUSINESS
W
enn früher die sonore
Männerstimme am Tele-
fon fragte „Können Sie
sprechen?“, wusste ein
Manager: Jetzt will ihm ein Headhunter
eine neue Führungsposition in einem
namhaften Unternehmen der deutschen
Wirtschaft vorschlagen.
Daran hat sich in den vergangenen
Jahren fast alles geändert: Executive-
Search-Beratungen, früher häufig als
„Altherrenclubs“ bezeichnet, werden zu-
nehmend jünger und weiblicher. Ebenso
sind die platzierten Kandidaten immer
öfter weiblich – mittlerweile liegt der
Frauenanteil bei 25 Prozent. Und nicht
nur Traditionsunternehmen suchen
nach neuen Führungskräften. Auch die
rasant wachsenden Unternehmen der
Digitalwirtschaft haben hohen Bedarf
an Top-Managern.
Die größte Veränderung ist aber: Die
Ansprache erfolgt immer häufiger über
digitale Kanäle. Das Festnetztelefon am
Arbeitsplatz bleibt still. Headhunting
wird zunehmend durch Technik unter-
stützt. Die Personalberatungsbranche
befindet sich mitten in einer Zeitenwen-
de. Aber nicht alle Personalberatungen
schaffen es, eine gute Balance zwischen
Technik und individueller Beratung zu
erreichen.
Die Treiber des Wandels
Treiber dieses Wandels ist in erster Linie
die Digitalisierung. Auf der einen Seite
führt sie zu Veränderungen am Nachfra-
gemarkt. Die Kundenunternehmen sind
Von
Daniela Furkel
(Red.)
verstärkt auf der Suche nach Führungs-
kräften mit technologischem Verständnis
und Kompetenzen für den digitalen Wan-
del. Ganz neue Kandidatenprofile sind ge-
fragt und müssen auf einem sehr engen
Angebotsmarkt gefunden werden, auf
dem klassische Suchmethoden nicht im-
mer die gewünschten Ergebnisse liefern.
Auf der anderen Seite kommen neue
Anbieter auf den Markt, die das Ge-
schäft digital abbilden. Ein Beispiel ist
das Start-up Searchtalent. Auf Basis
einer Stellenbeschreibung erstellt ein
Berater ein Suchprofil. Dann durchsucht
die Technik verschiedene Netzwerke
und spricht Kandidaten automatisiert
an. Erst bei der Bewertung der Profile
– bevor sie dem Kunden in seinem Dash-
board vorgestellt werden – kommt wie-
der Handarbeit ins Spiel. Ein weiteres
Beispiel ist die Recruiting-Plattform
Taledo, auf der Unternehmen ein Pro-
fil erstellen und damit Zugang zu vom
Anbieter zusammengestellten Kandida-
tenlisten erhalten können. Das Portal
Jobtender 24, auf dem Unternehmen ih-
re zu besetzende Position ausschreiben
können, ist bereits seit Längerem auf
dem Markt. Die angeschlossenen Head-
hunter – über 6.000 sind es nach Anga-
ben von Jobtender 24 – suchen passende
Kandidaten und schlagen sie den Auf-
traggebern vor. Ähnlich wie bei Taledo
zahlen die Auftraggeber nur bei Erfolg.
Dennoch: Das Executive-Search-Busi-
ness wird durch die neuen Marktteil-
nehmer kaum gefährdet. Die Zahl der
Personalberater steigt weiter. In seiner
Studie „Personalberatung in Deutsch-
land 2016/2017“ zählte der BDU 7.100
Personalberater – knapp sieben Pro-
zent mehr als im Vorjahr. Diese haben
62.500 Positionen besetzt – imVergleich
zu 2015 ein Plus von neun Prozent. Die
Umsätze stiegen ebenfalls um neun
Prozent an. Das Stammgeschäft der Per-
sonalberater, die Suche, Auswahl und
Gewinnung von Führungskräften und
Experten, hat am stärksten von allen
Beratungsfeldern zugelegt. Heute macht
das klassische Headhunting 84 Prozent
Marktanteil aus.
Mehr Beratung gefordert
Wie passt das zusammen? Eine Erklä-
rung liefert Dr. Regina Ruppert, Ge-
schäftsführerin der Selaestus Personal
Management GmbH und BDU-Vizepräsi-
dentin: „Auf der einen Seite gibt es die
Personalberater, die sich primär mit der
Suche, Auswahl und Rekrutierung von
Führungskräften beschäftigen. Auf der
anderen Seite stehen die Personalver-
mittler und die sogenannten CV-Broker,
die sich mit dem Transfer von Lebens-
läufen beschäftigen – normalerweise für
Die Jagd wird digital
TREND.
Mit diskreten Anrufen kommen Headhunter kaum noch weiter. Die Digitali-
sierung bringt grundlegende Veränderungen für die Personalberatungen mit sich.
Das Stammgeschäft der
Berater, die Suche, Aus-
wahl und Gewinnung
von Führungskräften
und Experten, legt wei-
ter zu – trotz und wegen
der Digitalisierung.
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