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            RECHT
          
        
        
          _WERKVERTRÄGE
        
        
          personalmagazin  09/15
        
        
          Bei Fragen wenden Sie sich bitte an 
        
        
        
          E
        
        
          s scheint, als würde Andrea
        
        
          Nahles die arbeitsrechtlichen
        
        
          Inhalte des Koalitionsvertrags
        
        
          wie bei einer Checkliste nach
        
        
          und nach abhaken. Nicht chronologisch
        
        
          zwar, aber möglichst umfassend. Mag
        
        
          sein, dass dies dem Zweck einer solchen
        
        
          Verabredung nahe kommt. Üblich war es
        
        
          in den vorigen Regierungen – zumindest
        
        
          in arbeitsrechtlichen Fragen – nicht.
        
        
          Nun also die Ankündigung, im Herbst
        
        
          erste Entwürfe zur Regulierung der
        
        
          Werkverträge und Leiharbeit vorzule-
        
        
          gen – und möglichst im Kabinett noch zu
        
        
          verabschieden. Das spräche für verbind-
        
        
          Von
        
        
          
            Michael Miller
          
        
        
          (Red.)
        
        
          liche Vorschriften vielleicht schon ab Juli
        
        
          2016. Bleibt die Frage, ob die Ministeri-
        
        
          albeamten das Tempo ihrer Vorgesetzten
        
        
          mitgehen können – waren sie doch bis
        
        
          zuletzt mit Mindestlohnfragen gut aus-
        
        
          gelastet. Zudem darf bezweifelt werden,
        
        
          dass Union und Bundestagsausschüsse
        
        
          die Regulierung geräuschlos durchwin-
        
        
          ken. Schließlich wird schon seit Jahren
        
        
          in den Gängen des Parlaments über der-
        
        
          artige Gesetze diskutiert. Die Kraft, sie
        
        
          durchzusetzen, fehlte bislang.
        
        
          Die Hoffnung von Unternehmen, es
        
        
          werde keine neuen Regeln geben, ist
        
        
          jedoch illusorisch. Denn Nahles scheint
        
        
          die notwendige Energie aufzubringen,
        
        
          Werkvertrag und Leiharbeit als nächstes
        
        
          auf ihrer Liste abzuhaken. Und: Um auch
        
        
          beim Widerstand der Union alle Argu-
        
        
          mente in der Hand zu halten, orientiert
        
        
          sie sich inhaltlich am Koalitionsvertrag.
        
        
          Das bedeutet konkret für die Arbeit-
        
        
          nehmerüberlassung: Sie soll auf maxi-
        
        
          mal 18 Monate limitiert werden – mit
        
        
          der Möglichkeit zu tarifvertraglichen
        
        
          Ausnahmen. Interessant ist dabei ein
        
        
          überraschender Zwischenruf aus Brüs-
        
        
          sel. Bislang galt Europa zumindest als
        
        
          ein Grund für die Höchstgrenze. Nun
        
        
          äußerte sich die EU-Kommission im
        
        
          Zusammenhang mit einem Vertragsver-
        
        
          letzungsverfahren derart, dass die EU-
        
        
          Richtlinie den Mitgliedsstaaten gerade
        
        
          nicht vorschreibe, eine Höchstüberlas-
        
        
          sungsdauer festzulegen.
        
        
          Weitere spannende Fragen, die der
        
        
          Koalitionsvertrag nicht regelt: Wird sich
        
        
          die Obergrenze auf den Arbeitsplatz
        
        
          oder den Arbeitnehmer beziehen? Wird
        
        
          es gesetzliche Ausnahmen geben, etwa
        
        
          für Eltern- oder Pflegezeit? Welche Be-
        
        
          standteile zählen zum geplanten Equal
        
        
          Pay? Was passiert mit Schwellenwerten?
        
        
          Werkverträge: Untaugliche Vorhaben?
        
        
          Ähnlich offene Fragen lassen sich beim
        
        
          Thema „Werkvertrag“ formulieren. Klar
        
        
          ist das im Koalitionsvertrag notierte In-
        
        
          formationsrecht des Betriebsrats, das
        
        
          schon heute existiert. Schwieriger die
        
        
          Vorgabe, „die wesentlichen durch die
        
        
          Rechtsprechung entwickelten Abgren-
        
        
          zungskriterien zwischen ordnungsge-
        
        
          mäßem und missbräuchlichem Fremd-
        
        
          personaleinsatz“ zu kodifizieren. Martin
        
        
          Henssler, Arbeitsrechtsprofessor an der
        
        
          Universität zu Köln, äußert sich dazu
        
        
          eindeutig: Der Vorschlag sei „völlig un-
        
        
          geeignet“, die Probleme der Praxis zu
        
        
          lösen. Und: Es „droht aus dem Blick zu
        
        
          geraten, dass Werkverträge grundsätz-
        
        
          lich völlig unproblematische, ja sogar
        
        
          unverzichtbare Gestaltungen“ seien.
        
        
          Die Gesetzesinitiative selbst wird
        
        
          kommen. Damit aber Arbeitgeber – wie
        
        
          Nahles auch – am Ende ein Häkchen set-
        
        
          zen können, müssen Arbeitgeber mitge-
        
        
          stalten – inhaltlich wie handwerklich.
        
        
          Tiefe Einschnitte?
        
        
          
            AUSBLICK.
          
        
        
          Die Arbeitsministerin plant Gesetze zu
        
        
          Werkverträgen und zur Leiharbeit. Wie sie die Praxis
        
        
          ändern werden, hängt auch von den Arbeitgebern ab.
        
        
          Der Klassiker in der Fleischindustrie: Nicht Arbeits-, sondern Werkverträge sollen üblich sein.