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            TITEL
          
        
        
          _GEHALTSTRANSPARENZ
        
        
          personalmagazin  11/16
        
        
          
            DR. FRANK WALK
          
        
        
          ist
        
        
          Fachanwalt für Arbeitsrecht
        
        
          und Partner bei der Kanzlei
        
        
          Emplawyers in München.
        
        
          Im Falle eines Auskunftsverlangens hat
        
        
          der Arbeitgeber innerhalb von einem
        
        
          Monat in Textform die gewünschten
        
        
          Auskünfte zu erteilen, dabei ist der Da-
        
        
          tenschutz der anderen Arbeitnehmer zu
        
        
          wahren. Eine Nichterfüllung der Aus-
        
        
          kunftspflicht oder eine offensichtliche
        
        
          Unvollständigkeit der Antwort führt
        
        
          dazu, dass eine Benachteiligung in Bezug
        
        
          auf das Entgelt vermutet wird. Dann trägt
        
        
          der Arbeitgeber im Streitfall die Beweis-
        
        
          last dafür, dass kein Verstoß gegen das
        
        
          Entgeltgleichheitsgebot vorgelegen hat.
        
        
          Das Auskunftsverlangen kann, sofern
        
        
          sich die Tätigkeit nicht ändert, alle zwei
        
        
          Jahre gestellt werden, die Auskünfte
        
        
          sind zeitgleich auch dem Betriebsrat zu-
        
        
          zuleiten. Flankiert wird der Auskunfts-
        
        
          anspruch von einem Verbot, der bisher
        
        
          durchaus üblichen Verschwiegenheits-
        
        
          klauseln hinsichtlich des Arbeitsent-
        
        
          geltes im Arbeitsvertrag.
        
        
          Das Gesetz enthält weiter eine Ver-
        
        
          pflichtung, in der Ausschreibung von
        
        
          Arbeitsplätzen das aufgrund von Gesetz
        
        
          oder kollektivvertraglichen Regelungen
        
        
          zu zahlende Mindestentgelt anzugeben.
        
        
          Darüber hinaus hat der Arbeitgeber an-
        
        
          zugeben, ob er bereit ist, ein höheres
        
        
          Entgelt zu zahlen.
        
        
          Neue Mitbestimmungsrechte
        
        
          Das Gesetz sieht zudem erweiterte
        
        
          Rechte des Betriebsrats vor, zum Bei-
        
        
          spiel ein Recht auf Einzelfallprüfung
        
        
          der Eingruppierung von Beschäftig-
        
        
          ten. Selbst wenn kein individueller
        
        
          Auskunftsanspruch geltend gemacht
        
        
          wird, muss der Arbeitgeber aufgrund
        
        
          einer entsprechenden Forderung des
        
        
          Betriebsrats eine analoge Prüfung vor-
        
        
          nehmen und entsprechende Auskünfte
        
        
          erteilen. Zudem wird in den Katalog der
        
        
          Mitbestimmungsrechte nach § 87 Abs. 1
        
        
          Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ein
        
        
          neuer Tatbestand „Durchführung von
        
        
          Maßnahmen im Sinne der Nummern 10
        
        
          und 11 zur Durchsetzung der tatsächli-
        
        
          chen Entgeltgleichheit zwischen Frauen
        
        
          und Männern“ eingeführt. Sanktioniert
        
        
          werden Gesetzesverstöße – abgesehen
        
        
          von dem individuellen Anpassungsan-
        
        
          spruch – durch einen Verweis auf § 23
        
        
          Abs. 3 Satz 1 BetrVG. Danach kann der
        
        
          Betriebsrat gerichtlich die Festsetzung
        
        
          von Verhaltenspflichten unter Andro-
        
        
          hung von Ordnungsgeldern erwirken.
        
        
          Verbindliches Prüfverfahren einführen
        
        
          Eine weitere Neuerung im EEntgGleiG
        
        
          betrifft Unternehmen mit in der Regel
        
        
          mindestens 500 Beschäftigten. Diese
        
        
          haben in einem betrieblichen Prüfungs-
        
        
          verfahren, das von der Antidiskriminie-
        
        
          rungsstelle des Bundes zertifiziert wer-
        
        
          den muss, ihre Entgeltbestandteile und
        
        
          -bedingungen auf die Einhaltung des
        
        
          Entgeltgleichheitsgebots zu überprüfen.
        
