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            RECHT
          
        
        
          _WERKVERTRÄGE
        
        
          personalmagazin  09/15
        
        
          auftretende Unternehmen befürchten
        
        
          derzeit aufgrund einer verbreiteten
        
        
          Rechtsunsicherheit, letztlich von den
        
        
          Mitarbeitern der Beratungsunterneh-
        
        
          men in Anspruch genommen zu wer-
        
        
          den, die ihren Arbeitnehmerstatus bei
        
        
          ihnen einklagen. Sie drängen daher
        
        
          die Beratungsunternehmen in die nicht
        
        
          passende Leiharbeit, um für sich selbst
        
        
          Rechtssicherheit zu erhalten. Außerdem
        
        
          ist zu beobachten, dass mobile auslän-
        
        
          dische Arbeitnehmer, die nicht gewerk-
        
        
          schaftlich vertreten sind, ihre eindeu-
        
        
          tigen Rechte nicht wahrnehmen. Hier
        
        
          besteht Handlungsbedarf.
        
        
          
            personalmagazin:
          
        
        
          
            Taugen die vorliegenden
          
        
        
          
            Vorschläge dazu, die Probleme zu lösen?
          
        
        
          
            Henssler:
          
        
        
          Sowohl die bisher erarbeiteten
        
        
          Gesetzesvorschläge als auch die im Ko-
        
        
          alitionsvertrag angedachte Kodifikation
        
        
          der Rechtsprechungsgrundsätze sind
        
        
          im Gegenteil sogar völlig ungeeignet.
        
        
          Die Festschreibung der Rechtsprechung
        
        
          ist aufgrund der Vielfalt der Fallkon-
        
        
          stellationen allenfalls auf einem sehr
        
        
          hohen Abstraktionsniveau möglich und
        
        
          wird daher die Rechtsanwendung nicht
        
        
          befördern. Der Vorschlag eines Negativ-
        
        
          katalogs, nach dem bei Vorliegen einer
        
        
          bestimmten Anzahl von Indizien eine
        
        
          verdeckte
        
        
          Arbeitnehmerüberlassung
        
        
          vermutet wird, wiederholt die Fehler
        
        
          der Vergangenheit. Er erinnert fatal an
        
        
          das sogenannte arbeits- und sozialver-
        
        
          sicherungsrechtliche Korrekturgesetz
        
        
          vom Dezember 1998. Dieses Gesetz, ins-
        
        
          besondere die mit den neuen Vorschlä-
        
        
          gen vergleichbare Reform des § 7 Abs.
        
        
          4 SGB IV, war wohl der größte Flop in
        
        
          „Ganz andere Praxisprobleme“
        
        
          
            INTERVIEW.
          
        
        
          Arbeitsministerin Andrea Nahles möchte demnächst die Vorschriften zum
        
        
          Werkvertrag regulieren. Mit falschem Ansatz, wie Professor Martin Henssler findet.
        
        
          
            personalmagazin:
          
        
        
          
            Die Arbeitsministerin hat
          
        
        
          
            einen Gesetzentwurf zum Fremdperso-
          
        
        
          
            naleinsatz für den Herbst angekündigt.
          
        
        
          
            In welchen Bereichen besteht Bedarf, die
          
        
        
          
            Regeln zu Werkverträgen zu begrenzen?
          
        
        
          
            Martin Henssler:
          
        
        
          Die Koalition hat sich
        
        
          vorgenommen, Missbräuchen bei Werk-
        
        
          verträgen durch eine Kodifizierung der
        
        
          Rechtsprechung zu begegnen. Zwar ist
        
        
          zu konzedieren, dass es solcheMissbräu-
        
        
          che tatsächlich gegeben hat, etwa in der
        
        
          Fleischindustrie. Sie sind jedoch längst
        
        
          erfolgreich bekämpft und inzwischen
        
        
          nicht mehr zu beobachten. Die Recht-
        
        
          sprechung hatte keine Schwierigkeiten,
        
        
          derartige Problemfälle auf der Grundla-
        
        
          ge ihrer bisherigen Entscheidungspra-
        
        
          xis zu bewältigen und effektiven Arbeit-
        
        
          nehmerschutz zu verwirklichen. Es gibt
        
        
          daher kein Regelungsdefizit, sondern es
        
        
          gab lediglich ein Rechtsdurchsetzungs-
        
        
          defizit. Aufgrund der geänderten Situ-
        
        
          ation ist derzeit aber nicht ersichtlich,
        
        
          welche angeblichen Missstände heute
        
        
          noch durch eine Kodifikation bekämpft
        
        
          werden sollen. Es fehlt in eklatanter
        
        
          Weise an einer aktuellen Aufarbeitung
        
        
          der Rechtstatsachen, die aber im Vorfeld
        
        
          einer derart einschneidenden Reform,
        
        
          wie sie geplant ist, unverzichtbar wäre.
        
        
          Meines Erachtens droht aus dem Blick
        
        
          zu geraten, dass Werkverträge grund-
        
        
          sätzlich völlig unproblematische, ja
        
        
          sogar unverzichtbare Gestaltungen in
        
        
          einer arbeitsteiligen Wirtschaft sind.
        
        
          
            personalmagazin:
          
        
        
          
            Es gibt also keinen An-
          
        
        
          
            lass für eine gesetzliche Initiative?
          
        
        
          
            Henssler:
          
        
        
          Hinter den aktuellen Reform-
        
        
          überlegungen steht in der Sache nicht
        
        
          die Bekämpfung von Missbräuchen. Die
        
        
          Befürworter wollen vielmehr durch Re-
        
        
          gulierung dem allgemeinen Trend zur
        
        
          Reduzierung der Stammbelegschaften
        
        
          entgegenwirken. Damit verfolgen sie
        
        
          ein verfassungsrechtlich nicht halt-
        
        
          bares Anliegen. Jeder Unternehmer
        
        
          kann nämlich frei entscheiden, welche
        
        
          Produkte und Dienstleistungen er mit
        
        
          eigenen Arbeitnehmern herstellt bezie-
        
        
          hungsweise erbringt und welche er von
        
        
          externen Anbietern zukauft.
        
        
          
            personalmagazin:
          
        
        
          
            Sie sehen keine Praxis-
          
        
        
          
            probleme im Bereich der Werkverträge?
          
        
        
          
            Henssler:
          
        
        
          Es gibt Probleme in der Praxis,
        
        
          allerdings auf einer ganz anderen Linie.
        
        
          Durch die öffentliche Debatte über
        
        
          Werkverträge sind ganz zu Unrecht
        
        
          auch solche Dienstleistungen in Miss-
        
        
          kredit geraten, bei denen ein unmittel-
        
        
          barer Bedarf nach der Ausgestaltung als
        
        
          Dienst- oder Werkvertrag besteht. Als
        
        
          Auftraggeber von Beratungsleistungen
        
        
          „In eklatanter Weise
        
        
          fehlt eine aktuelle Auf-
        
        
          arbeitung der Rechts-
        
        
          tatsachen, die aber im
        
        
          Vorfeld einer derart ein-
        
        
          schneidenden Reform
        
        
          unverzichtbar wäre.“