personalmagazin_2015_09 - page 73

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09/15 personalmagazin
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beitnehmers zu machen, folgt aber, dass
das BEM nur dann stattfindet, wenn der
Arbeitnehmer damit einverstanden ist.
Allzu oft stimmt der Arbeitnehmer dem
BEM in der Praxis tatsächlich nicht zu.
Damit ist der Arbeitgeber aber nicht
in jedem Fall auf der sicheren Seite.
Die Ablehnung des Arbeitnehmers hilft
dem Arbeitgeber in einem anschlie-
ßenden Kündigungsschutzprozess zu
einer krankheitsbedingten Kündigung
nur dann, wenn er ihn ausreichend auf
die „Ziele des betrieblichen Eingliede-
rungsmanagements“ sowie auf „Art und
Umfang der hierfür erhobenen und ver-
wendeten Daten“ hingewiesen hat. Die
Anforderungen, die die Rechtsprechung
an diesen Hinweis stellt, haben einen er-
staunlichen Umfang angenommen.
Die bloße Bezugnahme auf § 84 Abs. 2
Satz 1 SGB IX ist nicht ausreichend. Dem
Arbeitnehmer soll vielmehr erläutert-
werden, dass das betriebliche Einglie-
derungsmanagement der Klärung dient,
• wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst
überwunden,
• wie einer erneuten Arbeitsunfähig-
keit vorgebeugt und
• wie das Arbeitsverhältnis erhalten
werden kann.
Dem Mitarbeiter muss klargemacht
werden, dass es um die Grundlagen
seiner Weiterbeschäftigung geht und
dazu ein ergebnisoffenes Verfahren
durchgeführt werden soll, in das auch
er Vorschläge einbringen kann.
Den Datenschutz nicht vergessen
Des Weiteren ist der Arbeitnehmer da-
rauf hinzuweisen, dass seine (Krank-
heits-)Daten erhoben und verwendet
werden sollen – wobei nur solche Daten
erhoben werden, die erforderlich sind,
um ein zielführendes, der Gesundung
und Gesunderhaltung des Betroffenen
dienendes BEM durchführen zu können.
Der Arbeitnehmer muss folglich wissen,
welche Daten erhoben und gespeichert
werden und inwieweit und für welche
Zwecke sie der Arbeitgeber erhält (BAG,
Urteil vom 20. November 2014, Az. 2
AZR 755/13). Sinnvollerweise schließen
Arbeitgeber und Arbeitnehmer nach
der grundsätzlichen Bereitschaft des
Arbeitnehmers zum BEM eine Daten-
schutzvereinbarung.
Neue Anforderungen des BAG
Neuerdings betont das Bundesarbeits-
gericht (BAG), dass dem Arbeitnehmer
die Bedeutung des BEM für seine Wei-
terbeschäftigung klargemacht werden
muss. Dies ist wohl als eine Art krank-
heitsbedingte Abmahnung zu verstehen.
Nur, wenn der Arbeitnehmer weiß, dass
seine Weiterbeschäftigung aufgrund der
erheblichen Krankheitszeiten auf dem
Prüfstand steht, kann er den Sinn – ge-
gebenenfalls sogar die Notwendigkeit –
des BEM richtig beurteilen.
Vermutlich wird daher zu unterschei-
den sein, ob der Arbeitnehmer erstmalig
länger als sechs Wochen im Jahr arbeits-
unfähig gewesen ist oder ob dies bereits
mehrfach der Fall war, sodass eine ne-
gative Gesundheitsprognose im Sinne
des Kündigungsschutzrechts vorliegt.
Im ersten Fall dürfte wohl ein allgemei-
ner Hinweis auf die Bedeutung für die
Weiterbeschäftigung genügen. Zieht
ein verständiger Arbeitgeber – etwa im
zweiten Fall – eine krankheitsbedingte
Kündigung in Betracht, wird er konkret
darauf hinweisen müssen, dass ohne die
Durchführung des BEM geprüft werde,
ob das Arbeitsverhältnis krankheitsbe-
dingt gekündigt werde.
Im Hinblick auf mögliche Rehabilita-
tionsmaßnahmen hat das BAG es sogar
für erforderlich gehalten, dem Arbeit-
nehmer eine konkrete Frist mit Kün-
digungsandrohung zu nennen. Selbst
wenn innerbetrieblich keinerlei Maß-
nahmen in Betracht kommen, verlangt
§ 84 Abs. 2 Satz 4 SGB IX, dass außer-
betriebliche Rehabilitationsmaßnahmen
geprüft werden. Das BAG spricht von
der Überprüfung der Rehabilitationsbe-
darfe. Wahrscheinlich gibt es aber keine
Krankheit, bei der nicht eine Rehabili-
tationsmaßnahme die Arbeitsfähigkeit
verbessern könnte. Insofern ist diese
Möglichkeit stets zu erörtern.
Nach der Krankheit ist vor
dem BEM: Dieses soll helfen,
die Mitarbeiter zurück ins
Boot zu bringen.
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