personalmagazin 10/2015 - page 72

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RECHT
_SCRUM
personalmagazin 10/15
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
DIETMAR HEISE
ist Rechts-
anwalt und Partner der
Luther Rechtsanwaltsgesell-
schaft mbH in Stuttgart.
deutung des Vertragswerks in eine ver-
deckte Arbeitnehmerüberlassung ist
deutlich geringer.
Allerdings lag die Vorstellung der
Schöpfer des BGB vor über einhundert
Jahren über die Gestalt eines Werkver-
trags sehr weit entfernt von einer agilen
Projektorganisation. Der Idealtypus des
Werkvertrags geht davon aus, dass am
Beginn der Vertragslaufzeit eine aus-
führliche Beschreibung des Werks steht,
mit der das tatsächliche Ergebnis bei
der Abnahme verglichen wird, um die
Zielerreichung oder das Scheitern be-
urteilen zu können. Die vage Beschrei-
bung des „Product Backlog“ erfüllt diese
Anforderungen kaum. Das sei hier aber
nicht problematisiert: Es ist eine lösbare
Frage der Vertragsgestaltung, die kon-
kreten Vorgaben so in vertragliche Rege-
lungen zu gießen, dass eine Beteiligung
an einem Scrum-Projekt als Werkvertrag
erscheint. Dabei wird immer ein Spagat
vonnöten sein: Je enger die Vorgaben im
Sinne einer Nähe zum Werkvertrag for-
muliert werden, desto weniger wird den
Scrum-Teams die an sich gewünschte
Flexibilität in der Umsetzung des Plans
im Rahmen von Scrum erhalten bleiben.
Im Zuge der arbeitsrechtlichen Be-
wertung des Drittkräfteeinsatzes kom-
men Parallelen zu der Ausgestaltung
als Dienstvertrag auf: Die vorgenannten
Regeln sollten auch bei der Umsetzung
von Scrum durch Werkverträge beachtet
werden. Zudem erwartet die Rechtspre-
chung, dass die Abnahme des Werks
ebenso umgesetzt wird wie die Geltend-
machung von Rechten im Falle mangel-
behafteter Lieferungen. Beides sollte für
den Fall der Fälle dokumentiert werden.
Wenn keine Fehler festgestellt werden,
sollte auch diese Erkenntnis schriftlich
festgehalten werden.
Die GbR als arbeitsrechtliche Lösung?
Arbeitnehmerüberlassung, Dienst- und
Werkvertrag sind nicht die einzigen
Wege, wie ein Drittkräfteeinsatz bei
Scrum vertraglich gestaltet werden
kann. Die Zusammenarbeit in Form von
Scrum hat auch Elemente einer gemein-
samen Interessenverfolgung. Das kenn-
zeichnet eine Gesellschaft bürgerlichen
Rechts (GbR). Eine solche GbR hat ein-
deutige arbeitsrechtliche Vorteile: Die
Gestellung von Mitarbeitern an eine GbR
wird von dem Arbeitsrechtler nicht als
Arbeitnehmerüberlassung verstanden.
Arbeitsrechtlich ist also der sichere Ha-
fen näher als bei einer Ausgestaltung des
Projekts als Werkvertrag. Klippen tun
sich im Gegenzug an anderer Stelle auf:
Eine GbR kann ein eigenes Steuerrechts-
subjekt werden. Das betrifft nicht nur die
Anfertigung einer Bilanz, sondern bringt
unter Umständen auch die Pflicht zur Er-
klärung und Abführung von Steuern mit
sich. Bei einer solchen Gestaltung wäre
folglich wichtig, dass arbeits- und gesell-
schaftsrechtliche Experten Hand in Hand
mit einem Steurrechtler arbeiten. Sonst
werden Risiken lediglich von HR in an-
dere Abteilungen verschoben.
Welchen rechtlichen Weg Unterneh-
men für die Gestaltung der neuen Projekt-
organisation letztlich einschlagen: Scrum
ist auch arbeitsrechtlich machbar.
Selten wird Scrum als rein interne Organisationsform umgesetzt. Meist beziehen
Unternehmen externe Experten mit ein. Eine kleine Übersicht dazu, was sie aus
arbeitsrechtlicher Sicht dabei tun und was sie besser lassen sollten.
Dos:
Der Product Owner gibt seine Vorstellungen und neue Aufträge in die Product-Back-
log-Einträge ein, nicht an einzelne Beteiligte der Sprints weiter.
Der Product Owner strukturiert das Product-Backlog und legt Prioritäten fest.
Der Product Owner antwortet auf Fragen des Entwicklungsteams nur inhaltlich, ohne
Anweisungen über die Ausführung zu erteilen.
Die Entwicklungsteams strukturieren ihre Aufgaben selbst.
Jedes Mitglied des Entwicklungsteams nimmt sich seine Aufgaben im Rahmen der
„daily scrums“ selbst.
Der Scrum Master achtet darauf, dass niemand – insbesondere nicht der Product
Owner – bestimmenden Einfluss auf die Mitglieder des Entwicklungsteams nimmt.
Moderation der Planungsmeetings durch den Scrum Master.
Die Retrospektive wird als Diskussion unter gleichwertigen Mitgliedern des Scrum
Teams ausgestaltet, kein Vorrang zum Beispiel des Product Owners.
Don‘ts:
Keine Einzelanweisungen des Product Owners an Mitglieder der Entwicklungsteams,
insbesondere nicht an Drittkräfte.
Keine Einflussnahme des Product Owners auf die Aufgabenverteilung in den Sprints.
Keine Zuweisung von Aufgaben an einzelne Teammitglieder im Rahmen der Review-
Meetings.
Keine Festlegung von festen Terminen im Rahmen der Sprints durch den Product Owner.
Dos und Don‘ts beim Drittkräfteeinsatz
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