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10/15 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
lichen Voraussetzungen abhängig zu
machen und damit Gruppen von Ehe-
partnern, die diese Voraussetzung nicht
erfüllen, von der Hinterbliebenenver-
sorgung auszuschließen. Die Anknüp-
fung an ein bestimmtes Lebensalter, so
die Meinung der Berufungsinstanz, sei
schließlich vom Gesetzgeber selbst als
zulässiges Differenzierungsinstrument
im Gesetz vorgesehen.
Dass der Ausschluss einer solchen Spät-
ehe auch sachgerecht sei, begründeten
die Münchner Arbeitsrichter zusätzlich
mit der Überlegung, dass ein Fall einer
sogenannten „Versorgungsehe“ vorläge,
„vor deren Inanspruchnahme der Arbeit-
geber ein schutzwertes Interesse hat“.
Das Bundesarbeitsgericht hat diese
Argumente – für die Fachwelt durchaus
überraschend – nicht geteilt (Urteil vom
4.8.2015, Az. 3 AZR 137/13). Vielmehr
sahen die Erfurter Richter in einer der-
artigen Spätehenklausel eine unmittel-
bare Benachteiligung wegen des Alters
und damit eine Unwirksamkeit nach § 7
Abs. 2 AGG. Der entsprechenden Presse-
mitteilung ist insoweit allerdings nur zu
entnehmen, dass die Ansicht des LAG,
nämlich eine Rechtfertigung über § 10
AGG (lesen Sie dazu den Kasten zum Ge-
setzestext), nicht geteilt wird.
Altersabstandsklauseln noch immer
nicht abschließend geklärt
Daher darf nun gespannt auf die Veröf-
fentlichung der Entscheidungsgründe
des Urteils gewartet werden, von denen
weitere Hinweise auf mögliche Sachver-
haltsgestaltungen im Zusammenhang
mit Hinterbliebenenrenten zu erhoffen
sind. Dies vor allem bezüglich zum Be-
griff der sogenannten „Versorgungs-
ehe“. Diese Wertung dürfe nämlich vor
allem für den Bereich der sogenannten
Altersabstandsklauseln von Bedeutung
sein. Altersabstandsklauseln schließen
Leistungen dann aus, wenn nicht nur
spät geheiratet wird, sondern wenn die
oder der spät Gefreite wesentlich jünger
als der Ehepartner oder die Ehepartne-
rin ist.
In diesen Fällen gibt es bisher einige
untergerichtliche Urteile, die von einer
Wirksamkeit derartiger Klauseln aus-
gehen. So hat beispielsweise das LAG
Niedersachsen die Verweigerung einer
Witwenrente aufgrund einer Alters-
abstandsklausel von 20 Jahren als zu-
lässig angesehen (LAG Niedersachsen,
© CREATISTA / SHUTTERSTOCK.DE
Arbeitgeber haben einen gesetzlich erlaubten Spielraum für die Festlegung von
Ausschlusskriterien bei der betrieblichen Altersversorgung. Eigentlich, denn das neue
BAG-Urteil schränkt diesen Spielraum ein.
Das BAG hat nun entschieden, dass die Ermächtigungsvorschrift des § 10 AGG nur für
die Anspruchsvoraussetzungen des Mitarbeiters selbst gelten, nicht jedoch für eigen-
ständige Regelungen bei Hinterbliebenenrenten. Daher greift §17 AGG konsequent.
§ 10 AGG (Auszug)
„Ungeachtet des § 8 ist eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch
zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt
ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein.
Derartige unterschiedliche Behandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:
[...] 4. die Festsetzung von Altersgrenzen bei den betrieblichen Systemen der sozialen
Sicherheit als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente
oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher
Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen von
Beschäftigten und die Verwendung von Alterskriterien im Rahmen dieser Systeme für
versicherungsmathematische Berechnungen.“
§ 17 AGG
(1) Beschäftigte dürfen nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes benachteiligt
werden; dies gilt auch, wenn die Person, die die Benachteiligung begeht, das Vorliegen
eines in § 1 genannten Grundes bei der Benachteiligung nur annimmt.
(2) Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des Ab-
satzes 1 verstoßen, sind unwirksam.
(3) Eine Benachteiligung nach Absatz 1 durch Arbeitgeber oder Beschäftigte ist eine
Verletzung vertraglicher Pflichten.
Altersgrenzen erlaubt – eigentlich
GESETZESTEXT
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