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03/18 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
sessment-Center oder ein Intelligenztest
abschreckend? Welchen Eindruck hin-
terlässt ein Interview beim Kandidaten?
Personaler überlegen, was bei den
Kandidaten gut ankommt und laufen da-
bei Gefahr zu vernachlässigen, worauf
es ankommt. Da wird vermeintlich den
Vorlieben der jungen Generation zulie-
be das Auswahlverfahren infantilisiert
– Stichwort „Gamifizierung“ – oder um
jeden Preis digitalisiert. Aus Angst vor
Akzeptanzverlust verzichtet man bei er-
fahrenen Kandidaten auf aussagekräfti-
ge Verfahren wie Intelligenztests. Damit
verlieren Personaler auf beiden Seiten:
Die Akzeptanz sinkt ebenso wie die Aus-
sagekraft der Verfahren.
Auswahlverfahren prägen das Image
Das Bemühen, Personalauswahlverfah-
ren maximal akzeptabel zu gestalten,
ist richtig und sinnvoll. Tatsächlich prä-
gen die Auswahlverfahren das Image
des Arbeitgebers; sie gelten als Visiten-
karte der Organisation. Die Akzeptanz
wirkt sich ebenso auf die Bereitschaft
des Kandidaten aus, ein Jobangebot an-
zunehmen wie gegebenenfalls auf das
Commitment und die Zufriedenheit, mit
der er seine Arbeit aufnimmt. Und die
Akzeptanz wirkt sich via Mund- und
Online-Propaganda – Stichwort Arbeit-
geberbewertungsportale – auch auf
Dritte aus, die als potenzielle Bewerber
oder als (potenzielle) Kunden für die Or-
ganisation relevant sind. Bewerber sind
„Storyteller“, also Multiplikatoren. Die
Personalauswahl sollte aber auch un-
abhängig von diesem Nutzen möglichst
akzeptabel gestaltet werden – aus Res-
pekt anderen Menschen gegenüber.
Maximale Akzeptanz seitens der Be-
werber – über das Ziel besteht Einig-
keit – nicht aber über die Mittel. Welche
Verfahren werden gut, welche weniger
akzeptiert? Diese Frage wurde wissen-
schaftlich so gut untersucht, dass es
möglich ist, die Einzelstudien zu Meta-
studien zusammenzufassen. Zur Ak-
zeptanz von Personalauswahlverfahren
liegen mehrere Metaanalysen vor, die
zu gleichsinnigen Ergebnissen kommen.
Ich stelle ausgewählte Ergebnisse der
2010 im International Journal of Selec-
tion and Assessment (18, S. 291–304)
publizierten Studie von Neil Anderson,
Jesus F. Salgado, und Ute Hülsheger vor.
Die Autoren fassen die Ergebnisse aus 38
Studien aus 17 Ländern statistisch kon-
trolliert zusammen. Ich beschränke mich
hier auf die Ergebnisse zur Akzeptanz
von vier Personalauswahlverfahren:
• Interview
• Arbeitsprobe/Simulationsübung
• Leistungstests
• Persönlichkeitsfragebogen
In der Studie wurde die Akzeptanz von
sechs weiteren Methoden untersucht,
die ich hier ausspare: Die Analyse des
Lebenslaufs, Referenzen und „Personal
Contacts“ (im Sinne von einflussreichen
Fürsprechern) grenze ich aus, da die-
se Auswahlmethoden im Hintergrund
laufen und somit von Bewerbern nicht
erlebbar sind. Auf die Berücksichtigung
der Methoden Biografischer Fragebo-
gen, Integritätstest und Grafologie ver-
zichte ich, da sie in Deutschland selten
genutzt werden.
Akzeptanz ist nicht eindimensional
Bewerber beurteilen die Akzeptanz dif-
ferenziert. Statt mit einer Akzeptanzein-
schätzung sieht man sich in Wirklichkeit
mit mehreren, vielfach miteinander ver-
flochtenen Akzeptanzdimensionen kon-
frontiert. In der Metaanalyse wurde nicht
nur ein Gesamtwert für die Akzeptanz
abgefragt, sondern es wurden sieben Ak-
zeptanzdimensionen unterschieden:
Gesamturteil
Wissenschaftlich-
keits-Anmutung
vermutete
Aussagekraft
zwischenmensch-
liche Wärme
Augenschein-Vali-
dität/Jobbezug
Wahrung der
Privatsphäre
Arbeitsprobe/Simulationsübung 5.38
4.43
5.42
4.60
5.34
5.40
Interview
5.22
4.08
5.40
5.43
5.54
5.02
Leistungstests (z.B. Intelligenztest) 4.59
4.70
4.59
3.52
4.91
5.47
Persönlichkeitsfragebogen
4.08
4.20
4.59
3.89
4.33
4.18
ÜBERBLICK
Die Tabelle zeigt die Urteile über verschiedene Akzeptanzgesichtspunkte von Personalaus-
wahlverfahren. Die Daten wurden metaanalytisch ermittelt von Anderson et al. (2010).
Skala von 1 bis 7, hohe Werte stehen für hohe Akzeptanz. Die Anzahl befragter Teilnehmer pro Zelle
beträgt mindestens 1.495 und maximal 3.683. Die Daten stammen aus 17 Ländern.
Auch wenn sich in der
Personalauswahl die
Macht auf die Nach-
frageseite verschiebt,
ist der Bewerber kein
König, der in jedem Fall
beglückt werden kann.
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