personalmagazin 3/2018 - page 22

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TITEL
_WORKING OUT LOUD
personalmagazin 03/18
D
ie Zusammenarbeit in Netz-
werken etabliert sich immer
mehr in der Welt moderner
Unternehmen. Das Teilen von
Ideen und Arbeitsergebnissen soll Syner-
gien schaffen und Prozesse optimieren.
Solange Netzwerke unternehmensintern
betrieben und gegen unbefugten Zugriff
geschützt werden, sind sie rechtlich
häufig unproblematisch. Wo Netzwerke
unternehmensübergreifend organisiert
sind, kann die neue Offenheit jedoch in
einem Spannungsverhältnis zu rechtlich
geschützten Geheimhaltungs- und Wett-
bewerbsinteressen stehen.
In der heutigen Wissensgesellschaft
verwerten viele Unternehmen nicht mehr
primär Sachkapital, sondern immateriel-
les Kapital. Damit kann ein Unternehmen
vom Zufluss fremden Erfahrungswissens
profitieren, ebenso wie ihm ein Abfluss
von eigenem Erfahrungswissen schaden
kann. Diese Informationsflüsse reguliert
der strafbewehrte Schutz von Betriebs-
und Geschäftsgeheimnissen. Der Schutz
ist jedoch disponibel: Ein Unternehmen
kann also bewusst eigenes Know-how
preisgeben, um dafür fremdes Know-how
zu erlangen. Kleiner wird der Spielraum,
wenn Interessen Dritter berührt sind.
Um dann Informationen weiterzugeben
oder Rechte nutzen zu können, müssen
diese Dritten meist einwilligen.
Kartellrechtliche Grenzen
Im Unterschied dazu setzt das Kartell-
recht der Zusammenarbeit zwischen
Unternehmen absolute Grenzen, um den
Von
Philipp Cotta
und
Christoph Heinrich
freien Wettbewerb zu schützen. So darf
eine Zusammenarbeit zwischen Wett­
bewerbern nicht in eine Koordinierung
von Preisen oder in einen „Nichtangriffs-
pakt“, also eine Zuweisung von Märkten
oder Kunden(-gruppen), münden. Schon
der Austausch von marktrelevanten In-
formationen zwischen Wettbewerbern
kann gegen das Kartellverbot verstoßen.
Marktrelevant sind etwa Preis-, Absatz-
und Investitionsstrategien sowie Details
zu aktuellen Verkaufszahlen, Margen
und Vertragskonditionen mit Dritten.
Das Kartellrecht ist wirkungsbezogen.
Auch eine unvorsätzliche, unverbind-
liche, mündliche oder gar stillschwei-
gende Koordinierung unterfällt daher
dem Kartellverbot. Ebenso kommt es
nicht auf den Rahmen einer Absprache
an. So kann ein Kartell seinen Ausgangs-
punkt ebenso an einer Hamburger Ho-
telbar nehmen (wie zum Beispiel beim
Wachskartell, was zu einem Bußgeld von
676 Millionen Euro führte) wie amRande
von Handelsmessen und am Telefon (wie
zum Beispiel beim Lkw-Kartell, was ein
Bußgeld von 3,9 Milliarden Euro nach
sich zog).
Kartelle auch in HR möglich
Das Kartellrecht erfasst das gesamte
Wettbewerbsverhalten eines Unterneh-
mens. Dazu zählt auch der Wettbewerb
umArbeitskräfte. Allerdings erkennt das
Kartellrecht die Tarifautonomie von Ar-
beitgeberverbänden und Gewerkschaf-
ten an. Entgeltregelungen in Flächenta-
rifverträgen sind damit kartellrechtlich
erlaubt, obwohl es sich eigentlich um
„Preisabsprachen“ zwischen Unter-
nehmen handelt. Unternehmen dürfen
auch zeitlich begrenzte Abwerbeverbote
anlässlich von Unternehmensverkäu-
fen oder der Gründung eines Gemein-
schaftsunternehmens vereinbaren.
Dagegen sind Absprachen zwischen
Unternehmen, gegenseitig keine Mit-
arbeiter abzuwerben, ohne eine solche
Rechtfertigung kartellrechtswidrig.
Das bekamen vor wenigen Jahren US-
amerikanische High-Tech-Unternehmen
zu spüren, die untereinander bilateral
Abwerbeverbote vereinbart hatten. Sie
sahen sich mit Ermittlungen der US-
amerikanischen Kartellbehörde und
einer Sammelklage von betroffenen Ar-
beitnehmern konfrontiert. Adobe, Apple,
Google und andere zahlten insgesamt
435 Millionen US-Dollar, um die Sam-
melklage beizulegen. Solche Kartellfälle
sind bislang die Ausnahme. Der zuneh-
mende Fachkräftemangel könnte jedoch
auch hierzulande dazu verleiten, den
„War for Talents“ mit unlauteren Mitteln
wie Kartellabsprachen zu führen.
Was bei Verbandstreffen erlaubt ist
Die Verbandsarbeit ist besonders an-
fällig für Kartelle, weil Führungskräfte
aus derselben Branche oder mit dersel-
ben Funktion aufeinander treffen. Beim
Austausch zwischen Gleichgesinnten
stellt man schnell fest, dass man vor
denselben Herausforderungen steht.
Das schafft eine Versuchung, diese He-
rausforderungen gemeinsam auf Kosten
des Wettbewerbs zu lösen.
Ein Beispiel: Die Mitglieder eines Ver-
bands stehen vor dem gemeinsamen
Problem, aufgrund von steigendem Kos­
Wann Schweigen Gold ist
ÜBERBLICK.
Unternehmensübergreifende Netzwerke bedeuten vor allem Zusammen­
arbeit und Informationsaustausch. Welche Grenzen kartellrechtlich zu beachten sind.
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