        
          Diese Prüfung erfolgt alle drei Jahre
        
        
          (beziehungsweise bei tarifgebundenen
        
        
          Unternehmen alle fünf Jahre). Das Ver-
        
        
          fahren umfasst
        
        
          
            •
          
        
        
          die Bestandsaufnahme und Analyse
        
        
          der betrieblichen Entlohnungspraxis,
        
        
          
            •
          
        
        
          die Erstellung eines Ergebnisberichts,
        
        
          
            •
          
        
        
          eine nachvollziehbare Dokumentation
        
        
          der Verfahrensschritte und der Ergeb-
        
        
          nisse des betrieblichen Prüfverfah-
        
        
          rens, sowie
        
        
          
            •
          
        
        
          die betriebsinterne Veröffentlichung
        
        
          des Ergebnisses durch Aushang.
        
        
          Benachteiligungen, die sich im Prüf-
        
        
          bericht ergeben, sind unverzüglich zu
        
        
          beseitigen. Der Betriebsrat hat insoweit
        
        
          Überwachungs- und Kontrollrechte. Da-
        
        
          rüber hinaus müssen Unternehmen mit
        
        
          mindestens 500 Beschäftigten einen Be-
        
        
          richt zur Frauenförderung und Entgelt-
        
        
          gleichheit im Unternehmen erstellen
        
        
          und veröffentlichen.
        
        
          Obgleich zunächst nur Unternehmen
        
        
          mit mehr als 500 Beschäftigten an-
        
        
          gesprochen sind, eröffnet § 19 Abs. 4
        
        
          EEntgGleiG für Betriebe mit Betriebsrat
        
        
          einen weiteren Weg zu einem Prüfver-
        
        
          fahren. Hat auch nur ein individuelles
        
        
          Auskunftsverlangen eine Benachteili-
        
        
          gung eines Mitarbeiters ergeben, das
        
        
          auf strukturelle Probleme hinweist oder
        
        
          gab es mehrere voneinander unabhän-
        
        
          gig individuelle Auskunftsverlangen
        
        
          mit objektivem Anhaltspunkt für eine
        
        
          geschlechtsbezogene Benachteiligung,
        
        
          kann der Betriebsrat die Durchführung
        
        
          eines betrieblichen Prüfverfahrens auch
        
        
          in kleineren Unternehmen verlangen.
        
        
          Ausblick: Vorbeugen statt Nachzahlen
        
        
          Bislang liegt lediglich der Referenten-
        
        
          entwurf des Gesetzes vor. Dieser kann
        
        
          naturgemäß im Gesetzgebungsprozess
        
        
          noch verändert werden. So hat der Ko-
        
        
          alitionsausschuss bereits Anpassungen
        
        
          beim Geltungsbereich in Aussicht ge-
        
        
          stellt. Auch – rechtlich nicht unbedenk-
        
        
          liche – Ausnahmen für tarifgebundene
        
        
          Unternehmen sind wohl geplant. Wie
        
        
          auch immer Details letztlich ausgestal-
        
        
          tet werden: Die Grundzüge dürften auf-
        
        
          grund der Festlegungen des Koalitions-
        
        
          vertrags bestehen bleiben.
        
        
          Unternehmen sind daher gut beraten,
        
        
          ihre Entgeltsysteme schon jetzt darauf-
        
        
          hin zu prüfen, ob Anhaltspunkte für eine
        
        
          geschlechterbezogene Entgeltungleich-
        
        
          heit bestehen. Die ansonsten drohenden
        
        
          individuellen Auskunfts- sowie betrieb-
        
        
          lichen Prüfverfahren werden nicht nur
        
        
          erheblichen bürokratischen Aufwand
        
        
          bedeuten, sondern können auch zu fi-
        
        
          nanziellen Konsequenzen führen.
        
        
          Unternehmen sollten
        
        
          ihre Entgeltsysteme
        
        
          schon jetzt daraufhin
        
        
          prüfen, ob Anhaltspunk-
        
        
          te für eine geschlech-
        
        
          terbezogene Entgeltun-
        
        
          gleichheit bestehen.