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RECHT
_BEM
personalmagazin 09/15
K
ommen Arbeitgeber der
Pflicht, ein betriebliches
Eingliederungsmanagement
(BEM) durchzuführen, nicht
nach, so holt sie das Versäumnis meist
in einem möglichen Kündigungsschutz-
verfahren ein. Dort ist das BEM zwi-
schenzeitlich zu einem K.o.-Kriterium
geworden – auch wenn es alleine nach
der gesetzlichen Regelung in keinem
Zusammenhang mit der krankheitsbe-
dingten Kündigung steht.
Nach § 84 Abs. 1 SGB IX muss der
Arbeitgeber mit Arbeitnehmern, die
im Laufe eines Jahres mehr als sechs
Wochen arbeitsunfähig sind, ein BEM
durchführen. Obwohl die Vorschrift im
SGB IX steht, das die Rehabilitation und
Teilhabe behinderter Menschen regelt,
gilt sie für nicht-behinderte Arbeitneh-
mer gleichermaßen. Der Arbeitgeber
muss das BEM mithin bei allen Arbeit-
nehmern berücksichtigen.
Der Betriebsrat überprüft, ob der
Arbeitgeber seinen BEM-Pflichten
nachkommt, und hat Anspruch auf re-
gelmäßige Übermittlung der Fehlzeiten
Von
Roman Frik
der betroffenen Arbeitnehmer (§ 84 Abs.
2 Satz 7 SGB IX). Darüber hinaus ist der
Umfang der Mitbestimmungsrechte des
Betriebsrats noch unklar. Wird ein for-
malisiertes Verfahren für das BEM ein-
gerichtet, hat er wohl nach § 87 Abs. 1
Nr. 1 BetrVG mitzubestimmen.
Ziele: Was das BEM erreichen soll
Ziel des BEM ist es, Möglichkeiten zu
identifizieren, wie die Arbeitsunfähig-
keit möglichst überwunden werden und
mit welchen Leistungen oder Hilfen
einer erneuten Arbeitsunfähigkeit vor-
gebeugt und der Arbeitsplatz erhalten
werden kann. Dies zielt in erster Linie
auf Veränderungen am Arbeitsplatz und
der Arbeitsorganisation, auf Versetzun-
gen und auf die Inanspruchnahme von
Hilfsmitteln ab. Für das BEM sind inter-
ne und externe Stellen hinzuzuziehen.
Das Gesetz nennt die Arbeitnehmer-
und die Schwerbehindertenvertretung,
den Werk- und den Betriebsarzt. Es
kann aber zum Beispiel auch der behan-
delnde Arzt des Arbeitnehmers einbezo-
gen werden. Kommen außerbetriebliche
Rehabilitationsmaßnahmen in Betracht,
werden vom Arbeitgeber die örtlichen
gemeinsamen Servicestellen der Reha-
bilitationsträger oder bei schwerbehin-
derten Beschäftigten das Integrations-
amt hinzugezogen.
Verfahren: Keine konkreten Vorgaben
Für das Verfahren des BEM gibt es nach
dem Willen des Gesetzgebers keine kon-
kreten Vorgaben. Es handelt sich um ei-
nen rechtlich regulierten verlaufs- und
ergebnisoffenen Suchprozess, der indi-
viduell angepasste Lösungen zur Ver-
meidung zukünftiger Arbeitsunfähig-
keit ermitteln soll. Je nachdem, welche
Krankheitsursachen der Arbeitnehmer
oder ein hinzugezogener Arzt nennen,
soll gemeinsam geprüft werden, ob und
– wenn ja – welche Maßnahmen ergrif-
fen werden können. Die Maßnahmen
stehen also nicht von vornherein fest,
sondern ergeben sich erst aus dem oder
den gemeinsamen Gespräch(en).
Das Eingliederungsmanagement be-
ginnt mit der Identifizierung derjenigen
Mitarbeiter, die mehr als sechs Wochen
im Jahr arbeitsunfähig sind. Unerheb-
lich ist, ob die Arbeitsunfähigkeit sechs
Wochen ununterbrochen besteht oder
sich in mehrere Krankheitsabschnitte
aufteilt. Die Initiative zum BEM obliegt
demArbeitgeber (BAG, Beschluss vom 7.
Februar 2012, Az. 1 ABR 46/10).
Wichtig ist, dass das BEM als solches
durchgeführt und möglichst auch so be-
zeichnet wird. Bloße Mitarbeiter- oder
Krankenrückkehrgespräche stellen in
der Regel kein BEM-Gespräch dar. Auch
die bloße Einschaltung, gegebenenfalls
auch Untersuchung, durch den Betriebs-
arzt ist kein BEM (BAG, Urteil vom 20.
November 2014, Az. 2 AZR 755/13). Ist
die krankheitsbedingte Kündigung be-
reits ausgesprochen, bleibt der Verweis
auf ein durchgeführtes Krankenrück-
kehrgespräch daher meist erfolglos.
Kündigung: BEM vorab durchführen
Apropos Kündigung: Nach dem Wort-
laut des Gesetzes ist das BEM zwingend
durchzuführen. Aus dem Hinweis, dies
mit Zustimmung und Beteiligung des Ar-
Kranke wieder an Bord holen
ÜBERSICHT.
Fehler beim BEM holen Arbeitgeber spätestens im Kündigungsstreit ein.
Zwar ist das Verfahren offen gestaltet – dennoch sind viele Stolperfallen zu umgehen.
Checkliste
Ablaufschema eines BEM im
Einzelfall (HI1329076)
Die Arbeitshilfe finden Sie im Haufe
Personal Office (HPO). Internetzugriff:
ARBEITSHILFE