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          11/16  personalmagazin
        
        
          Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
        
        
        
          dung zum Entwurf lässt sich ferner ent-
        
        
          nehmen, dass bei der Prüfung die für die
        
        
          Tätigkeit notwendigen Qualifikationen
        
        
          und Fertigkeiten, die Verantwortung so-
        
        
          wie die physische und psychische Bela-
        
        
          stung zu berücksichtigen seien. Trotz der
        
        
          genannten Kriterien wird die Beurteilung
        
        
          im Einzelfall schwierig sein.
        
        
          Unmittelbare Rechtsfolge eines Ver-
        
        
          stoßes gegen das Entgeltgleichheitsgebot
        
        
          ist ein Erfüllungsanspruch des benachtei-
        
        
          ligten Beschäftigten. Danach hat der Be-
        
        
          schäftigte gegen den Arbeitgeber einen
        
        
          Anspruch auf Zahlung des Entgelts, das
        
        
          zu zahlen gewesen wäre, wenn keine Be-
        
        
          nachteiligung aufgrund des Geschlechts
        
        
          vorgelegen hätte. Auf ein Verschulden
        
        
          des Arbeitgebers kommt es nicht an.
        
        
          Die Geltendmachung des höheren Ent-
        
        
          gelts kann im Rahmen der regulären
        
        
          dreijährigen Verjährungsfrist erfolgen.
        
        
          Nach dem Gesetzentwurf sollen kollek-
        
        
          tiv oder individualvertraglich geregelte
        
        
          Ausschlussfristen nicht zur Anwendung
        
        
          kommen. Damit entstehen für Arbeitge-
        
        
          ber unter Umständen erhebliche finanzi-
        
        
          elle Risiken aus der Vergangenheit.
        
        
          Individueller Auskunftsanspruch
        
        
          Zur Durchsetzung des Gebots der Ent-
        
        
          geltgleichheit ist in § 10 EEntgGleiG ein
        
        
          individueller Auskunftsanspruch für
        
        
          Beschäftigte vorgesehen. Danach kön-
        
        
          nen sie zur Überprüfung der Einhaltung
        
        
          des Entgeltgleichheitsgebots von ihrem
        
        
          Arbeitgeber Auskunft verlangen über:
        
        
          
            •
          
        
        
          die Kriterien für die Festlegung des ei-
        
        
          genen Entgelts,
        
        
          
            •
          
        
        
          die Kriterien und Verfahren für die
        
        
          Festlegung des Entgelts einer gleichen
        
        
          Tätigkeit und deren Entgeltgruppe
        
        
          oder einer gleichwertigen Tätigkeit,
        
        
          die überwiegend von Beschäftigten
        
        
          des jeweils anderen Geschlechts aus-
        
        
          geübt wird (mindestens 60 Prozent),
        
        
          und deren Entgeltgruppe,
        
        
          
            •
          
        
        
          den statistischen Median des monatli-
        
        
          chen Entgelts einer Gruppe von mindes-
        
        
          tens fünf Beschäftigten des jeweils an-
        
        
          deren Geschlechts, die die gleiche oder
        
        
          eine gleichwertige Tätigkeit ausüben.
        
        
          Die Debatte um Diskriminierung und
        
        
          Ausgrenzung, Integration und Chancen-
        
        
          gleichheit auf dem Arbeitsmarkt muss wei-
        
        
          tergehen und legitim sind flankierende Re-
        
        
          gelungen. Doch jedes Gesetz muss geeignet
        
        
          und erforderlich sein, das gesetzgeberische
        
        
          Ziel zu erreichen. Man schafft Auskunfts-
        
        
          und Darlegungspflichten, die vielleicht nicht
        
        
          zu einem Mehr an Lohngerechtigkeit führen
        
        
          werden, sicherlich aber zu einem Mehr
        
        
          an Bürokratie. Man will gleichen Lohn für
        
        
          gleichwertige Arbeit durchsetzen, ohne so
        
        
          recht zu wissen, wie diese zu bestimmen
        
        
          ist. Dabei sind andere Dinge wichtiger:
        
        
          Jeder Betriebskindergarten hilft mehr zur
        
        
          Chancengleichheit von Frauen und Männern
        
        
          im Berufsleben als solch ein Gesetz, jede
        
        
          Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie
        
        
          und Beruf hat einen größeren Effekt auf die
        
        
          „Wage Gap“. Eine intensive Diskussion ist zu
        
        
          wünschen – für Gesetze, die wirklich helfen.
        
