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          11/16  personalmagazin
        
        
          Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
        
        
        
          Das Interview führte
        
        
          
            Andrea Sattler.
          
        
        
          senschaftliche Befunde. Und wenn Un-
        
        
          ternehmen Gehaltstransparenz schaf-
        
        
          fen, ohne Leistungen transparent und
        
        
          vergleichbar zu machen, entsteht eine
        
        
          hohe Quelle von Unzufriedenheit. Wenn
        
        
          sie aber Unterschiede mit objektiven
        
        
          Kennzahlen belegen können, ist Trans-
        
        
          parenz nicht so schädlich. Leichter ha-
        
        
          ben es hier natürlich Unternehmen, in
        
        
          denen Leistung gut messbar ist. Weni-
        
        
          ger problematisch ist Transparenz auch
        
        
          in Unternehmen, die enge Gehaltsbän-
        
        
          der haben und das Gehalt an die Stelle
        
        
          koppeln. Das zeigt ein Fall aus den USA:
        
        
          Der Bio-Supermarkt „Whole Foods“ hat
        
        
          Gehaltstransparenz hergestellt, die ein-
        
        
          hergeht mit einer Policy, die objektive
        
        
          Leistungen sehr transparent macht. Die
        
        
          Mitarbeiter wissen dort genau, welcher
        
        
          Markt welche Leistung bringt.
        
        
          
            personalmagazin:
          
        
        
          
            Welche To-dos lassen sich
          
        
        
          
            aus den Erkenntnissen für Unternehmen
          
        
        
          
            mit Gehaltstransparenz ableiten?
          
        
        
          
            Sliwka:
          
        
        
          Es gibt zwei Wege: Der erste Weg
        
        
          ist, neben dem Gehalt auch die Leistung
        
        
          transparent zu machen und Instrumen-
        
        
          te zu schaffen, die die Transparenz för-
        
        
          dern. Die Personaler müssen in der Lage
        
        
          sein, Unterschiede beim Gehalt begrün-
        
        
          den zu können. Ob dies funktioniert oder
        
        
          nicht, hängt auch stark von der Persön-
        
        
          lichkeit der zuständigen Führungskraft
        
        
          ab: Wenn diese Gehaltsunterschiede gut
        
        
          erklären kann, steht das Unternehmen
        
        
          besser da als mit einer Führungskraft,
        
        
          die dem Thema eher aus dem Weg geht.
        
        
          Generell haben es hier Unternehmen
        
        
          mit starker Feedbackkultur leichter. Der
        
        
          andere Weg ist, mittels enger Gehalts-
        
        
          bänder möglichst Gehaltsgleichheit für
        
        
          bestimmte Jobs zu schaffen.
        
        
          
            personalmagazin:
          
        
        
          
            Ist Gehaltsgleichheit aus
          
        
        
          
            Ihrer Sicht eine gute Idee?
          
        
        
          
            Sliwka:
          
        
        
          Wir wissen, dass Gehaltsgleich-
        
        
          heit die mittlere Zufriedenheit steigert.
        
        
          Arbeitgeber müssen aber überlegen,
        
        
          wie sie Leistungsträger belohnen und
        
        
          binden können. Bei gleichen Gehältern
        
        
          gelingt das nur über Karrierepfade,
        
        
          etwa per Beförderung. Doch ohne pas-
        
        
          sende Position gibt es auch keine Be-
        
        
          förderung. Eine andere Möglichkeit ist,
        
        
          die High Performer durch Jobtitel oder
        
        
          eine Expertenkarriere zu motivieren –
        
        
          oder mit Spot Boni zu belohnen, also mit
        
        
          Einmalzahlung für besonders gute Leis-
        
        
          tungen. Aber dann stellt sich wieder die
        
        
          Frage: Will man diese Bonuszahlungen
        
        
          transparent machen und dem Mitarbei-
        
        
          ter, der keinen Bonus bekommt, erklä-
        
        
          ren, warum?
        
        
          
            personalmagazin:
          
        
        
          
            In Skandinavien ist Ge-
          
        
        
          
            haltstransparenz auch außerhalb der Un-
          
        
        
          
            ternehmen schon Realität: In Schweden
          
        
        
          
            etwa kann jeder das Gehalt von jedem
          
        
        
          
            einsehen. Trotzdem ist nicht bekannt,
          
        
        
          
            dass es aus Neid zu Mord und Totschlag
          
        
        
          
            kommt. Warum klappt es dort?
          
