Personalmagazin 11/2016 - page 14

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TITEL
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GEHALTSTRANSPARENZ
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
D
irk Nowitzki, Profi-Basket-
baller in der amerikanischen
NBA, war wohl zufrieden
– auch wenn er im Sommer
„zum Gehalt gezwungen“ wurde, wie es
die Bild-Zeitung formulierte. Sein Chef,
Mark Cuban, hatte ausgeplaudert, dass
Nowitzki bei der Gehaltsverhandlung
zunächst erheblich weniger als die letzt-
lich vereinbarten 50 Millionen Euro für
die Verlängerung des Arbeitspapiers
verlangte. Er habe den Deutschen quasi
zum höheren Gehalt überreden müssen.
Zugegeben: Diese „Gehaltsverhand-
lung“ ist nicht repräsentativ. Doch dass
sie zu wenig Gehalt fordern, dürfte künf-
tigvor allemArbeitnehmerinnenseltener
passieren. Dafür wird wohl ein Gesetz
sorgen, wonach Unternehmen ab 2017
ein Mindestgehalt in Stellenanzeigen
angeben müssen. Ein individueller Aus-
kunftsanspruch des Mitarbeiters bezüg-
Von
Michael Miller
(Red.)
lich möglicher geschlechtsspezifischer
Entgeltunterschiede oder Prüfverfahren
zur Entgeltgleichheit in größeren Unter-
nehmen sind weitere Vorgaben, die das
Gesetz für Lohngerechtigkeit zwischen
Männern und Frauen vorschreiben soll.
Das Ziel, das Familienministerin Ma-
nuela Schwesig damit verfolgt: Entgelt-
gleichheit von Frauen und Männern und
berufliche Chancengleichheit.
Eigentlich dürfte es keine Frage
sein, dass dem „Gender Pay Gap“ ent-
gegenzuwirken ist. Zumindest steht
Deutschland im Europavergleich mit
einer statistischen Entgeltlücke von 22
Prozent – bezogen auf das durchschnitt-
liche Stundenentgelt – schlecht da. Die
Zahl wird zwar der durchschnittlich
geringeren Arbeitszeit bei Frauen oder
der verhältnismäßig häufigen Beschäfti-
gung in schlechter bezahlten Branchen
nicht gerecht. Aber selbst die – laut Sta-
tistischem Bundesamt – sieben Prozent
Differenz bei gleicher formaler Qualifika-
tion und gleichen Merkmalen bedeuten
bei einem durchschnittlichen Jahresge-
halt von 41.000 Euro brutto noch 2.870
Euro weniger für Frauen. Zudem ist die
geschlechtsspezifische Lücke bei der Al-
terssicherung nicht zu vergessen.
Schwesig wählt also den Weg über ein
Gesetz, um die Differenz zu schließen.
Mehr Transparenz in Vergütungsfragen
soll die Verhandlungsposition benachtei-
ligter Mitarbeiterinnen stärken. Dass das
Gesetz diesen Anspruch erfüllt, bezwei-
felt jedoch zum Beispiel Professor Gre-
gor Thüsing. „Man will gleichen Lohn für
gleichwertige Arbeit durchsetzen, ohne
recht zu wissen, wie diese zu bestimmen
ist“, kritisiert der Arbeitsrechtler die
handwerklichen Mängel des Entwurfs
(mehr auf den folgenden Seiten).
Ob das Schwesig-Gesetz die erhoffte
Transparenz bringt, wird sich also erst
zeigen müssen. Aber selbst wenn, ist
nicht gesichert, dass das eigentliche Ziel
der Entgeltgleichheit erreicht wird. So
existiert in Österreich bereits seit 2011
ein in Teilen ähnliches Gesetz, eine we-
sentliche Verringerung der Entgeltlücke
habe dies jedoch nicht gebracht, berich-
tet der Spiegel. Daher plädiert Professor
Dirk Sliwka von der Universität zu Köln
(im Interview im Anschluss) dafür, dass
vor einem Gesetz – am besten über ein
Pilotprojekt – geklärt werden müsste,
„ob Gehaltstransparenz tatsächlich den
Pay Gap reduzieren kann“. Zumal – das
wiederum zeigten belastbare Studien
– bei Gehaltstransparenz im Unterneh-
men die Netto-Zufriedenheit der Mitar-
beiter sinke. Auch wenn diesem Effekt
Instrumente entgegenwirken können,
die auch die demGehalt zugrundeliegen-
de Leistung transparent machten.
Sind wir bereit für mehr Transparenz?
Dass Gehaltstransparenz funktionieren
kann, zeigt das Unternehmen Giant
Swarm (auf den folgenden Seiten). Al-
lerdings beschränkt das Start-up den
Transparenzgedanken eben nicht auf
die Vergütung. Transparenz – im grö-
ßeren Stil – existiert auch in Schweden.
Dort kann jeder das Gehalt seines Nach-
barn – und noch viel mehr – auf Grund-
lage der Daten des Finanzamts erfragen.
Warum sollte Gehaltstransparenz also
nicht in Deutschland funktionieren?
Was Gehaltstransparenz bewirkt
TREND.
Mehr Transparenz soll zu Lohngerechtigkeit zwischen Frauen und Männern
führen. Ob das klappen kann und wie Personaler auf Änderungen reagieren sollten.
Selbst wenn das Schwe-
sig-Gesetz die erhoffte
Transparenz bringt, ist
nicht gesichert, dass
das eigentliche Ziel der
Lohngerechtigkeit er-
reicht wird.
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