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TITEL
_VERGÜTUNGSTRENDS
personalmagazin 04/17
Team zusammenarbeiten müssen. Das
Einzige, das sich am Ende des Arbeits-
tags messen lässt, ist: Wie viel ist in
der Kasse und wie viele Brote sind am
Abend nicht verkauft?
personalmagazin:
Wie wirken sich denn
Teamboni auf die Arbeitsleistung solcher
organischer Teams aus?
Friebel:
Wir haben im Bäckerei-Umfeld
ein Feldexperiment mit 1.500 Teilneh-
mern durchgeführt, das erstmalig die
Wirksamkeit von Teamboni nachweisen
konnte. In unserem Experiment erhielt
die Hälfte der Teilnehmer einen Team-
bonus, die andere Hälfte nicht. Bei den
Teams mit Teambonus stellten wir große
Effekte fest: Die Verkäufe sind in diesen
Teams durchschnittlich um drei Prozent
hochgegangen, in Bäckereien in größe-
ren Städten sogar um sieben Prozent
– denn dort können die Teams durch
schnelleres und effizienteres Arbeiten
tatsächlich mehr Umsatz generieren.
personalmagazin:
Aber auch hier wären
doch auf bestimmten Ebenen individuelle
Ziele denkbar. Etwa: Wenn der Teamleiter
das Team ausreichend trainiert, motiviert
und dadurch die Leistung steigert, gibt’s
einen Extrabonus für ihn …
Friebel:
In unserem Fall bekamen die
Shopleiterinnen tatsächlich einen in-
dividuellen Bonus – aber die Mitar-
beiter fanden das unfair. Denn wenn
Organisationen versuchen, ein echtes,
organisches Team nicht als Team zu
behandeln, sondern jeden Mitarbeiter
individuell zu bewerten, führt das dazu,
dass die Mitarbeiter nicht mehr gut zu-
„Top-Performer machen Druck“
INTERVIEW.
Teamboni sollen Teamplayer fördern. Doch sie können auch zerstörerisch
wirken, warnt Vergütungsforscher Guido Friebel. Wann sie sinnvoll sind, wann nicht.
personalmagazin:
Immer mehr deutsche
Unternehmen kehren sich von individu-
ellen Bonuszahlungen ab. Es ist doch
schön, dass die Firmen sich keine Ein-
zelkämpfer mehr heranzüchten und nun
das Wohl des Gesamtunternehmens mehr
in den Fokus stellen wollen – oder?
Guido Friebel:
Dass Firmen Leistung nicht
mehr individuell bewerten wollen, ist
ein wiederkehrender Trend. Ich halte
aber die Entscheidung, nur noch ein Fix-
gehalt und daneben einen Firmenbonus
für alle zu zahlen, für gefährlich. Denn
daraus entsteht ein Motivationspro-
blem: Wenn Top-Performer im Vergleich
zu ihrer Leistung nur einen kleinen
Anteil am Profit erhalten, empfinden
sie das als unfair. Gegen dieses Gefühl
kann der Arbeitgeber nur noch mit hö-
heren Fixgehältern und Beförderungen
gegensteuern – was beides sehr unflexi-
ble Instrumente sind.
personalmagazin:
Dann sind doch Team-
boni eine gute Lösung – denn wenn die
Gemeinschaftsleistung stimmt, werden
Top-Performer damit ja auch belohnt …
Friebel:
Bei der Diskussion um Teamboni,
die im Übrigen bereits seit einem knap-
pen Jahrhundert geführt wird, verges-
sen viele einen fundamentalen Punkt:
Auf einen Teambonus zu setzen ist nur
dann sinnvoll, wenn die Mitarbeiter
wirklich ein organisches Team bilden, in
dem das Produkt in einer engen Koope-
ration entsteht, in dem es also gar keine
individuellen Leistungsmaße gibt. Wenn
man hingegen gut individuell vergüten
kann, weil sich die Leistung des Einzel-
nen messen lässt und die Kooperation
zwischen den Individuen nicht so wich-
tig ist, dann sollte man das auch tun.
Das geht zum Beispiel bei Vertrieblern,
deren individuelle Verkaufszahlen man
als objektive Maße heranziehen kann.
In solchen Fällen die Teamleistung statt
der individuellen Leistung zu messen,
ist unsinnig. Sehr wohl aber kann man
hier die relative Leistung messen.
personalmagazin:
Können Sie ein Beispiel
nennen für ein organisches Team?
Friebel:
Zum Beispiel Bäckereiteams:
Dort gibt es gar keine sinnvolle Möglich-
keit, die Mitarbeiter individuell zu in-
centivieren. Denn in einem Bäckerladen
ist die Produktion notwendigerweise
so organisiert, dass die Mitarbeiter im
PROF. DR. GUIDO FRIEBEL
ist Lehrstuhl
inhaber an der Goethe-Universität Frankfurt.
Er erforscht unter anderem Anreizsysteme.