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            TITEL
          
        
        
          _GEHALTSTRANSPARENZ
        
        
          personalmagazin  11/16
        
        
          sind, während die, die mehr als 100 Pro-
        
        
          zent bekommen, kaum zufriedener wer-
        
        
          den. Und es deutet sich an, dass kleine
        
        
          Unterschiede auch hier spürbar Perfor-
        
        
          mance kosten können. Das heißt nicht,
        
        
          dass man bei Bonuszahlungen nicht dif-
        
        
          ferenzieren sollte. Aber die Ergebnisse
        
        
          zeigen, dass zu feine Differenzierungen
        
        
          meist nicht gut funktioniert: Mitarbei-
        
        
          ter, die 98 Prozent Bonus bekommen,
        
        
          sind unzufriedener – und ihre Leistung
        
        
          leidet darunter.
        
        
          
            personalmagazin:
          
        
        
          
            Wer weniger verdient als
          
        
        
          
            sein Kollege, fühlt sich oft unfair behan-
          
        
        
          
            delt. Woher rührt der Neid auf andere?
          
        
        
          
            Sliwka:
          
        
        
          Menschen tendieren dazu, sich
        
        
          zu vergleichen, und das Gehalt eines
        
        
          Kollegen oder Nachbarn ist ein wichti-
        
        
          ger Referenzpunkt. Und zudem neigen
        
        
          viele dazu, überkonfident zu sein: Sie
        
        
          schätzen ihre Leistung oft besser ein,
        
        
          als sie tatsächlich ist. Männer sind da-
        
        
          für anfälliger als Frauen. Also fühlen
        
        
          sie sich beim Gehaltsvergleich schnell
        
        
          benachteiligt. Das liegt in der mensch-
        
        
          lichen Natur.
        
        
          
            personalmagazin:
          
        
        
          
            Heißt das, Gehaltstrans-
          
        
        
          
            parenz funktioniert nicht, weil der
          
        
        
          
            Mensch ist, wie er ist? Oder gibt es
          
        
        
          
            bestimmte Voraussetzungen, unter denen
          
        
        
          
            die Mitarbeiter transparente, aber unglei-
          
        
        
          
            che Gehälter nicht als unfair empfinden?
          
        
        
          
            Sliwka:
          
        
        
          Ein robustes Ergebnis, also ei-
        
        
          nes, das man über alle Organisationen
        
        
          hinweg verallgemeinern kann, ist tat-
        
        
          sächlich: Wer lernt, dass sein Gehalt
        
        
          schlechter ist als das seines Kollegen,
        
        
          ist unzufrieden. Dazu gibt es viele wis-
        
        
          „Die Netto-Zufriedenheit sinkt“
        
        
          
            INTERVIEW.
          
        
        
          Ein Blick in die Forschung zeigt, wie sich Gehaltstransparenz auf Zufrie-
        
        
          denheit, Fluktuation und Performance auswirkt und wie sich Neid verhindern lässt.
        
        
          
            personalmagazin:
          
        
        
          
            Wer als Personaler
          
        
        
          
            schon einmal einem Mitarbeiter erklären
          
        
        
          
            musste, warum dieser weniger verdient
          
        
        
          
            als ein Kollege in einem vergleichbaren
          
        
        
          
            Job, weiß, dass solche Gehaltsvergleiche
          
        
        
          
            für viel Unmut sorgen können. Stützen
          
        
        
          
            Erkenntnisse aus der Forschung diese
          
        
        
          
            Erfahrung?
          
        
        
          
            Dirk Sliwka:
          
        
        
          Aus den bisher zum Thema
        
        
          „Gehaltstransparenz“ durchgeführten
        
        
          Studien kann man tatsächlich die robus-
        
        
          te Erkenntnis ziehen: Bei Gehaltstrans-
        
        
          parenz sinkt die Zufriedenheit derer,
        
        
          die herausfinden, dass sie unterdurch-
        
        
          schnittlich bezahlt werden. Gleichzeitig
        
        
          steigt die Zufriedenheit derer, die über-
        
        
          durchschnittlich bezahlt werden, nur
        
        
          wenig, manchmal gar nicht. Die Zufrie-
        
        
          denheit sinkt also im Mittel.
        
        
          
            personalmagazin:
          
        
        
          
            Wie weit ist Gehaltstrans-
          
        
        
          
            parenz denn schon erforscht?
          
        
        
          
            Sliwka:
          
        
        
          Es gibt einzelne Studien zu dem
        
        
          Thema – etwa eine experimentelle von
        
        
          der University of California, bei der
        
        
          Mitarbeiter der Universität auf einer
        
        
          Website einsehen konnten, wie hoch die
        
        
          Gehälter in ihrer Gehaltsgruppe sind.
        
        
          Anschließend wurde die Zufriedenheit
        
        
          der Mitarbeiter und ihre Bereitschaft
        
        
          zu bleiben untersucht. An der Univer-
        
        
          sität zu Köln haben wir in einem Dax-
        
        
          Unternehmen erforscht, wie Manager
        
        
          darauf reagieren, wenn sie wissen, wie
        
        
          hoch der Prozentsatz ihres Bonus im
        
        
          Vergleich zu den Boni der anderen ist.
        
        
          Und in Norwegen, wo eine Zeit lang
        
        
          eine Website online war, auf der jeder
        
        
          die Gehälter aller Norweger nachschau-
        
        
          en konnte, wurde untersucht, wie die
        
        
          Transparenz sich auf die Fluktuations-
        
        
          rate auswirkt.
        
        
          
            personalmagazin:
          
        
        
          
            Was kam bei diesen
          
        
        
          
            Untersuchungen heraus?
          
        
        
          
            Sliwka:
          
        
        
          Die norwegische Studie hat ge-
        
        
          zeigt, dass sich die Transparenz tat-
        
        
          sächlich unmittelbar auf die Fluktuation
        
        
          auswirkt: Mitarbeiter, die auf der öffent-
        
        
          lichen Website herausgefunden hatten,
        
        
          dass sie unterdurchschnittlich verdie-
        
        
          nen, haben häufiger ihr Unternehmen
        
        
          verlassen, um besser bezahlte Jobs an-
        
        
          zunehmen. Und in unserer Studie zum
        
        
          Bonussystem im Dax-Unternehmen fin-
        
        
          den wir, dass Mitarbeiter, die erfahren,
        
        
          dass sie weniger als 100 Prozent Bonus
        
        
          bekommen, signifikant unzufriedener
        
        
          
            DIRK SLIWKA
          
        
        
          ist Professor an der Univer-
        
        
          sität zu Köln und hat zum Thema „Ge-
        
        
          haltstransparenz“ geforscht.