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04/17 personalmagazin
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Ein grundsätzliches Element moderner
Vergütungsstrategien ist der Gedanke,
dass Mitarbeiter zunehmend an der mit-
tel- bis langfristigen Wertschöpfung be-
teiligt werden sollen. Kurzfristige Leis-
tungsanreize spielen in vielen Branchen
nur noch eine untergeordnete Rolle. Ein
übermäßig risikoaffines Verhalten wird
oftmals sogar pönalisiert. Gewünscht
sind deshalb Boni, die sich erst langfris-
tig auszahlen.
Langfristboni nur in engen Grenzen
von der Rechtsprechung erlaubt
Der naheliegende Ansatz, für die Aus-
zahlung von Boni deshalb lange Halte-
fristen zur Voraussetzung zu machen,
lässt sich jedoch regelmäßig nicht mit
der Rechtsprechung des BAG vereinba-
ren: Soll (rein) die Betriebstreue hono-
riert werden, ist auch nach dem BAG
eine Stichtagsregelung denkbar, sofern
sie nicht die Berufsausübungsfreiheit
des Arbeitnehmers unzulässig be-
schränkt. Soll zumindest auch die Leis­
tung des Arbeitnehmers honoriert wer-
den, gilt ein erworbener Bonusanspruch
als verdient und kann nicht Gegenstand
zusätzlicher Bedingungen oder Vorbe-
halte sein. Er ist vielmehr ratierlich zu
gewähren (BAG, Urteil vom 13.11.2013,
10 AZR 848/12). Mittel- und langfris­
tige Vergütungssysteme, die Rückzah-
lungs- oder Verfallsklauseln beinhalten,
wenn der Anspruchsinhaber vor einem
bestimmten Stichtag ausscheidet („Bad
Leaver“), können daher nur noch einge-
schränkt ausgestaltet werden.
Unternehmen virtualisieren daher im-
mer häufiger ihre langfristige Vergütung.
In entsprechenden Bonus- oder Gewinn-
beteiligungssystemen werden einzelne
Bausteine (beispielsweise „Phantom
Units“, „RSUs“) zunächst ohne echten
Vermögensgegenwert erworben und
können als Buchposten über mehrere
Jahre untereinander verrechnet werden.
Erst zu einem späteren Zeitpunkt wan-
delt sich dann der virtuelle Anspruch in
einen tatsächlichen finanziellen Gegen-
wert. Rechtlich beachtlich ist vor allem
die transparente Formulierung und Aus-
gestaltung sowie der Umgang solcher
Systeme mit etwaigen Ermessensspiel-
räumen des Arbeitgebers.
Gewinnbeteiligungen müssen
transparent sein
Gewinnbeteiligungen gehören nach
wie vor zum Vergütungsbaukasten.
Während in der Vergangenheit jedoch
häufig nur an hochrangige Mitarbeiter-
gruppen Aktienoptionen ausgegeben
oder Tantiemen gewährt wurden, bie-
ten sich für agile Organisationen neue
Wege, beispielsweise die Anknüpfung
an konzerninterne Start-up-Einheiten
und deren wirtschaftliche Entwick-
lung. Die Gewährung von Gewinnbetei-
ligungen ist als Teil der Hauptleistung
des Arbeitgebers kontrollfrei im Sinne
des AGB-Rechts. Stichtagsklauseln
etwa bei Aktienoptionen sind ohne Dif-
ferenzierungsgrund aufgrund des spe-
kulativen Charakters von Aktien zu-
lässig (BAG, Urteil vom 28.5.2008 - 10
AZR 351/07). Zu beachten sind jedoch
auch hier die allgemeinen Transparen-
zerfordernisse des AGB-Rechts. Wich-
tig ist die präzise Definition der An-
knüpfungsfaktoren (wie etwa Gewinn
vor oder nach Steuern, Ermittlungs-
verfahren). Empfehlenswert ist auch,
klar zu regeln, was passiert, wenn die
maßgebliche Einheit gar kein positives
Ergebnis erzielt, und wie nachträgliche
Veränderungen des Ergebnisses zu
behandeln sind. Praktische Probleme
birgt meist auch die Aufnahme von
„Clawback-Regelungen“.
Modifikation von Gehaltsbändern:
Mitbestimmung beachten
Betriebliche Entgeltsysteme werden
häufig durch Gehaltsbänder ausge-
staltet, bei denen sich die einzelnen
Vergütungsgruppen als Spannbreiten
definieren. Die Eingruppierung der
Arbeitnehmer erfolgt dann aufgrund
ihrer Vergütung und persönlichen Ei-
genschaften (wie Tätigkeit im Betrieb,
Ausbildung, Berufserfahrung). Die Ein-
führung von Gehaltsbändern erfolgt
in aller Regel durch Betriebsvereinba-
rung. Änderungen der Gehaltsbänder,
die Zuordnung von Arbeitnehmern
zu bestimmten Gehaltsbändern sowie
Veränderungen in diesem Bereich sind
sämtlich mitbestimmt (§§ 87 Abs. 1, 99
BetrVG). Die Festlegung des individuel-
len Gehalts erfolgt durch den Arbeitge-
ber aufgrund billigen Ermessens (§ 315
Abs. 1 BGB).
Die Tendenz in der Praxis geht dahin,
Entgeltbänder möglichst breit auszuge-
stalten, um die Durchlässigkeit inner-
halb eines Unternehmens und damit die
Wechsel von Arbeitnehmern zwischen
verschiedenen Abteilungen und Karrie-
rewegen zu ermöglichen. Grundsätzlich
sind solche Ansätze arbeitsrechtlich
möglich. Bei (zu) stark überlappenden
Entgeltgruppen können aber verset-
zungs- und kündigungsrechtliche Pro-
bleme auftreten. Will der Arbeitgeber
etwa mit der (fehlenden) hierarchischen
Vergleichbarkeit zweier Arbeitnehmer
argumentieren, ist zu beachten, dass
die Rechtsprechung als eines der Indi-
zien für die Wertigkeit einer Tätigkeit
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