personalmagazin  11/16
        
        
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            TITEL
          
        
        
          _
        
        
          GEHALTSTRANSPARENZ
        
        
          Bei Fragen wenden Sie sich bitte an 
        
        
        
          D
        
        
          irk Nowitzki, Profi-Basket-
        
        
          baller in der amerikanischen
        
        
          NBA, war wohl zufrieden
        
        
          – auch wenn er im Sommer
        
        
          „zum Gehalt gezwungen“ wurde, wie es
        
        
          die Bild-Zeitung formulierte. Sein Chef,
        
        
          Mark Cuban, hatte ausgeplaudert, dass
        
        
          Nowitzki bei der Gehaltsverhandlung
        
        
          zunächst erheblich weniger als die letzt-
        
        
          lich vereinbarten 50 Millionen Euro für
        
        
          die Verlängerung des Arbeitspapiers
        
        
          verlangte. Er habe den Deutschen quasi
        
        
          zum höheren Gehalt überreden müssen.
        
        
          Zugegeben: Diese „Gehaltsverhand-
        
        
          lung“ ist nicht repräsentativ. Doch dass
        
        
          sie zu wenig Gehalt fordern, dürfte künf-
        
        
          tigvor allemArbeitnehmerinnenseltener
        
        
          passieren. Dafür wird wohl ein Gesetz
        
        
          sorgen, wonach Unternehmen ab 2017
        
        
          ein Mindestgehalt in Stellenanzeigen
        
        
          angeben müssen. Ein individueller Aus-
        
        
          kunftsanspruch des Mitarbeiters bezüg-
        
        
          Von
        
        
          
            Michael Miller
          
        
        
          (Red.)
        
        
          lich möglicher geschlechtsspezifischer
        
        
          Entgeltunterschiede oder Prüfverfahren
        
        
          zur Entgeltgleichheit in größeren Unter-
        
        
          nehmen sind weitere Vorgaben, die das
        
        
          Gesetz für Lohngerechtigkeit zwischen
        
        
          Männern und Frauen vorschreiben soll.
        
        
          Das Ziel, das Familienministerin Ma-
        
        
          nuela Schwesig damit verfolgt: Entgelt-
        
        
          gleichheit von Frauen und Männern und
        
        
          berufliche Chancengleichheit.
        
        
          Eigentlich dürfte es keine Frage
        
        
          sein, dass dem „Gender Pay Gap“ ent-
        
        
          gegenzuwirken ist. Zumindest steht
        
        
          Deutschland im Europavergleich mit
        
        
          einer statistischen Entgeltlücke von 22
        
        
          Prozent – bezogen auf das durchschnitt-
        
        
          liche Stundenentgelt – schlecht da. Die
        
        
          Zahl wird zwar der durchschnittlich
        
        
          geringeren Arbeitszeit bei Frauen oder
        
        
          der verhältnismäßig häufigen Beschäfti-
        
        
          gung in schlechter bezahlten Branchen
        
        
          nicht gerecht. Aber selbst die – laut Sta-
        
        
          tistischem Bundesamt – sieben Prozent
        
        
          Differenz bei gleicher formaler Qualifika-
        
        
          tion und gleichen Merkmalen bedeuten
        
        
          bei einem durchschnittlichen Jahresge-
        
        
          halt von 41.000 Euro brutto noch 2.870
        
        
          Euro weniger für Frauen. Zudem ist die
        
        
          geschlechtsspezifische Lücke bei der Al-
        
        
          terssicherung nicht zu vergessen.
        
        
          Schwesig wählt also den Weg über ein
        
        
          Gesetz, um die Differenz zu schließen.
        
        
          Mehr Transparenz in Vergütungsfragen
        
        
          soll die Verhandlungsposition benachtei-
        
        
          ligter Mitarbeiterinnen stärken. Dass das
        
        
          Gesetz diesen Anspruch erfüllt, bezwei-
        
        
          felt jedoch zum Beispiel Professor Gre-
        
        
          gor Thüsing. „Man will gleichen Lohn für
        
        
          gleichwertige Arbeit durchsetzen, ohne
        
        
          recht zu wissen, wie diese zu bestimmen
        
        
          ist“, kritisiert der Arbeitsrechtler die
        
        
          handwerklichen Mängel des Entwurfs
        
        
          (mehr auf den folgenden Seiten).
        
        
          Ob das Schwesig-Gesetz die erhoffte
        
        
          Transparenz bringt, wird sich also erst
        
        
          zeigen müssen. Aber selbst wenn, ist
        
        
          nicht gesichert, dass das eigentliche Ziel
        
        
          der Entgeltgleichheit erreicht wird. So
        
        
          existiert in Österreich bereits seit 2011
        
        
          ein in Teilen ähnliches Gesetz, eine we-
        
        
          sentliche Verringerung der Entgeltlücke
        
        
          habe dies jedoch nicht gebracht, berich-
        
        
          tet der Spiegel. Daher plädiert Professor
        
        
          Dirk Sliwka von der Universität zu Köln
        
        
          (im Interview im Anschluss) dafür, dass
        
        
          vor einem Gesetz – am besten über ein
        
        
          Pilotprojekt – geklärt werden müsste,
        
        
          „ob Gehaltstransparenz tatsächlich den
        
        
          Pay Gap reduzieren kann“. Zumal – das
        
        
          wiederum zeigten belastbare Studien
        
        
          – bei Gehaltstransparenz im Unterneh-
        
        
          men die Netto-Zufriedenheit der Mitar-
        
        
          beiter sinke. Auch wenn diesem Effekt
        
        
          Instrumente entgegenwirken können,
        
        
          die auch die demGehalt zugrundeliegen-
        
        
          de Leistung transparent machten.
        
        
          Sind wir bereit für mehr Transparenz?
        
        
          Dass Gehaltstransparenz funktionieren
        
        
          kann, zeigt das Unternehmen Giant
        
        
          Swarm (auf den folgenden Seiten). Al-
        
        
          lerdings beschränkt das Start-up den
        
        
          Transparenzgedanken eben nicht auf
        
        
          die Vergütung. Transparenz – im grö-
        
        
          ßeren Stil – existiert auch in Schweden.
        
        
          Dort kann jeder das Gehalt seines Nach-
        
        
          barn – und noch viel mehr – auf Grund-
        
        
          lage der Daten des Finanzamts erfragen.
        
        
          Warum sollte Gehaltstransparenz also
        
        
          nicht in Deutschland funktionieren?
        
        
          Was Gehaltstransparenz bewirkt
        
        
          
            TREND.
          
        
        
          Mehr Transparenz soll zu Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern
        
        
          führen. Ob das klappen kann und wie Personaler auf Änderungen reagieren sollten.
        
        
          Selbst wenn das Schwe-
        
        
          sig-Gesetz die erhoffte
        
        
          Transparenz bringt, ist
        
        
          nicht gesichert, dass
        
        
          das eigentliche Ziel der
        
        
          Lohngerechtigkeit er-
        
        
          reicht wird.