36
MANAGEMENT
_BÜROKONZEPTE
personalmagazin 09/15
tung von Chill-out-Areas erreichen kann.
Vielmehr ist es unerlässlich, für jeden Un-
ternehmensbereich zunächst zu prüfen,
wie durch Bürogestaltung Aufgaben und
Arbeitsabläufe besser unterstützt werden
können, um dann eine passende Viel-
falt an Arbeitsplätzen anzubieten. Dabei
gilt es auch, die immer noch verbreitete
Präsenzkultur durch Ergebnisorientie-
rung zu ersetzen. Die dafür notwendige
Weiterentwicklung der Unternehmens-
kultur muss ihren Ausgang beim Top-
Management nehmen und von allen
Führungskräften getragen werden. Die-
se sind nicht nur gefordert, ihre Mitar-
beiter für den Wandel zu mobilisieren,
sondern auch ihr Selbstverständnis und
Führungsverhalten zu überdenken.
Neue Anforderungen an die Führung
Zur Frage, wie sich neue Bürokonzepte
im Einzelnen auf die Führung auswirken,
liegen noch keine umfassenden Unter-
suchungen vor – obgleich sie die Praxis
schon länger beschäftigen. Um Verände-
rungen in der Führungssituation zu iden-
tifizieren und daraus Handlungsfelder
für die HR-Arbeit abzuleiten, haben wir
Tiefeninterviews mit zwölf Führungs-
kräften von Firmen durchgeführt, die in
den vergangenen Jahren neue Bürowel-
ten implementiert haben. Die Befragung
zeigte zunächst, dass das Ausmaß der
erlebten neuen Führungsanforderungen
abhängig von der Ausgestaltung der je-
weiligen Bürokonfiguration ist: je stärker
die Zusammenarbeit an verschiedenen
Orten auch außerhalb des Büros, also
virtuell, erfolgt, desto größer die Heraus-
forderungen bei der Teamkoordination
sowie die von den Führungskräften zu
leistenden Verhaltensanpassungen.
Als tiefgreifendste Veränderung
erachten die Befragten das Kommu-
nikationsverhalten im Büro. Die im Zu-
sammenhang mit neuen Bürokonzepten
typischerweise eingeführten Informa-
tions- und Kommunikationstechnologien
eröffnen demnach nicht nur vielfältigere
Möglichkeiten des (Online-)Austauschs
und der Zusammenarbeit, sondern stel-
len auch erweiterte Anforderungen an
die Technik- und Medienkompetenz von
Führungskräften und Mitarbeitern.
Als weitere zentrale Auswirkung neu-
er Büroformen beobachten die Befragten
die gestiegene Handlungsautonomie der
Beschäftigten, die ihrer Einschätzung
nach durch den Trend zum orts-, zeit-
und raumunabhängigen Arbeiten weiter
an Bedeutung gewinnen wird. Die Be-
fragten identifizieren daher das Führen
über Zielvereinbarungen als einen zent
ralen Erfolgsfaktor neuer Büroformen.
Mit dem erweiterten Handlungsspiel-
raum der Beschäftigten sei die Führungs-
kraft zudem vor allem in ihrer Rolle als
Coach, Berater und Vernetzer der Be-
schäftigten gefragt, so die Befragten. Dies
bedingt, Vertrauen im Team zu schaffen,
Erwartungen an die Beschäftigten und
Spielregeln der Zusammenarbeit gemein-
sam zu definieren und Unterstützung bei
der Selbstorganisation zu bieten. Wichtig
sei zudem das Vorleben der Nutzungs-
möglichkeiten der neuen Bürostrukturen,
etwa indem Führungskräfte selbst Ruhe-
und Entspannungsräume, Denkerzellen
oder informelle Kommunikationszonen
aufsuchen und somit den neuen Freiräu-
men Glaubwürdigkeit verleihen.
Dass diese Rollen auch bei den mit
neuen Bürokonzepten bereits erfah-
renen Führungskräften noch bisweilen
ein Umdenken erfordert, zeigen Äuße-
rungen von einigen Interviewten, die die
begrenzte Überprüfbarkeit von Leistung
in flexiblen und mobilen Strukturen
beklagen. Da verwundert es nicht, dass
die Befragten mehrheitlich gerade Ver-
änderungsbereitschaft und -fähigkeit
neben Kommunikationsvermögen und
Empathie als zentrale Kompetenzen von
Führungskräften bewerten.
Führungskräfteentwicklung im Fokus
Die Führungskräfteentwicklung wird da-
mit zu einem zentralen Erfolgsfaktor bei
der nachhaltigen Umsetzung neuer Büro-
welten. Dabei reicht es bei Weitem nicht
aus, Führungskräften neue Informations-
und Kommunikationstechnologien zu
vermitteln und ihnen einen Feel-Good-
Manager an die Seite zu stellen. Vielmehr
gilt es, Hilfe zu bieten, den oft gefühlten
Kontroll- und Statusverlust sowie das
neue Rollenverständnis zu reflektieren
und Kompetenz sowie Sicherheit im Um-
gang mit Selbstorganisation der Mitarbei-
ter zu entwickeln. Hierfür empfehlen sich
Führungskräfteworkshops oder Einzel-
coachings, in denen Führungskräfte ihre
Roadmap entwickeln und Good Practices
bei der Führung in den neuen Bürowel-
ten austauschen können.
Die Untersuchungsbefunde unter-
streichen, dass es für den Erfolg neuer
Bürokonzepte auf ein für jede Organisa-
tion individuelles Zusammenspiel von
Flächenplanung, Raumgestaltung und
Weiterentwicklung von Führung und
Zusammenarbeit ankommt. Dazu muss
HR die Neugestaltung einer attraktiven
Bürolandschaft in die Personalstrategie
aufnehmen und Know-how in Fragen
des Workplacedesigns gezielt aufbauen.
Nur so gelingt es, als Business Partner
bereits bei der Planung neuer Arbeits-
welten auf die qualitative Aufwertung
der Arbeitsplätze hinzuwirken, als
Change Manager die Umsetzung aktiv
voranzutreiben und das Arbeiten in den
neuen Strukturen zu verstetigen. An-
dernfalls besteht die Gefahr, dass die
schöne neue Design-Arbeitswelt keine
nachhaltige Rendite abwirft.
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
PROF. DR. MARTIN KLAFFKE
lehrt Personal, HTW Berlin,
und leitet das Hamburg Insti-
tute of Change Management.
ARIANE KUCHTA
hat an der
HTW studiert und arbeitet als
Beraterin bei der WM-Consult
GmbH.
HR kann die Vorteile
von New-Office-Kon-
zepten nicht allein über
eine Öffnung und Flexi-
bilisierung sowie Chill-
out-Areas erreichen.