Personalmagazin 11/2016 - page 20

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TITEL
_GEHALTSTRANSPARENZ
personalmagazin 11/16
B
ereits im Koalitionsvertrag
wurde festgehalten, dass das
Prinzip „Gleicher Lohn für glei-
che oder gleichwertige Arbeit“
gesetzlich besser zur Geltung gebracht
werden soll. Als Grund werden die trotz
des gesetzlichen Verbots einer nach
Geschlechtern differenzierenden Ver-
gütung weiterhin bestehenden Unter-
schiede bei der Entlohnung von Frauen
und Männern genannt. Das Ministeri-
um für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend hat zur Erreichung dieses Ziels
bereits im vergangenen Dezember einen
Entwurf vorgelegt, der noch in dieser Le-
gislaturperiode Gesetz werden soll.
Gebot des gleichen Entgelts
Den zentralen Grundsatz formuliert § 3
des Entwurfs eines Entgeltgleichheits-
gesetzes (EEntgGleiG): Für gleiche oder
gleichwertige Arbeit darf nicht wegen
des Geschlechts des Beschäftigten ein
geringeres Entgelt vereinbart oder ge-
zahlt werden als bei einem Beschäftig-
ten des anderen Geschlechts.
Ein unterschiedliches Entgelt kann al-
lenfalls durch ein rechtmäßiges Ziel sach-
lich gerechtfertigt sein, wenn die Mittel
zur Erreichung dieses Ziels angemessen
und erforderlich sind. So sollen nach der
Begründung des Entwurfs unterschied-
liche Entgelte aufgrund von Kriterien wie
Dienstalter oder Leistung weiterhin zuläs-
sig sein. Offen bleibt aber zum Beispiel,
inwieweit individuelle Gehaltsvorstel-
lungen bei Vertragsverhandlungen Ent-
geltunterschiede rechtfertigen können.
Von
Frank Walk
Die Herausforderung wird in der Pra-
xis wohl vor allem darin bestehen, zu klä-
ren, ob Arbeiten gleich oder gleichwertig
sind. Eine gleichwertige Arbeit im Sinne
des Gesetzentwurfs liegt vor, wenn Fak-
toren, wie Art der Arbeit, Ausbildungs-
anforderungen und Arbeitsbedingungen,
vergleichbar sind. Bei der Prüfung ist –
unabhängig von Person und Leistung der
Beschäftigten – von den tatsächlichen,
für die jeweilige Tätigkeit wesentlichen
Anforderungen auszugehen. Der Begrün-
Mehr Gerechtigkeit per Gesetz?
AUSBLICK.
Noch ist das Entgeltgleichheitsgesetz in der Planungsphase. Eine Richtung
lässt sich jedoch bereits erkennen. Unternehmen dürfte diese aber nicht nur gefallen.
Das Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit
wird wohl kommen. Allerdings: Schon die
handwerklichen Schwächen des aktuel-
len Entwurfs sind unübersehbar. Bereits
die Wortwahl berücksichtigt einfache
Hinweise nicht, die im Handbuch der
Rechtsförmlichkeiten den Ministerien an
die Hand gegeben sind. Störend ist etwa
die Vielzahl überflüssiger Füllwörter: Die
Art der zu verrichtenden Tätigkeit sei vom
Arbeitgeber nicht lediglich zu berücksich-
tigen, sondern „objektiv zu berücksich-
tigen“, in den Vergleich einzubeziehen
sind alle Arbeitnehmer von „ein und
demselben Arbeitgeber“ (der sich von
demselben Arbeitgeber ja nicht unter-
scheidet), maßgeblich sind die „tatsäch-
lichen Anforderungen“ und es bleibt die
Frage: Welche Anforderungen denn sonst?
Auch zirkelschlüssige Definitionen („Ent-
gelt im Sinne dieses Gesetzes sind alle
Grund- oder Mindestarbeitsentgelte...“)
finden sich im Entwurf. Dass überdies nur
bei den Beschäftigten, nicht aber beim
Arbeitgeber in der Bezeichnung nach dem
Geschlecht differenziert wird, zeigt viel-
leicht, dass man sich Frauen doch nur auf
Arbeitnehmerseite vorstellen kann.
Diese Beispiele – und noch viele mehr –
lassen erkennen, wie lieblos der Entwurf
gemacht ist. Man mag darüber hinwegse-
hen, doch zahlreiche Regelungen zeugen
überdies von blankem Unverständnis von
elementaren Regeln des Diskriminie-
rungsrechts: So sollen Gründe wie Dienst-
alter, Leistung oder Arbeitsergebnis eine
unterschiedliche Vergütung gleichwertiger
Arbeit rechtfertigen können – wenn diese
Gründe aber vorliegen, dann ist die Arbeit
schon nicht gleichwertig. Der Unterschied
hat erhebliche Auswirkungen auf die
Beweislast. Demgegenüber soll ein Ver-
gleich der Tätigkeit in unterschiedlichen
Regionen nicht möglich sein – die unter-
„Jeder Betriebskindergarten bringt mehr“
Das Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen rückt näher.
Doch, das meint Professor Gregor Thüsing, der Entwurf bestätige eine bekannte Weis-
heit nur allzu deutlich: Das Gegenteil von gut gemacht, ist gut gemeint.
KOMMENTAR
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