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            RECHT
          
        
        
          _ARBEITSUNFALL
        
        
          personalmagazin  09/15
        
        
          W
        
        
          ollten Sie auch schon
        
        
          einmal etwas Grundsätz-
        
        
          liches von einem Juristen
        
        
          wissen? Zum Beispiel,
        
        
          wann  Ihre Mitarbeiter in der Mittags-
        
        
          pause unter dem Versicherungsschutz
        
        
          der gesetzlichen Unfallversicherung
        
        
          stehen? Wenn nein, sollten Sie dies erst
        
        
          gar nicht versuchen – auch wenn die
        
        
          Antwort Ihnen scheinbar zunächst ent-
        
        
          gegenkommt.  Grundsätzlich,  so werden
        
        
          Ihnen die Juristen antworten, herrsche
        
        
          hier nämlich Klarheit: Beim Essen oder,
        
        
          im juristischen Duktus gesprochen, bei
        
        
          der Nahrungsaufnahme besteht kein
        
        
          Versicherungsschutz. Selbige ist näm-
        
        
          lich eindeutig eine eigenwirtschaftliche
        
        
          Tätigkeit, gewissermaßen ein Urins-
        
        
          tinkt. Dieser wird nicht dadurch zu ei-
        
        
          nem betriebsbedingten Vorgang, dass
        
        
          der Arbeitgeber ein Interesse daran hat,
        
        
          dass der Mitarbeiter etwas isst, damit
        
        
          seine Arbeitskraft erhalten bleibt.
        
        
          Mit dem Grundsätzlichen ist es aber
        
        
          so eine Sache. Daher sollten Sie lieber
        
        
          die Probe aufs Exempel machen: Geben
        
        
          Sie den Satz „Arbeitsunfall beim Essen“
        
        
          bei Google ein. Weil Ihnen dann mehr
        
        
          als 300.000 Treffer entgegenspringen,
        
        
          ahnen Sie, was Ihnen die Juristen mit ih-
        
        
          rem Grundsätzlichen einbrocken.
        
        
          Essens-Unfall ist grundsätzlich privat
        
        
          Aber nochmals: Grundsätzlich, so ist
        
        
          es in zahlreichen Entscheidungen der
        
        
          Sozialgerichte zu lesen, ist ein Unfall
        
        
          beim Essen eindeutig ein  Privatunfall.
        
        
          Aber nur dann, wenn es sich um eine
        
        
          Von
        
        
          
            Thomas Muschiol
          
        
        
          Private oder betriebliche Stürze?
        
        
          
            ÜBERBLICK.
          
        
        
          Permanent müssen Sozialgerichte entscheiden, ob noch ein Dienst- oder
        
        
          schon ein Privatunfall vorliegt – mittels skurriler, teils praxisfremder Abgrenzungen.
        
        
          Die unterschiedlichen Folgen für Arbeitnehmer und Arbeitgeber – je nach Ablehnung
        
        
          oder Anerkennung eines Geschehens als Arbeitsunfall – zeigt ein Beispielsfall.
        
        
          Die beiden Gipser Franz und Fritz
        
        
          arbeiten gemeinsam auf einem
        
        
          Gerüst. Anders, als es die einschlägi-
        
        
          gen Sicherheitsvorschriften vorsehen,
        
        
          ist kein Fangnetz angebracht. Da es
        
        
          beim Aufbau fehlte, hatte der Chef
        
        
          kurzerhand angeordnet, „zunächst mal
        
        
          ohne Netz anzufangen“. Im Laufe des
        
        
          Vormittags kündigt Franz dem Fritz eine
        
        
          sofortige Trinkpause an und greift dazu
        
        
          in seinen bereitstehenden Rucksack.
        
        
          Darin befinden sich zahlreiche Getränke.
        
        
          Nun fällt er jedoch einem (schlechten)
        
        
          Ein Streit mit der BG kann sich lohnen
        
        
          
            BEISPIEL
          
        
        
          Scherz seines Kollegen zum Opfer: Fritz
        
        
          schlägt mit einem Hammer gegen eine
        
        
          der Gerüststangen, sodass Franz vor
        
        
          Schrecken das Gleichgewicht verliert und
        
        
          vom Gerüst stürzt. Er erleidet so schwere
        
        
          Verletzungen, dass er auf Dauer zu 100
        
        
          Prozent erwerbsgemindert ist.
        
        
          In einem solchen Fall würde sich die
        
        
          zuständige Berufsgenossenschaft wohl
        
        
          aus zwei Gründen zunächst auf den
        
        
          Standpunkt stellen, dass kein Arbeits-,
        
        
          sondern ein Privatunfall  vorgelegen
        
        
          habe: Zum einen ist der Unfall während
        
        
          Arbeitsunfall zuhause? Die Abgrenzung zwischen privat und dienstlich fällt schwer.
        
        
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