personalmagazin 11/2017 - page 36

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MANAGEMENT
_CHANCENGERECHTIGKEIT
personalmagazin 11/17
W
er Fachkräfte halten und
gewinnen möchte, muss
die Arbeit an die Lebens-
realitäten seiner Mitarbei-
ter anpassen. Talente legen zunehmend
Wert darauf, dass Arbeit flexibel und
familiengerecht gestaltet wird. Das Ber-
liner Start-up Tandemploy bietet eine
Lösung: ein Job, zwei Mitarbeiter. „Die
Arbeit muss zum Leben passen, nicht
umgekehrt“, so die beiden Gründerin-
nen Jana Tepe und Anna Kaiser. Auch sie
teilen sich die Unternehmensführung in
einem Jobsharing-Modell.
Jobsharing als Geschäftsmodell
Dass Tandems vor allem auf Führungs-
ebene mehr Effizienz und Innovations-
kraft ermöglichen, davon sind Anna
Kaiser und Jana Tepe überzeugt. Seit
2013 bieten die Gründerinnen von Tan-
demploy Jobsuchenden eine Online-
plattform, auf der man passende Tan-
dempartner oder flexible Unternehmen
finden kann. Für sie stellt Jobsharing
eine logische Konsequenz der aktuellen
Veränderungen am Arbeitsmarkt dar:
„Wenn sich hierarchische Strukturen
immer mehr zu Netzwerkorganisati-
onen wandeln, müssen wir die starre
40-Stunden-Woche und auch die Art der
Zusammenarbeit fundamental überden-
ken. Kooperation schlägt hier eindeutig
Konkurrenz – dafür ist Jobsharing ein
Sinnbild“, erklärt Jana Tepe.
Viele Unternehmen verhalten sich
beim Thema „flexibles Arbeiten“ noch
zögerlich. „Dabei liegen die Hürden
Von
Frederice Baack
Gerecht geteilt
PRAXIS.
Echte Chancengerechtigkeit entsteht nur, wenn sie vorgelebt wird. Das macht
das Start-up Tandemploy und hilft auch anderen Firmen, diesen Anspruch zu erfüllen.
meist nur in den Köpfen“, findet Anna
Kaiser. „Es wird höchste Zeit, die Art und
Weise, wie wir arbeiten, zu überdenken.
Wenn uns die Flexibilisierung von Orga-
nisationen und Strukturen nicht gelingt,
brauchen wir über die Vereinbarkeit von
Familie und Beruf gar nicht erst zu re-
den.“ Für die Tandemploy-Gründerinnen
kann Jobsharing einen wichtigen Beitrag
zur Gleichberechtigung im Beruf leisten,
weil das Modell verstärkt auch Männer
anspreche. „Nur wenn beide – Männer
und Frauen – lebensfreundlicher arbei-
ten können, gewinnen am Ende alle.
Flexible Arbeitsmodelle sind kein Frau-
enthema“, betont Tepe.
Chefsache-Award für Tandemploy
Vor diesem Hintergrund wurde das
Modell von Tandemploy beim Zeit-Wirt-
schaftsforum von der Initiative Chefsa-
che mit dem Chefsache-Award geehrt.
Die Initiative Chefsache ist ein Netz-
werk von Führungskräften, das sich für
ein ausgewogenes Verhältnis von Män-
nern und Frauen in Führungspositionen
einsetzt. Während viele Unternehmen
hinsichtlich flexibler Arbeitsmodelle
noch zurückhaltend agieren, unter-
sucht die Initiative in einem Report die
Bedeutung, Erfolgsaussichten und
Hindernisse solcher Modelle und legt
einen praktischen Baukasten vor, mit
dem die Umsetzung flexiblen Arbeitens
in Führungspositionen gelingen kann
(siehe Textkasten). Chefsache sieht in
Arbeitsmodellen wie Jobsharing, mobi-
lem Arbeiten und reduzierter Vollzeit
einen wesentlichen Beitrag zur gleich-
berechtigten Teilhabe von Frauen und
Männern im Beruf. „Präsenzkultur und
Vollzeiteinsatz sind in deutschen Füh-
rungsetagen noch immer gang und gäbe,
auch wenn sie nicht mehr der Lebens-
realität vor allem weiblicher Führungs-
kräfte entsprechen. Ein überkommenes
Führungsverständnis und überkomme-
ne Vorstellungen von Karriere stellen
eine wesentliche Hürde dar“, erklärt Dr.
Bernhard Beck, Mitglied der Initiative
Chefsache und Vorstand bei EnBW.
Flexibilisierung ist Voraussetzung
Alte Strukturen führen dazu, dass
Frauen in Führungspositionen noch
immer auffallend unterrepräsentiert
sind. Eine stärkere Flexibilisierung der
Arbeit in Führungspositionen wird es
Frauen leichter machen, Einzug in die
deutschen Chefetagen zu halten. Denn:
Frauen wie Männer setzen sich beruf-
lich anspruchsvolle Ziele und wollen
sich weiterentwickeln. Gleichzeitig sind
die Frauen immer noch diejenigen, die
primär der familiären Fürsorgepflicht
nachkommen. Flexible Arbeitsmodelle
kommen ihren Bedürfnissen entgegen.
Doch nicht nur Frauen, sondern das
Gros der künftigen Führungsriege der
Generation Y erwartet ein höheres Maß
an Selbstbestimmung, Selbstverantwor-
tung und eine individuellere Work-Life-
Balance. Und in Zeiten von Arbeit 4.0
setzt gute Führung weder Ortsbindung
noch Vollzeitpräsenz voraus. Neue Tech-
nologien sorgen dafür, dass Menschen
künftig viel vernetzter, digitaler und fle-
xibel arbeiten werden als bisher. Maß-
geblich ist ein kultureller Wandel, der in
den Köpfen aller Mitarbeiter und Arbeit-
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