personalmagazin 10/2015 - page 23

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10/15 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
personalmagazin:
Wie kann die Wiederein-
gliederung erleichtert werden?
Höll:
Der betroffene Mitarbeiter, aber
auch der Betrieb sollten dazu stehen,
dass eine Suchtbehandlung erfolgt ist.
Wichtig ist, den Mitarbeiter nicht zu
drängen, sondern langsam wieder an
die Arbeit heranzuführen. Zudem sollte
eine ambulante Therapie und die Teil-
nahme an Selbsthilfegruppen unter-
stützt und gefördert werden. Wird nach
einem stationären Aufenthalt mit ambu-
lanten Therapien und Selbsthilfegrup-
pen weiter behandelt, liegt der Behand-
lungserfolg bei bis zu siebzig Prozent.
personalmagazin:
Sollte die Alkohol-
erkrankung eines Mitarbeiters auch den
Arbeitskollegen mitgeteilt werden?
Höll:
Das ist eine Frage der Rechte. Die of-
fene Kommunikation des Suchtproblems
unter den Mitarbeitern kann die Persön-
lichkeitsrechte des Betroffenen verletzen,
aber auch Schutz sein. Entscheidet der
Mitarbeiter sich dafür, im Kollegenkreis
offen mit seiner Erkrankung umzugehen,
sollte er auch hier den Betriebsarzt um
Unterstützung bitten. Schon im Vorfeld
ist wichtig, dass eine Alkoholerkrankung
im Kollegenkreis nicht verschwiegen
oder ignoriert wird. Denn eine solche
Stigmatisierung schafft die besten Rah-
menbedingungen dafür, dass eine Alko-
holabhängigkeit über einen langen Zeit-
raum aufrechterhalten wird. Verschließt
man als Mitwissender die Augen vor dem
Problem, ist dies meiner Meinung nach
unterlassene Hilfeleistung.
„Gute Betriebe helfen“
INTERVIEW.
Die Parkklinik Heiligenfeld ist unter anderem spezialisiert auf Sucht-
problematiken. Wir fragten Chefarzt Rüdiger Höll, was Unternehmen tun können.
personalmagazin:
Was können Vorgesetzte
und HR tun, wenn sie ein Alkoholprob-
lem eines Mitarbeiters vermuten?
Höll:
Das kommt auf die Größe des Be-
triebs an. In der Regel ist eine direkte
und sofortige Ansprache mit einemHilfs-
angebot die richtige Lösung. Das Hilfsan-
gebot ist entscheidend: Konfrontiert man
den Mitarbeiter, ohne Hilfe anzubieten,
geht er in die Defensive und erfindet
Ausreden, wie: „Ich leiste Arbeit für zwei
Personen“ oder „Die Erwartungen an
mich sind viel zu hoch“. Das Gespräch
sollte in einem geschützten Bereich und
unter vier Augen stattfinden. Bei größe-
ren Unternehmen kann der Betriebsarzt
oder Arbeitsmediziner hinzugezogen
werden. Außerdem sollte unbedingt eine
Betriebsvereinbarung zum Umgang mit
Alkohol geschlossen werden.
personalmagazin:
Wie sinnvoll wäre ein
striktes Alkoholverbot am Arbeitsplatz?
Höll:
Allgemein ist ein Alkoholverbot
schützend und sinnvoll. Es erhöht die
Hemmschwelle und erleichtert die
Rückkehr für Mitarbeiter, die in Be-
handlung waren. Trotzdem wird sich ein
Alkoholabhängiger auch dadurch nicht
unbedingt beeinflussen lassen, er wird
lediglich seine Flaschen besser verste-
cken. Am erfolgversprechendsten ist ein
Alkoholverbot, wenn es gemeinsam mit
den Mitarbeitern schriftlich ausformu-
liert und von jedem unterzeichnet wird.
personalmagazin:
Wie können Betriebe die
Therapie eines Mitarbeiters unterstützen?
Höll:
Es ist wichtig, dass der Arbeitge-
ber immer wieder seine Wertschätzung
zeigt und signalisiert, dass der Mitarbei-
ter trotz allem auch weiterhin gewünscht
und gebraucht wird. Die Kette, nach der
Unternehmen vorgehen sollten, sieht fol-
gendermaßen aus: Das Problem erken-
nen – informieren – Vorbildverhalten
– Unterstützung geben. Gute Betriebe
helfen einem erkrankten Mitarbeiter,
nehmen ihn aus der Verantwortung und
gliedern ihn nach erfolgter Suchtbehand-
lung wieder in das Arbeitsumfeld ein.
Hier in den Heiligenfeld-Kliniken bieten
wir Betriebsseminare an. Das heißt, dass
bei Bedarf therapeutische Gespräche
mit Patienten und deren Vorgesetzten
beziehungsweise Kollegen organisiert
werden. So wird auch das betriebliche
Umfeld in die Therapie miteinbezogen.
Das Interview führte
Katharina Schmitt.
PROF. DR. RÜDIGER HÖLL
ist Chefarzt der
Parkklinik Heiligenfeld und stellvertretender
Ärztlicher Direktor der Heiligenfeld-Kliniken.
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