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TITEL
_VERGÜTUNGSTRENDS
personalmagazin 04/17
Kennzeichen der aktuellen Zeit. Der Um-
gang mit diesen Fragen zeigt, wie ernst
es Unternehmen mit Digitalisierung,
disruptiven Veränderungen et cetera
meinen. Es liegt an ihnen, dem neuen
Mitarbeitertypus ein adäquates Umfeld
und maßgeschneiderte Anreizsysteme
zu bieten, um so ein innovationsför-
derndes Klima zu schaffen.
Böse, böser, Bonus?
Alternativ bemühen sich Unternehmen,
innerhalb ihrer bestehenden Strukturen
eine Innovationskultur zu fördern. Nicht
erst seit der medienwirksamen Ankündi-
gung der Abkehr von individuellen Boni
durch Bosch, Daimler oder SAP ist klar:
Unternehmen rücken immer häufiger
vom klassischen System des Bonus‘, der
von der persönlichen Leistung bestimmt
wird, ab. Dieser Entscheidung liegt neben
der Unzufriedenheit mit den internen
Systemen zur Leistungsbeurteilung die
Argumentation zugrunde, dass Innovati-
onen im Team besser gedeihen können.
Aufwendige Zielkaskadierungsprozesse
und langwieriges Feilschen um jeden
Prozentsatz Bonusauszahlung sind die-
ser Idee nicht förderlich.
Vergütungselemente, die sich rein am
Unternehmenserfolg orientieren, ver-
mitteln hingegen eine klare Botschaft:
Wir sind ein Team, wir sitzen im selben
Boot und teilen Erfolg wie Misserfolg. Be-
deutsame Veränderungen sind nur im
Team zu schaffen. Ferner erhoffen sich
Unternehmen eine Feedback-Kultur, die
ohne die direkte Verknüpfung mit Geld
ehrlicher wird.
Trotz allem kommen Unternehmen an
einer Differenzierung nicht vorbei. Ein-
stellungen und Absagen, Beförderungen
und Entlassungen, Gehaltssprünge und
Nullrunden, Wertschätzung und Kritik
– dies alles sind Führungsaufgaben und
wichtige Formen von Differenzierung.
Und auch wenn das Problem im Bonus
unterdrückt wird, erhöht es den Druck,
an anderer Stelle zu differenzieren – im
Grundgehalt, der Langfristvergütung
oder der Karriereentwicklung. Denn ei-
ne engagierte Kraft, die merkt, dass sich
Mehrleistung im Vergleich zu Kollegen
nicht auszahlt, reduziert ihren Einsatz
oder nimmt den Hut. Für welche Diffe-
renzierung sich Unternehmen auch ent-
scheiden: Es gibt keinen richtigen oder
falschen Weg. Die Entscheidung muss
zur Unternehmenskultur, -historie und
den Mitarbeitern passen und man muss
sich der Folgeprozesse bewusst sein.
Ohne Frage ist aber seit Jahren die
Rückbesinnung auf verständliche, ein-
fache Systeme, insbesondere bei kurz-
und langfristigen variablen Anreizen,
ein branchenübergreifender Trend in
Deutschland. Ein Vergütungssystem ist
nur dann erfolgreich, wenn die Mitar-
beiter verstehen, wie ihre Vergütung
zustande kommt und diese auch den
wirtschaftlichen Erfolg des Unterneh-
mens widerspiegelt. Nur in diesem Fall
findet das System langfristig Akzeptanz.
Vorbei sind die Zeiten, in denen alle steu-
erungsrelevanten Aspekte über variable
Vergütung abgedeckt und hierfür Er-
folgskennzahlen im Dutzend verwendet
wurden, die wiederum nur der zuständige
Controller (von HR ganz zu schweigen)
verstehen konnte. Oberste Prämisse ist es,
Komplexität zu reduzieren und sich auf
den Zweck jedes Vergütungsinstruments
zu konzentrieren: sei es etwa Motivation
oder Bindung, die individuelle Honorie-
rung außerordentlicher Leistung oder die
Forcierung des Teamgedankens.
Mitarbeiter werden Mitunternehmer
In die Entwicklung, den Teamgeist und
das Unternehmertum zu stärken, fällt
auch der Trend, dass – neben Start-ups
– immer mehr Unternehmen ihre Mit-
arbeiter am Unternehmenserfolg beteili-
gen und sie damit zu echten Mitunter-
nehmern machen. Die positive Wirkung
einer direkten oder indirekten Beteili-
gung der Mitarbeiter für diese wie auch
die Unternehmen selbst haben wissen-
schaftliche Studien – wie zum Beispiel
die Studie zur Wirkung der Mitarbei-
terbeteiligung am Beispiel der Siemens
AG aus dem Jahr 2015 – belegt. Indem
Mitarbeiter zu Miteigentümern werden
und eine Beteiligung erhalten, denken
sie ausgeprägt unternehmerisch und
entscheiden selbstverantwortlich und
langfristig. Die Mitarbeiterbeteiligung
bietet Spielraum für Wertschätzung,
die Mitarbeiter identifizieren sich mehr
mit dem Arbeitgeber und binden sich so
stärker an ihn. Die daraus resultierende
gestiegene Motivation steigert Engage-
ment und Leistung, was sich langfristig
positiv auf die Wettbewerbsposition
eines Unternehmens auswirkt.
Trotz dieser Wirkungen fristet die Mit-
arbeiterbeteiligung in Deutschland ak-
tuell noch ein Schattendasein: Nur rund
zwei Millionen von rund 43 Millionen
Arbeitnehmern in Deutschland verfügen
über eine Mitarbeiterbeteiligung und nur
etwa ein Drittel der Dax-, M-Dax-, S-Dax-
und Tec-Dax-Unternehmen bieten eine
solche an. Offensichtlich scheuen Unter-
nehmen bisher noch vor einem vermeint-
lich hohen administrativen Aufwand
zurück. Oft wird auch das doppelte Risi-
ko für Mitarbeiter bei Eigenkapitalbetei-
ligungen kritisiert, die im Insolvenzfall
nicht nur ihren Job, sondern auch ihr ein-
gesetztes Kapital verlieren würden – was
jedoch von der konkreten Ausgestaltung
der Beteiligung abhängt.
Obgleich die steuerliche Förderung
von Mitarbeiterkapitalbeteiligungen in
Deutschland mit einem Freibetrag in Hö-
he von 360 Euro pro Jahr imeuropäischen
Vergleich weit unter dem Durchschnitt
liegt, stellt die langfristige Beteiligung
am Unternehmen mit attraktiver Ren-
ditechance bei beherrschbarem Risiko
eine sinnvolle Ergänzung zur Altersvor-
sorge dar, insbesondere in der aktuellen
Niedrigzinsphase. Es herrscht also noch
Aufholbedarf bei der Mitarbeiterbeteili-
gung, auch wenn der Weg in die richtige
Richtung führt. Erfolgskritisch ist dabei
besonders, dass Mitarbeiter das Betei-
ligungsangebot in allen Aspekten, Vor-
teilen und Konsequenzen verstehen und
dass es mit der Unternehmenskultur in
Einklang steht. Ferner sollten die Gesell-
schaftsform, die Unternehmensstrategie