personalmagazin 10/2015 - page 70

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RECHT
_SCRUM
personalmagazin 10/15
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Damit bleiben zunächst die auch
häufig in der Praxis anzutreffenden
Vertragsgestaltungen: Die Einbezie-
hung von Drittkräften im Rahmen eines
Dienst- oder Werkvertrages oder einer
Mischung aus beiden Vertragstypen.
Drittkräfteeinsatz mit Dienstvertrag
Der Dienstvertrag weist eine große Nähe
zur Arbeitnehmerüberlassung auf. Beim
Dienstvertrag schuldet der Dienstleister
nur die Arbeit an sich. Ergebnisverant-
wortung in dem Projekt hat er genauso
wenig wie bei der Arbeitnehmerüberlas-
sung. Es gibt jedoch auch Unterschiede:
Vertragsgegenstand der Arbeitnehmer­
überlassung ist lediglich die richtige
Auswahl und die eigentliche Gestellung
der Mitarbeiter. Beim Dienstvertrag ist
der IT-Dienstleister dagegen zur Erbrin-
gung von Arbeitsleistungen verpflichtet.
Die Mitarbeiter des Dienstleisters blei-
ben also unter seiner fachlichen Auf-
sicht, er hat die Weisungsgewalt.
Die Nähe der beiden Institute Arbeit-
nehmerüberlassung und Dienstvertrag
zueinander führt zu skurrilen Folgen:
Die Arbeitnehmerüberlassung ist an sich
verpönt, die Politik bemüht sich regel-
mäßig, ihr Knüppel zwischen die Beine
zu werfen. Dennoch droht das Arbeits-
recht, eine Dienstleistung via Dienstver-
trag bei allzu nachlässiger Umsetzung
in eine verdeckte Arbeitnehmerüberlas-
sung umzudeuten. Allerdings ist dann
meist nicht wirkliches Ziel, eine Arbeit-
nehmerüberlassung zu konstruieren.
Sondern im Hoffen auf eine fehlende
Überlassungserlaubnis des „Verleihers“
wird darauf geschielt, dass nach §§ 9 Nr.
1, 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis
mit dem „Entleiher“ zustande kommt.
Um eine Deutung der Vertragsbezie-
hung als (verdeckte) Arbeitnehmerü-
berlassung zu vermeiden, sollte bei der
Ausgestaltung des Drittkräfteeinsatzes
als Dienstvertrag im Rahmen von Scrum
große Sorgfalt aufgewendet werden. Die
Rechtsprechung stellt eine Gesamtbe-
trachtung aller Umstände an. Sie urteilt
sowohl nach der vertraglichen Gestal-
tung als auch nach der praktischen Um-
setzung. Fallen beide auseinander, dann
soll die praktische Handhabung den
Ausschlag geben.
So wird ein Augenmerk auf die Art
der Tätigkeit gerichtet. Dient sie unmit-
telbar dem Betriebszweck des Kunden
und nicht dem Zweck des Dienstleisters,
soll dies ein Anhaltspunkt für Arbeit-
nehmerüberlassung sein. Genauso soll
es eher für Arbeitnehmerüberlassung
sprechen, wenn der Drittkraft eine konti-
nuierlich anfallende Aufgabe übertragen
wirdund sich einEntgeltgefälle zwischen
den fest angestellten Mitarbeitern und
den Drittkräften nicht mit Sachgründen
erklären lässt. Beides sind Aspekte, die
einem Einsatz in Scrum-Projekten jeden-
falls dann nicht offensichtlich im Wege
stehen, wenn es um IT-Projekte geht: Für
die Kunden ist die IT Mittel zum Zweck,
nicht eigentlicher Betriebszweck. Das
Schnelles Anpassen auf veränderte Rahmenbedingungen, das zeichnet agile Projekt-
strukturen aus. Das wohl bekannteste agile Konzept ist Scrum, mit einem sogenann-
ten „Scrum Master“, „Product Owner“ oder auch „Product Backlog“.
Am Anfang steht die Idee des Kunden. Zur Umsetzung nach herkömmlichen Methoden
wurde zunächst ein umfangreiches Lastenheft erarbeitet. Das entfällt. Vielmehr fließen
die geforderten Eigenschaften in ein sogenanntes „Product Backlog“ ein, das sich aus
den einzelnen Anforderungen an Funktionalitäten („User Stories“) zusammensetzt.
Diese Vorgaben werden nicht in einem großen Projekt gemeinsam erarbeitet. Scrum
verläuft vielmehr iterativ. Jede Runde (Sprint) soll ungefähr einen Monat dauern. Zu
Beginn wird ein Entwicklungsteam zusammengesetzt, dem die Lösung der Aufgabe
zugetraut wird. Dieses Team definiert zu Beginn mit dem Product Owner (Vertreter des
Kunden, für den Erfolg verantwortlich) die im Sprint zu erledigende Aufgabe („Definition
of Done“). Am Ende eines Sprints finden zwei Meetings statt: in dem Review-Meeting
wird festgestellt, ob die „Definition of Done“ tatsächlich erfüllt wurde. In einem
Retrospektive-Meeting wird festgehalten, ob und was am formalen Ablauf des Projektes
verbesserungswürdig ist. Am Ende wird das fertige Teilprodukt in das „Product Backlog“
überführt, ein neuer Sprint wird eingerichtet. Über den gesamten Ablauf wacht der
Scrum Master. Dieser fungiert nicht nur als Moderator des Entwicklungsteams, sondern
auch als Wächter über die Regeln des Scrum.
Was Scrum ausmacht
DEFINITION
Eingliederung in den Betrieb sowie Weisungsbefugnis sind Kriterien der Rechtspre-
chung und in Abgrenzung zur Arbeitnehmerüberlassung bei Dienst- oder Werkverträ-
gen zu vermeiden. Dafür sollten Unternehmen folgende Beispiele einhalten.
Möglichst keine feste und namentliche Einbindung der Drittkräfte in die Unterneh-
mensorganisation und entsprechende Organigramme
Keine feste Zuweisung von internen Telefonnummern
Kein eigener Email-Account im Unternehmen
Keine vollständige Einbindung in ein Zeiterfassungssystem des Kunden
Keine (arbeitsrechtlichen) Weisungen über Zeit, Ort und Art der Arbeitsausführung direkt
an einzelne Mitarbeiter des Dienstleisters, besser an einen definierten Ansprechpartner.
Keine Entscheidung über Urlaubsgewährung, Freizeitausgleich durch das Unternehmen.
Keine Vorgaben hinsichtlich Arbeitszeit und Arbeitsort an einzelne Drittkräfte.
Allgemeine Regeln einhalten
BEISPIELE
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