personalmagazin 3/2018 - page 19

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03/18 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Beziehungen zwischen Abteilungen,
Teams und Einzelpersonen. Auf diese
Weise fließen Informationen frei und
schnell, während sie in der herkömm-
lichen Unternehmenspyramide zeit-
aufwendig von Stufe zu Stufe getragen
werden. Wo Managementmethoden wie
Lean, Agile, Scrum und Kanban ange-
wandt werden, brechen diese starren
Strukturen auf. Die Mitglieder einer
Netzwerkorganisation handeln auto-
nom und eigenverantwortlich. Für die
Führung ergibt sich daraus die Anforde-
rung, die zentrifugalen Kräfte zu bändi-
gen, indem sie die Ziele klar formuliert
und kommuniziert. Beispiele sind die
Graswurzelbewegung „Working Out
Loud“ bei Bosch (siehe dazu den Artikel
unter dem Titel „Networking bei Bosch“
in dieser Personalmagazin-Ausgabe)
oder das Swarming-Projekt bei Daimler
(siehe dazu Personalmagazin-Artikel
„Im Schwarm organisiert“ in Ausgabe
09/2017).
Sparen beim Overhead
Kommunikation wird bei Sipgate nicht
nur groß, sondern praktisch überallhin
geschrieben. Bunte Haftnotizen kleben
auf Türen und Glaswänden, in den mor-
gendlichen Stehkonferenzen kritzeln
die Teams Dutzende von Whiteboards
voll – wofür das Unternehmen 3.000
Marker auf einmal gekauft hat. „Jeder
soll sehen, woran der andere gerade
arbeitet“, erläutert Mois. Auf die Spit-
ze getrieben wird dieses Prinzip beim
„Pair Programming“: Zwei Entwickler
teilen sich einen Rechner, damit wirk-
lich kein Bit Know-how und Information
verloren geht.
Der hohe Grad an Selbstbestimmung
spiegelt sich darin wider, dass Sipgate
wenig „Overhead“ benötigt. Beispiel
Personal: Die Teams entscheiden selbst,
ob und wann sie neue Kollegen einstel-
len, sie formulieren die Jobanzeige und
führen die Vorstellungsgespräche. Die
beiden HR-Managerinnen unterstützen
und coachen dabei. Genauso funktio-
niert die Weiterbildung. Wer einen Be-
darf erkennt, wählt bei einem Anbieter
eine Maßnahme, ohne sich um Budget-
grenzen oder grünes Licht vom Chef
kümmern zu müssen. „Wir sind quasi
der Gegenentwurf zum zentralisierten,
hierarchiebetonten Unternehmen“, sagt
Mois. „Als Netzwerkorganisation können
wir das Potenzial in den Köpfen besser
ausschöpfen, wir sind schneller und fle-
xibler. Das kommt unseren Kunden und
Mitarbeitern gleichermaßen zugute.“
Digitaler Hyperwettbewerb
Roland Eckert, Professor an der FOM
Hochschule für Oekonomie & Manage-
ment in Düsseldorf, beobachtet einen
„digitalen Hyperwettbewerb“, der Un-
ternehmen zwinge, immer rascher,
agiler auf unvorhersehbare Verände-
rungen zu reagieren. „Klassische hie-
rarchische Organisationen mit primär
vertikalen Informationsflüssen und der
Trennung von Planung, Entscheidung
und Ausführung können auf unvorher-
sehbare Veränderungen kaum und auf
vorhersehbare Veränderungen nur ver-
gleichsweise langsam reagieren“, sagt
er. „Dagegen bestehen Netzwerkorga-
nisationen aus miteinander vernetzten
Teams und stellen eine bewegliche und
dynamische Organisationsform dar.
Teams agieren autonom, sind selbst-
organisiert und übernehmen inner-
halb ihres Zuständigkeitsbereichs, der
strategischen
Rahmenbedingungen,
und ihrer Zeit- und Finanzbudgets in-
tegriert die Planungs-, Entscheidungs-
und Ausführungsverantwortung. Da-
mit können sie vergleichsweise agil
auf unvorhersehbare Veränderungen
reagieren.“
Netzwerke ermöglichen es Mitarbei-
tern, eigene Ideen umzusetzen. Das
steigert die Arbeitszufriedenheit und
entlastet die Führungskräfte – wer sel-
ber denkt, benötigt weniger Anleitung.
Dieses Zusammenspiel klappt gut zwi-
schen gleichberechtigten Teams. „He-
rausfordernder wird die Gestaltung
eines Netzwerks auf der Ebene der Ge-
samtorganisation“, sagt Eckert. Hier ge-
be es zwei Möglichkeiten: „Zum einen
können für den künftig wichtigen Chan-
cenanteilswettbewerb die Teams und
Netzwerke um ausgewählte Zukunftsop-
tionen herum aufgesetzt werden. Das
würde in Richtung Schwarmorganisati-
on gehen. Zum anderen kann und muss
„Zukünftig erwarten wir, dass ein hie­
rarchiereduziertes Netzwerk zur Primär-
organisation in Unternehmen wird.“
Prof. Dr. Roland Eckert, FOM Hochschule für Oekonomie & Management
„Der ‚Open Friday‘ ist unser bevorzugter
Weg, Wissen weiterzugeben. Wir brau-
chen kaum noch ‚normale‘ Meetings.“
Tim Mois, Geschäftsführer, Sipgate GmbH
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