        
        
          
            Sliwka:
          
        
        
          Letztlich ist dies auch eine Frage
        
        
          der Kultur. Eine Gesellschaft gewöhnt
        
        
          sich an hohe Transparenz, wenn sie da-
        
        
          mit lebt. Dann stellen die Arbeitnehmer
        
        
          nämlich fest, dass der Vergleich mit an-
        
        
          deren Organisationen und dem Markt
        
        
          für sie auch Vorteile hat: Sie können
        
        
          sehen, ob sie außerhalb ihres Unterneh-
        
        
          mens bessere Chancen haben. Sind Ge-
        
        
          hälter auch unternehmensübergreifend
        
        
          transparent, wird dem Gehaltsvergleich
        
        
          auch etwas von seinem Neid-Faktor ge-
        
        
          nommen. Denn emotional ist der Ver-
        
        
          gleich immer dann, wenn er im direkten
        
        
          Umfeld im eigenen Unternehmen statt-
        
        
          findet.
        
        
          
            personalmagazin:
          
        
        
          
            Auch beim Thema
          
        
        
          
            „Gleichberechtigung“ sind Skandinavier
          
        
        
          
            schon weiter als Deutsche – auch, weil
          
        
        
          
            die Gehaltstransparenz die Lohnlücke
          
        
        
          
            zwischen Frauen und Männern schließt?
          
        
        
          
            Sliwka:
          
        
        
          In Skandinavien gibt es tatsäch-
        
        
          lich beides: transparente Gehälter und
        
        
          eine geringe Lohnlücke. Dies scheint
        
        
          intuitiv zusammenzuhängen, aber ich
        
        
          kenne keine Studie, in der untersucht
        
        
          wurde, ob es einen kausalen Zusam-
        
        
          menhang gibt. In Norwegen konnte ja
        
        
          jeder online das Gehalt von Nachbarn
        
        
          und Kollegen einsehen. Diese Website
        
        
          hat für einige Unruhe gesorgt. Aber ob
        
        
          sie auch zum geringen Gender Pay Gap
        
        
          in Norwegen beigetragen hat, ist bisher
        
        
          unklar.
        
        
          
            personalmagazin:
          
        
        
          
            In Deutschland ist das
          
        
        
          
            Entgeltgleichheitsgesetz gerade deshalb
          
        
        
          
            geplant, um den Gender Pay Gap zu
          
        
        
          
            schließen. Was halten Sie davon?
          
        
        
          
            Sliwka:
          
        
        
          Als Wissenschaftler plädiere ich
        
        
          für evidenzbasierte Wirtschaftspolitik.
        
        
          Wir brauchen mehr Forschung zu Ge-
        
        
          haltstransparenz, bevor wir ein Politik-
        
        
          instrument schaffen. Denn allzu viele
        
        
          Studien gibt es dazu bislang nicht. Es
        
        
          müsste geklärt werden, ob Gehaltstrans-
        
        
          parenz tatsächlich den Pay Gap reduzie-
        
        
          ren kann. Mein Petitum an die Politik
        
        
          ist: Wir sollten zuerst in einer Teilgrup-
        
        
          pe ausprobieren, ob die Vor- oder Nach-
        
        
          teile überwiegen. Ich denke dabei an ein
        
        
          Pilotprojekt, etwa in einem Bundesland,
        
        
          mit einem jährlichen Survey, der die
        
        
          Arbeitszufriedenheit in den Pilot- mit
        
        
          der Zufriedenheit in vergleichbaren
        
        
          Unternehmen ohne Transparenz ver-
        
        
          gleicht. Danach weiß man sicher, was
        
        
          Gehaltstransparenz bewirkt. Bei der
        
        
          Zufriedenheit können wir mit den bis-
        
        
          herigen Forschungsergebnissen schon
        
        
          gute Aussagen treffen. Jetzt gilt es, diese
        
        
          gegen andere Faktoren abzuwägen.
        
        
          
            VIDEO
          
        
        
          Wie Gehaltstransparenz in Norwegen
        
        
          funktioniert und wie sie sich dort aus-
        
        
          wirkt, sehen Sie in einem Video in der
        
        
          Personalmagazin-App.