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TITEL
_ZEITENWENDE IM PEOPLE BUSINESS
personalmagazin 06/18
B
lütenweißes Hemd, perfekt sit-
zender Anzug, gewinnendes
Lächeln – rein äußerlich und
auch vom Namen her hat Tonio
Riederer von Paar nichts von einem Revo-
lutionär. Dennoch beherrscht der 51-jäh-
rige Gründer und Chef von Jobtender 24
Agitation aus dem Effeff. Jobtender 24 sei
die zweite große Revolution im Recrui-
ting, behauptet er. Sein Unternehmen sei
der größte B2B-Recruiting-Marktplatz in
Deutschland. Mehr als 6.000 Headhunter
hätten sich ihm schon angeschlossen.
Jobtender 24 ist eine Internetplattform,
auf der Unternehmen vakante Jobs aus-
schreiben können. Neu daran ist, dass
die Firmen Vorschläge von Beratern und
anderen Dienstleistern erhalten, die sich
bei der Plattform registriert haben und
die bei Jobtender 24 Headhunter genannt
werden. Für die Vermittlung eines pas-
senden Bewerbers legen die Unterneh-
men vorab eine Provision fest.
Headhunting neu gedacht
Michael Ensser, Deutschlandchef der
Personalberatungsfirma Egon Zehnder,
rümpft da die Nase. „Wie beim Broker“,
sagt er. Dennoch gibt er zu, dass ihm
die Entwicklung Sorgen bereitet. Mo-
mentan erreiche man über solche Platt-
formen vielleicht nur Berater, die Fach-
kräfte und Mittelmanager vermitteln. Es
sei aber nur eine Frage der Zeit, bis man
damit auch in höhere Einkommensstu-
fen aufbreche. „Heute scheint es noch
unvorstellbar, darüber einen M-Dax-
CEO zu finden, aber: Never say never.“
Von
Rainer Steppan
Tonio Riederer von Paar ist keines-
wegs alleine mit seinem Versuch, das
Search-Business zu revolutionieren. Auf
die Idee mit demHeadhunter-Marktplatz
sind auch andere gekommen, etwa das
Schweizer Unternehmen Talentory, das
seinen Nutzern, Headhuntern und per-
sonalsuchenden Unternehmen, mehr
Transparenz und Schnelligkeit beim Re
cruiting verspricht. Auch hier müssen
Unternehmen nur im Erfolgsfall zahlen.
Start-ups mischen den Markt auf
In den USA läuft diese Entwicklung schon
etwas länger, aber ein Ende ist nicht ab-
zusehen. „Immer mehr Dollars fließen
in diese Industrie“, berichtet der US-
Branchendienst Hunt Scanlon. Beispiel:
Scout Exchange aus Boston verspricht,
spezialisierte Headhunter und Auftragge-
ber mithilfe eines Matching-Algorithmus
zusammenzubringen. Der Algorithmus
soll zudem die Arbeit der Headhunter
bewerten, sodass der Auftraggeber un-
ter verschiedenen Anbietern denjenigen
auswählen kann, der am erfahrensten ist.
Ein weiteres Beispiel ist Hunt Club aus
Chicago, wo man an einem weltweiten
digitalen Netzwerk hochkarätiger Pro-
fessionals arbeitet. Die Mitglieder dieses
Netzwerks sollen personalsuchenden
Unternehmen Kandidaten aus ihrem
Bekanntenkreis empfehlen und erhal-
ten im Gegenzug für jede erfolgreiche
Empfehlung eine ansehnliche Summe
gutgeschrieben.
Andere Start-ups setzen auf Stim-
mungsanalysen, um Recruitern beim
Formulieren von Stellenbeschreibungen
zu helfen. Und immer wieder kommt
künstliche Intelligenz zum Einsatz, etwa
beim Aufspüren von Kandidaten, die sich
bereits einmal bei einem Unternehmen
beworben und eine Absage erhalten ha-
ben, jetzt aber gut auf einer anderen Stelle
einsetzbar wären.
Auch Europäer verstehen sich auf
den Einsatz von künstlicher Intelligenz:
Beim Wiener Start-up Jobrocker über-
nimmt ein selbstlernender Matching-
Algorithmus die erste Vorauswahl der
Kandidaten, bevor Fachberater mit dem
für die jeweilige Branche spezifischen
Fachwissen den Prozess weiterführen.
„Headhunting ist teuer“, heißt es auf der
Website von Jobrocker. Nicht zuletzt des-
wegen sei es an der Zeit, auf „Headhun-
ting 4.0“ zu setzen.
Executive Search ist teuer
In der Tat ist der Service der Personal-
vermittler nicht gerade billig. Pro Auf-
trag kassieren die Consultants in der
Regel ein Drittel der Jahresgesamtbezü-
ge des gesuchten Managers – es kann
aber auch deutlich mehr sein. Die Bera-
Nach oben angepasst
ANALYSE.
Die Headhunter-Branche befindet sich in einem rapiden Wandel. Auf die
Höhe der Honorare hat dies jedoch keinen Einfluss – zumindest noch nicht.
Immer mehr Start-ups
bieten kostengünstige
Recruiting-Lösungen.
Angesichts happiger
Beraterhonorare sind
sie durchaus eine Kon-
kurrenz für Headhunter.