        
          Die Sache ist der Mühe wert, daher die
        
        
          dringende Bitte: nicht einfach durchwinken!
        
        
          
            PROF. DR.
          
        
        
          
            GREGOR THÜSING
          
        
        
          ist Direktor des Insti-
        
        
          tuts für Arbeitsrecht
        
        
          und Recht der Sozia-
        
        
          len Sicherheit an der
        
        
          Universität Bonn.
        
        
          schiedlichen Regionen können aber nur ein
        
        
          Grund zur Rechtfertigung der Ungleichbe-
        
        
          handlung sein, schließen aber gleiche und
        
        
          gleichwertige Tätigkeit nicht aus.
        
        
          Selbst wenn all das korrigiert werden
        
        
          würde, bliebe immer noch die Frage, ob die
        
        
          neuen Regelungen das Ziel, „das Gebot des
        
        
          gleichen Entgelts für Frauen und Männer
        
        
          bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit zu
        
        
          fördern und durchzusetzen“ (§ 1 des Ent-
        
        
          wurfs), erfüllen können. Ich bezweifle das.
        
        
          Gänzlich unverhältnismäßig etwa ist die Re-
        
        
          gelung, wonach eine Vereinbarung nichtig
        
        
          sein soll, wenn sie Beschäftigten verbietet,
        
        
          Auskunft über das eigene Entgelt zu geben.
        
        
          Das britische Recht kennt eine ähnliche
        
        
          Regelung, beschränkt sie jedoch auf den
        
        
          Fall, in dem diese Auskunft der Durchset-
        
        
          zung des Anspruchs auf Entgeltgleichheit
        
        
          dient. Das britische Recht kennt auch keine
        
        
          Regelung, wonach der Arbeitgeber bei
        
        
          Ausschreibungen künftig stets das Mindest
        
        
          entgelt für die ausgeschriebene Position
        
        
          anzugeben hat: Nicht der Bewerber muss
        
        
          seine Gehaltswünsche nennen, sondern
        
        
          der Arbeitgeber sein Entgelt, das er zahlt –
        
        
          auch wenn der Arbeitnehmer vielleicht für
        
        
          weniger zu arbeiten bereit wäre.
        
        
          Warum schaut sich der deutsche Gesetz-
        
        
          geber nicht im Ausland um? Bei einer
        
        
          rechtsvergleichenden Bestandsaufnahme
        
        
          würde das Ministerium vielleicht nochmals
        
        
          nachdenken – zum Beispiel über § 10 f.
        
        
          des Entwurfs, wonach der/die Beschäftig-
        
        
          te einen Anspruch auf Auskunft über den
        
        
          Lohn seines oder ihres Kollegen haben
        
        
          soll, unabhängig davon, ob es überhaupt
        
        
          Anzeichen für eine Diskriminierung gibt. In
        
        
          Großbritannien gibt es einen solchen An-
        
        
          spruch nicht – auch nicht in den USA, dem
        
        
          Mutterland des Diskriminierungsrechts, und
        
        
          auch nicht in der Schweiz, wo in Artikel 8
        
        
          der Bundesverfassung die Entgeltgleichheit
        
        
          für gleichwertige Arbeit sogar verfassungs-
        
        
          rechtliche Weihen erhält.
        
        
          Weitreichender ist die Verpflichtung eines
        
        
          jeden Unternehmens mit mehr als 500
        
        
          Mitarbeitern zu einem betrieblichen Prüf-
        
        
          verfahren im Hinblick auf die Vergütung.
        
        
          Hier wird ein neuer Markt geschaffen. Das
        
        
          gibt es nicht in Großbritannien, nicht in
        
        
          Frankreich, nicht in den USA. Die Geset-
        
        
          zesbegründung stellt fest: „Im Bereich der
        
        
          Wirtschaft entstehen […] keine Mehrkos-
        
        
          ten“. Das zeugt von Unkenntnis oder von
        
        
          Unehrlichkeit. Beides ist schlimm.