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personalmagazin 04/17
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TITEL
_VERGÜTUNGSTRENDS
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
praktischen Umsetzung von LTI. Für
Lurse-Vorstand Horak steht jedenfalls
fest: Probleme mit Langfristboni ent-
stehen meist nicht aus der technischen
Ausgestaltung des Modells, sondern aus
der Anwendung dieser Modelle. Was gilt
es also zu tun, um ein wirksames LTI-
Programm aufzusetzen und nicht wie
bei VW nach einem Skandal-Jahr hohe
Boni zahlen zu müssen? „Oft werden
in langfristigen variablen Vergütungs-
systemen Mindestanforderungen defi-
niert, die eine Auszahlung überhaupt
erst möglich machen“, erklärt Jahn
eine mögliche Lösung. Weiterhin gebe
es Ansätze wie zum Beispiel „Deferral-
Systeme“ oder die verpflichtende An-
lage von Auszahlungen in Aktien des
Unternehmens, um den Erfolg oder
Misserfolg der Vorperiode etwas länger
zu betrachten und Auszahlungen über
einen noch weiteren Zeitraum zu stre-
cken. „Richtig ausgestaltet führen diese
Instrumente dazu, dass sich schlechte
Ergebnisse auch in den Auszahlungen
auswirken“, so Jahn. Dies erfolge gege-
benenfalls entsprechend über einen län-
geren Zeitraum. „Es ist jedoch nicht im-
mer auszuschließen, dass ein schlechtes
Timing festgelegt wird oder sich die Un-
ternehmenssituation deutlich schlech-
ter entwickelt als erwartet“, schränkt
der Vergütungsberater ein. Doch auch
dafür gibt es – zumindest eine theore-
tische – Lösung: „In extremen Fällen
und außerordentlichen Entwicklungen
– nicht aber bei Unausgewogenheit der
Festlegung von Leistungs- und Auszah-
lungsverhältnis im System - hat der
Aufsichtsrat die Möglichkeit der Be-
grenzung der Zahlungen“, sagt Jahn.
Fratschner ergänzt: „Ebenso gehören
Caps zu den zwingenden Elementen
eines solchen Ansatzes, damit im Auf-
sichtsrat oder Beirat eine diskretionäre
Steuerungsmöglichkeit erhalten bleibt,
wenn sich Ergebnisse – unter Umstän-
den aufgrund von Windfall-Profits und
nicht aufgrund der Leistung des Ma-
nagements – rasant entwickeln.“
Um Exzesse raffgieriger Manager zu
vermeiden, sollten auch ethisch-mora-
lische Anforderungen schon bei der Kon-
zipierung des Vergütungssystems eine
Rolle spielen. Diese Forderung findet
sich auch in der Neufassung des Deut-
schen Corporate-Governance-Kodex,
die kürzlich veröffentlicht wurde. Dabei
wurde er unter anderem um das Leit-
bild des ehrbaren Kaufmanns ergänzt.
Auch konkrete Empfehlungen für die
Vorstandsvergütung finden sich darin:
Die Bemessungsgrundlage für deren
variable Vergütungen soll demnach „im
Wesentlichen zukunftsbezogen sein“.
Mehrjährige Vergütungen, die in die
Berechnung anteilig einbezogen wer-
den, „sollten nicht vorzeitig ausbezahlt
werden“, heißt es nun. „Das Design des
gesamten Vergütungspakets und des
LTI muss mit der Unternehmensstrate-
gie kongruent sein, unternehmerische
Chancen incentivieren, Fehlverhalten
sanktionieren und mit Blick auf das
gesamte Unternehmen als angemessen
und gerecht vermittelbar sein“, emp-
fiehlt auch Mercer-Berater Kern – und
macht wiederum deutlich, dass auch ge-
ringe Komplexität eine Anforderung an
moderne Vergütungssysteme darstellt:
„Letzteres erfordert neben Transparenz
eine gewisse Einfachheit und Nachvoll-
ziehbarkeit sowohl im Design als auch
in der Kommunikation.“
Für moderne Arbeitswelten geeignet?
Die Berater halten langfristige Boni also
mehrheitlich für sinnvoll, solange sie
Teil eines sorgsamdurchdachten und gut
aufgestellten Vergütungssystems sind
und ethisches Verhalten fördern. Doch
wie sinnvoll sind LTI für die moderne
Arbeitswelt? Eine der großen Anforde-
rungen an zeitgemäße Vergütungssyste-
me besteht ja gerade darin, dass diese
schnell und flexibel auf sich ändernde
Voraussetzungen auf dem Markt und
in Organisationen reagieren können.
„Wenn man sich das Vuca-Welt-Konzept
vor Augen führt, dann steht es syste-
misch schon etwas im Widerspruch zu
Langfrist-Boni“, sagt Horak. „Denn weil
unsere Umwelt dynamischer geworden
ist, ist es auch schwieriger geworden,
Ziele lange im Voraus zu definieren.“
Dennoch plädiert Lurse-Vorstand Horak
dafür, auch in der modernen Arbeitswelt
langfristige Boni einzusetzen. „Das Kon-
zept LTI bleibt gut und richtig.“ Für die
Mischung von Kurz- und Langfristboni
hieße dies: das eine tun ohne das andere
zu lassen. „Wir beobachten, dass Unter-
nehmen die Instrumente zur Messung
von Zielerreichung kürzer takten. Statt
einmal werden Mitarbeitergespräche
drei bis vier Mal im Jahr durchgeführt.
Dies ist sicher ein Ansatz, der zuneh-
menden Dynamik Rechnung zu tragen“,
so Horak. Auch Jahn sieht einen Ansatz,
wie sich LTI für die moderne Arbeits-
welt anpassen lassen: „Zur Erhöhung
der Flexibilität und Justierung werden
häufig mehrere mehrjährige Vergü-
tungsprogramme parallel gestaffelt
aufgelegt, um in neuen Auflagen kurz-
fristige Veränderungen mit aufnehmen
zu können.“ Zudem können LTI auch
mit flexibleren Vergütungsbestandtei-
len ergänzt werden: So würden gerade
kurzfristige „Spot Boni“ Eingang in die
Praxis finden, ergänzt Kern mit Verweis
„Das Design des Vergütungspakets und
des LTI muss auch das Fehlverhalten
von Managern sanktionieren.“
Dieter Kern, Partner bei Mercer
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