personalmagazin 4/2017 - page 17

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04/17 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Das Interview führte
Andrea Sattler.
sammenarbeiten. Diesen Fehler machen
auch viele Vergütungsberater: Sie ver-
suchen, alles auf individuelle Boni he-
runterzubrechen. Aber wenn dies nicht
geht, sollte man es auch nicht machen.
personalmagazin:
Wie müssten denn Teams
beschaffen sein, damit ein Teambonus
möglichst wirksam ist?
Friebel:
Hier gilt: „Small ist beautiful“
– kleine Teams sind dafür am besten
geeignet. Ideal sind Gruppen von fünf
bis zehn Mitarbeitern, die sich unterei-
nander gut verstehen. Solche Gruppen
kann man gut incentivieren, denn dann
wirkt der monetäre Anreiz auf jeden
Einzelnen und auch darauf, dass die
Mitarbeiter sich gegenseitig motivieren.
Dann sind Teamboni eine hochproduk-
tive Angelegenheit. Allerdings müssen
auch alle, die am Teamprodukt mitwir-
ken, incentiviert werden. Das haben wir
in unserer Bäckereistudie festgestellt.
Dort arbeiteten viele Minijobber mit, die
vom Bonus ausgeschlossen waren. Die-
se Mitarbeiter motiviert ein Teambonus
nicht – denn sie haben ja nichts davon.
personalmagazin:
Aber für die Festange-
stellten klingt das doch alles sehr nett:
Mitarbeiter, die sich gut verstehen und
sich gegenseitig motivieren. Aber ist es
in der Praxis nicht so, dass sich faule
Mitarbeiter hinter dem Team verstecken
können?
Friebel:
Die Mechanismen bei einem
Teambonus sind alles andere als nett:
Die Teammitglieder müssen unterei-
nander Druck ausüben. Denn es gibt
tatsächlich Evidenz dafür, dass manche
Mitarbeiter in solchen Teams „shirken“
– sich also vor der Arbeit drücken. Die
leistungsbereiten Mitarbeiter machen
dann Druck. Das kann so weit gehen,
dass sie die Minderleister zwingen zu
gehen. Das wird sehr schön in dem Film
„Two Days, One Night“ thematisiert: Da-
rin muss ein Wäscherei-Team ein Team-
mitglied zum Gehen zwingen, um einen
Bonus zu erhalten. Die Mitarbeiterin,
die es treffen soll, versucht verzweifelt,
ihre Kollegen davon zu überzeugen, sie
nicht rauszuwerfen. Das ist die mögli-
che Perversion von Teamanreizen: dass
so viel Druck aufgebaut wird, dass die
Mitarbeiter sogar bereit sind, einen Kol-
legen zu entlassen.
personalmagazin:
Was bedeutet das für die
Führung?
Friebel:
Die Führungskraft muss den
Druck im Team – auch „Peer Pressure“
genannt – zwar ausnutzen, aber auch
gleichzeitig sicherstellen, dass der
Druck nicht zu hoch und somit kon­
traproduktiv wird. Neben der Frage der
Incentivierung steht natürlich auch die
Frage zur Diskussion, wie viel Entschei-
dungsrechte der Vorgesetzte dem Team
geben möchte – etwa, ob sich die Mit-
arbeiter selbst aussuchen dürfen, wen
sie ins Team holen möchten, damit die
Teamarbeit möglichst gut funktioniert.
personalmagazin:
Was bedeutet denn die
Incentivierung von Teams für die Zusam-
menarbeit in der Organisation? Führt
es nicht zu Neid, wenn Team X immer
höhere Boni bekommt als Team Y?
Friebel:
Die Gefahr besteht tatsächlich,
das zeigt eine Studie der US-amerikani-
schen Soziologin Rosabeth Moss Kanter
aus den 1990er-Jahren. Sie beobachtete
Forschungsteams. Der starke Erfolgs-
druck, Lösungen zu produzieren, der
auf den Forschern lastete, führte dazu,
dass die Teams sich gegenseitig sabo-
tierten: Sie zerstörten die Bakterienkul-
turen der Konkurrenzteams – nur, da-
mit ihr eigenes Team zuerst die Lösung
finden konnte. Das Beispiel zeigt: Bei
exzessiven Anreizen ist es egal, ob auf
individueller oder auf Teamebene incen-
tiviert wird. Wenn der Druck zu stark
ist, bemüht man sich, dass die anderen
auch nicht vorankommen. Immer, wenn
es darum geht, nicht nur gut zu sein,
sondern besser als andere, besteht die
Gefahr, dass Teams nicht nur das Pro-
duktive, sondern auch das Destruktive
tun.
personalmagazin:
Teamboni werden also
schon längere Zeit erforscht. Warum,
glauben Sie, ist das Interesse daran
gerade wieder neu aufgeflammt?
Friebel:
Teamboni werden tatsächlich
schon seit den 1930er-Jahren erforscht –
damals standen vor allem Gain-sharing-
Modelle, also die Gewinnbeteiligung
von Teams, und Shared-savings-Model-
le, bei denen ein Team einen Anteil an
Kostenersparnissen erhält, im Vorder-
grund. Das Phänomen kommt also nicht
aus der modernen, agilen Arbeitswelt,
in der die Teamleistung eine wichtige
Rolle spielt. Ich glaube aber nicht, dass
es ein Zufall ist, dass das Interesse an
variablen Vergütungsinstrumenten ge-
rade so massiv gestiegen ist: Das hat
viel mit moderner Technologie zu tun,
mit der wir in vielen Bereichen heute
viel besser als früher messen können,
welche Leistung jemand erbringt. Aber
weil wir das heute können, heißt das
nicht, dass wir es auch unbedingt tun
müssen: Wenn ein Vergütungssystem
nicht in die Kultur eines Unternehmens
passt, wird es dort auch keinen Erfolg
haben. Man muss nicht auf jeden Zug
aufspringen. Denn dann rennt man nur
einer Mode hinterher. Und vor Moden
sollte man sich in Acht nehmen.
VIDEO
Der Film „Two Days, One Night“ zeigt
die Risiken von Teamboni: Ein Team soll
eine Mitarbeiterin entlassen, um einen
Bonus zu erhalten. Einen Ausschnitt
sehen Sie in der Personalmagazin-App.
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