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MANAGEMENT
_MITARBEITERBEFRAGUNG
personalmagazin 04/17
E
ines der Merkmale der heu-
tigen Wissensgesellschaft ist
die ständige Verfügbarkeit
von Information. Dennoch ver-
schwimmen die Grenzen zwischen Fak-
ten und Meinungen in der Datenflut des
Internets immer stärker – etwa auf den
sogenannten Arbeitgeberbewertungs-
portalen. Noch unübersichtlicher wird
die Lage durch die stetige Veränderung
des Marktumfelds infolge der Digitalisie-
rung, Globalisierung und Automatisie-
rung. Gerade unter diesen Vorzeichen ist
es für HR wichtig, in der Strategieent-
wicklungmethodisch vorzugehen – denn
je besser die Informationslage, desto
weitsichtiger können Personalmanager
entscheiden. Ein Instrument, das Infor-
Von
Benjamin Jeub
(Red.)
mationssicherheit auf der Grundlage
empirischer Daten verspricht, ist die
Mitarbeiterbefragung. Dabei geht es
um systematische Erhebungen, mit de-
nen die Meinungen und Einstellungen
der Belegschaft zu unternehmensinter-
nen Themen ermittelt werden sollen. Je
nach Ziel sind Vollbefragungen ebenso
möglich wie Stichproben, wobei sowohl
klassische Papierfragebögen als auch
Online-Tools eingesetzt werden.
Aus Tradition in der Praxis
Die Geschichte des Instruments ist lang:
Schon im 18. Jahrhundert befragte die
preußische Armee Infanteriesoldaten
zum Verhalten der Offiziere. Die gesam-
melten Daten wurden anschließend in
individuelle Führungszeugnisse, soge-
nannte Konduitenlisten, übertragen,
womit gewissermaßen eine frühe Form
des Führungsfeedbacks entstand.
Bis heute wurden diese und
ähnliche Ansätze stetig wei-
terentwickelt, sodass sich
die Mitarbeiterbefra-
gung als strategisches
Steuerungsinstrument
etablieren konnte. Den
Erfolg dieser Entwick-
lung zeigt die internati-
onale Unternehmenspraxis.
So wird das Instrument inzwischen
weltweit eingesetzt, um beispielswei-
se die Mitarbeiterzufriedenheit zu
messen, Steuerungsdaten für die Or-
ganisationsentwicklung zu sammeln
oder einen Dialog mit der Belegschaft
anzustoßen. Eine Untersuchung des
Softwareanbieters IBM-Kenexa zeigt
die Praxisrelevanz anhand einer Befra-
gung von 22.000 Berufstätigen in 14
Ländern: Am häufigsten sind Mitarbei-
terbefragungen demnach in den U.S.A,
Kanada und Großbritannien, aber auch
in den aufstrebenden Schwellenländern
Indien und China. Zwischen 60 und 72
Prozent der dortigen Unternehmen mit
mehr als 100 Beschäftigten befragen
ihre Belegschaft regelmäßig zu Themen
aus dem Arbeitsalltag. Deutschland und
Brasilien liegen hier im Mittelfeld, wäh-
rend Mitarbeiterbefragungen in Italien,
Spanien, Japan und Russland sowie den
arabischen Emiraten am seltensten sind.
Weite Anwendungsfelder
So unterschiedlich wie die Länder, in
denen Mitarbeiterbefragungen einge-
setzt werden, sind auch ihre Ziele. Das
zeigt schon der Blick in die einschlä-
gige Fachliteratur: Das Instrument
kann beispielsweise Potenziale
im Qualitäts- und Innovations-
management aufdecken oder
Steuerungsdaten für die Opti-
mierung von Prozessabläufen
liefern, ist dort zu erfahren.
Ein Anwendungsbereich ist
etwa das Travel Management:
Hier können die Mitarbeiter über
eine strukturierte Befragung in die
Konzeption der Reiserichtlinien einbe-
zogen werden. Mit diesem Vorgehen
lassen sich etwa Buchungskanäle, An-
bieter und Tools identifizieren, die der
relevanten Mitarbeitergruppe wichtig
sind. Dieses Wissen kann wiederum
in angepasste Reiserichtlinien einflie-
ßen, womit die Compliance potenziell
Am Puls der Belegschaft
ÜBERBLICK.
Mitarbeiterbefragungen sollen belastbare Daten über die Prozesse und
Strukturen im eigenen Unternehmen liefern. Die Anwendungsbereiche sind vielfältig.
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