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Kombination aus verschiedenen Kom-
ponenten wie Grundgehalt, Nebenleis­
tungen – zum Beispiel Altersvorsorge
– und Short Term Incentives, die in
der Regel auf die individuelle Leistung
eines Jahres abstellen, sowie Long Term
Incentives“, sagt Kern. Er hat beobach-
tet, dass Unternehmen – wie nach der
Finanzkrise gefordert – LTI nutzen, um
die langfristige Vergütung für nachhal-
tige Unternehmensentwicklung und
entsprechendes
Managementverhal-
ten sicherzustellen. Die Bandbreite der
LTI-Instrumente reiche von einfachen
aufgeschobenen Barzahlungs-Lösungen
(Cash Deferral) bis hin zu kompliziert
anmutenden aktienbasierten Varianten.
Dass die Finanzkrise allein den Aus-
schlag gegeben habe, dass Unternehmen
Teile ihrer Management-Vergütung in
LTI umgewandelt haben, glaubt Horak
jedoch nicht: „Die Finanzkrise war si-
cher ein Anstoß, über langfristigere Ver-
gütungsmodelle nachzudenken, und die
Entwicklungen im Bankensektor hatten
sicher auch Auswirkungen auf andere
Industrien“, so die Beraterin. Eine di-
rekte Verbindung kann sie aber nicht
erkennen. „Wir erleben es in unserer Be-
ratungspraxis nicht, dass jemand zu uns
kommt und mit Verweis auf die Finanz-
krise seine Boni längerfristig gestalten
möchte.“ Die Gründe dafür, dass Lang-
frist-Boni heute beliebt sind, sieht Horak
nicht nur darin, dass Organisationen mit
diesem Bonusmodell ihre langfristige
strategische Ausrichtung unterstützen
wollen, sondern auch in der damit ver-
bundenen positiven Außenwirkung. Hin-
zu kommt ein weiterer Aspekt: „LTI sind
in den USA sehr verbreitet. Arbeitgeber,
die international agieren und bei ihren
Vergütungssystemen Homogenität an-
streben, bieten ihre internationalen Ver-
gütungsmodelle wie langfristige Boni
oft nicht nur für ihre Mitarbeiter in den
USA, sondern auch in Deutschland und
anderen Ländern an.“
Weiterhin könnten LTI dazu dienen,
die kurzfristigen und langfristigen Pri-
oritäten von Unternehmen aufeinander
abzustimmen, ergänzt Jahn von Wil-
lis Towers Watson. Damit dies gelingt,
sollte jede Vergütungskomponente von
einer bestimmten Intention motiviert
sein. „Langfristige variable Vergütungs-
komponenten können einen steuernden
Zweck erfüllen, sodass – etwa für den
Vorstand – ein zusätzlicher Anreiz be-
steht, bestimmte langfristige Ziele oder
Weichenstellungen im Einklang mit den
Eigentümer- und Mitarbeiterinteressen
zu erreichen“, sagt Jahn.
Theoretisch gut – praktisch daneben?
Wie gut aber sind LTI-Programme bis-
lang in der Praxis umgesetzt? Friedrich
Fratschner, geschäftsführender Partner
bei Baumgartner & Partner, bewertet die
Ist-Situation von LTI in vielen börsenno-
tierten Unternehmen kritisch: Dort sei
das Chancen-Risiko-Verhältnis vieler
LTI-Programme völlig unausgewogen,
denn die Programme seien oft alleine
auf Mehreinkommen, aber nicht auf
potenzielles Risiko ausgelegt. „Ange-
stellte Manager verlieren bei Options-
programmen nur die potenziell in Aus-
sicht gestellte Vergütung. Darauf ist das
maximale Risiko begrenzt“, kritisiert
der Vergütungsexperte. „Was aus LTI-
Programmen wird, die wertlos werden,
kann man amMarkt aktuell beobachten,
wenn trotz schlechter Ertragslage Boni
als ‚Bleibeprämie‘ bezahlt werden“, kri-
tisiert Fratschner mit Blick auf aktuelle
Fälle. Insgesamt lasse sich feststellen,
„dass LTI-Programme im Kontext des
Kapitalmarkts durch den Einfluss der
verschiedenen Kapitalmarktteilnehmer
oft eine wesentlich andere Entwicklung
nehmen als bei Konzeption der Pro-
gramme theoretisch angedacht war“,
resümiert Fratschner.
Bei den nicht börsennotierten Gesell-
schaften, kritisiert der Berater, würden
LTI-Programme für Fremd-Geschäfts-
führer und -Vorstände hingegen viel zu
wenig umgesetzt. Seine Erfahrung: Diese
Gesellschaften würden davon ausgehen,
dass LTI-Pläne immer eines Kapital-
markts beziehungsweise Aktienkurses
bedürfen. „Dies ist falsch und führt in der
Diskussion um die Entwicklung innova-
tiver LTI-Programme in eine falsche Rich-
tung“, so Fratschner. Doch auch in den
Unternehmern, die auf LTI setzen, gibt
es offenbar Missverständnisse: In vielen
mittelständischen Unternehmen seien
vermeintliche LTI-Programme nichts
anderes als Partizipationsprogramme an
Umsatz, Deckungsbeitrag oder anderen
Erfolgsgrößen, so seine Analyse.
Was tun, um Skandale zu vermeiden?
Offenbar hakt es also in vielen Unter-
nehmen noch an der Konzeption und
„LTI bieten einen Anreiz, langfristige
Ziele im Einklang mit Eigentümer- und
Mitarbeiterinteressen zu erreichen.“
Holger Jahn, Bereichsleiter Executive Comp., Willis Towers Watson
„LTI-Programme müssen den langfristigen
Wertbeitrag im Fokus haben – und nicht
die Bleibeprämie. Sonst sind sie wertlos.“
Friedrich Fratschner, geschäftsführender Partner bei Baumgartner & Partner
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