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RECHT
_MELDEVERFAHREN
10/15 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
K
önnen Sie sich noch an „Ele-
na“ erinnern? Wenn nicht,
kurz zur Erinnerung: „Elena“
war der kostspielige Versuch,
die Vielzahl von sozialrechtlichen Mel-
depflichten in ein automatisches und
papierloses Verfahren zu überführen.
Leider ist das „Elena“-Experiment kom-
plett in die Hose gegangen. Ein Rechtfer-
tigungsargument für das Scheitern war
die hohe Komplexität eines solchen Sys-
tems oder mit anderen Worten: Man hat-
te sich zu viel auf einmal vorgenommen.
Nicht betroffen von der Misere war das
elektronische Meldeverfahren für die
Berechnung des Kinderkrankengelds.
Das war unabhängig vom ambitionierten
„Elena“-Projekt eingeführt worden und
leistete zunächst recht gute Dienste. Es
funktionierte und diente allseits als Bei-
spiel dafür, dass es besser sei, sich die
wichtigsten Meldungen für die Personal-
abteilungen einzeln vorzunehmen, anstatt
alles mit Gewalt in ein nicht beherrsch-
bares Gesamtsystem einzupassen.
Desaster seit dem Jahreswechsel
Dass offensichtlich zu früh gelobt wur-
de, zeigte sich zum Jahreswechsel 2014
auf 2015. Denn da erlebte diese singulä-
re Meldeform ein hausgemachtes Desas-
ter: Der Gesetzgeber hatte die Berech-
nungsweise des Kinderkrankengelds
geändert. Dabei wurde jedoch versäumt,
die notwendigen Meldeänderungen für
das elektronische System vorzunehmen.
Man ging zurück zur Papierbescheini-
gung, worüber Entgeltabrechner ver-
Von
Thomas Muschiol
Zurück zur Papierbescheinigung
MEINUNG.
Von wegen elektronisch: Die Kinderkrankengeldbescheinigung ist 2015 auf
Papier zu melden. Der Rückschritt erinnert an frühere Pannen, sagt Thomas Muschiol.
ständlicherweise „not amused“ waren
– von den damit verbundenen Schwie-
rigkeiten für die Hersteller der Abrech-
nungsprogramme ganz zu schweigen.
Vielleicht wäre es den Verantwort-
lichen gut zu Gesicht gestanden, einWort
der Entschuldigung über ihr Versagen
zu verlieren. Stattdessen folgte die Be-
schwichtigung, dass alles ja nur für ein
Jahr Übergangszeit wäre. Derweil treibt
dem Praktiker eine weitere Information
endgültig die Zornesröte ins Gesicht:
Durch die Umstellungen soll die elek-
tronische Meldung erst nach erfolgter
Entgeltabrechnung möglich sein. Auch
nach dem elektronischen Neustart wird
das Kinderkrankengeld also verspätet
an die betroffenen Mitarbeiter ausge-
zahlt werden. Bleibt die Frage: Sollten
elektronische Meldevorgänge nicht die
Echtzeitorientierung fördern anstatt sie
weiter zu verzögern?
Nach alledem scheint klar: Ein so kom-
plexes System wie „Elena“ konnte gar
nicht funktionieren – wenn schon für die
Anpassung einer singulären Meldeform
mehr als ein Jahr nötig ist. Und: Man ist
versucht zu fragen, was die vielen Fach-
leute seit dem Begräbnis von „Elena“
den lieben langen Tag so machen.
Die Erklärung liegt vielleicht am
ominösen Wort „OMS“, denn: Seit dem
„Elena“-Ende wird intensiv am Projekt
„Optimiertes Meldeverfahren in der so-
zialen Sicherung“ gearbeitet. Damit soll
all das funktionieren, was bisher nicht
funktioniert hat. Für Details empfehlen
wir die Lektüre des 55-seitigen Zwi-
schenberichts einer Machbarkeitsstudie.
Zumindest die Beschäftigung der Fach-
leute könnte man so erklären.
Nicht zuletzt sei ein Blick auf die Inter-
netseite des Spitzenverbands der gesetz-
lichen Krankenkassen geworfen. Dieser
definiert schließlich seine Aufgaben wie
folgt: „So hilft er etwa bei der Entwicklung
und Standardisierung des elektronischen
Datenaustauschs innerhalb der GKV.“
Gibt es hier also Neues zum Meldeverfah-
ren zu erfahren? Der Schreck beim Lesen
der Überschrift einer aktuellen Presse-
mitteilung („Die Ausgaben steigen schnel-
ler als die Einnahmen“) lässt uns jedoch
schnell wieder die Seiten verlassen. Der-
art eingeschüchtert verzichten wir sogar
darauf, nach den Kosten der einjährigen
Umprogrammierung der Kinderkranken-
geldmeldung zu fragen.
Ein komplexes System
wie „Elena“ konnte gar
nicht funktionieren,
wenn schon für die
Anpassung einer singu-
lären Meldeform mehr
als ein Jahr nötig ist.
THOMAS MUSCHIOL
ist
Rechtsanwalt mit Schwerpunkt
im Arbeits- und Sozialversiche-
rungsrecht in Freiburg.