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MANAGEMENT
_PERSONALDIAGNOSTIK
personalmagazin 09/15
Verfahren und/oder Anbieter
relativer Barnum-Anteil in Prozent
(Mittelwert beider Rater)
1. Captain Advanced (2011)
2. DNLA*
3. Insyst Master Data(2013)
4. Hogan Lead (2011)
5. Neuro IPS Visual Questionnaire*
6. Harrison Assessments (2011)
7. Thomas International (2011)
8. Profiling Values Value-Based
9. GPOP (2010)
10. Cut-E Shapes (2013)
11. IMX Innermetrix Integriertes Erkenntnis Profil (2012)
12. Success Insights Leadership-Check Basic Version (2011)
13. Reiss Profile (2012)
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Dass ein Gutachten Barnum-Aussagen
umfasst, ist unseres Erachtens nicht
grundsätzlich als schlecht zu bewerten
und delegitimiert nicht automatisch den
Verfahrenseinsatz. Barnum-Aussagen
können Akzeptanz schaffen. Auch im
Kontext von mündlichen Feedbacks oder
im therapeutischen Kontext bedient man
sich solcher Aussagen, um ein Vertrau-
ensverhältnis aufzubauen. Wir möchten
in unserem Fazit aber daran erinnern,
dass das eigentliche Ziel des Fragebo-
geneinsatzes eine individuelle Begutach-
tung ist und dass die Aussagen dieses
Gutachtens gültig (valide) sein müssen.
Etwas Barnum schadet noch nicht
Zum ersten Punkt der individuellen Be-
gutachtung: Ein gewisser Anteil an Bar-
num-Aussagen schadet vermutlich nicht,
wenn – und nur wenn – es auch ein-
deutig interindividuell differenzierende
Aussagen gibt. Hier ist zu beachten, wie
wir im Beitrag in Ausgabe 07/2015 her-
ausgearbeitet haben, dass alle Gutachten
individuelle Ergebnisgrafiken vorsehen,
die auch konkrete, auf das Individuum
bezogene Werte für die Persönlichkeits-
ausprägungen enthalten. Dennoch be-
steht natürlich die Gefahr, dass diese in-
dividuellen Aussagen im Feuerwerk der
Barnum-Nebelkerzen untergehen. Bar-
num-Aussagen sind zumindest tolerabel,
gegebenenfalls – dies müsste untersucht
werden – sogar nützlich, wenn es zusätz-
lich auch personenbezogene Diagnosen
gibt. Die Barnum-Aussage „Sie haben
zwei Augen“ trifft auf die meisten Men-
schen zu, sie ist nicht falsch. Für diese
Diagnose muss man aber keine Zeit und
kein Geld investieren. Deshalb kommt es
hinsichtlich der Qualität der Fragebogen
und Gutachten darauf an, ob es zusätz-
lich zu einer tolerierbaren kleinen Men-
ge an Barnum-Aussagen mehrheitlich
Aussagen gibt, die erstens individuell
die begutachtete Person beschreiben und
zweitens zutreffend sind.
Der wichtigste Schluss aus unserer
Analyse lautet: Die subjektive Überzeu-
gung, dass ein Gutachten stimmt, taugt
nicht als Grundlage der Bewertung der
Qualität von Persönlichkeitsfragebogen.
Alle analysierten Gutachten umfassen
Barnum-Aussagen, die die Überzeu-
gung „Das stimmt“ hervorrufen können.
Mit diesem Trick kann man für jedes
pseudo-wissenschaftliche Instrument
überzeugte Anhänger gewinnen. Das ist
„q.e.d.“ im Sinne von „quite easily done“.
Kein Ersatz für empirische Prüfung
Unser Fazit lautet: Eine kleine Menge an
Barnum-Aussagen ist nicht grundsätz-
lich schlecht, aber es ist grundsätzlich
eine schlechte Strategie, bei der Quali-
tätsbewertung auf „Personal Validati-
on“ zu setzen – darunter versteht man,
dass jemand von seiner persönlichen
Überzeugung darüber, ob das Gutach-
ten stimmt, auf die tatsächliche Qualität
des Gutachtens oder des Fragebogens
schließt. Das Problem sind nicht die ein-
zelnen, letztlich trivialen Barnum-Aus-
sagen, sondern das Problem liegt darin,
dass man aufgrund der zwangsläufigen
Zustimmung zu den Barnum-Aussagen
auch die Diagnosen auf der höheren
Ebene, zum Beispiel die Zuordnung zu
einem Persönlichkeitstyp, akzeptiert.
Die Augenscheinvalidität eines Gut-
achtens hat nichts zu tun mit der tat-
sächlichen Validität, die in empirischen
Studien aufzuzeigen ist. Die Entschei-
dung dafür, ob und welcher Persönlich-
keitsfragebogen eingesetzt wird, sollte
daher nicht allein von den Gutachten ab-
hängig gemacht werden. Fragebogenan-
bieter werben potenzielle Kunden gerne
mit kostenlosen Probedurchgängen. Auf-
grund der Barnum-Aussagen in den Gut-
achten ist diese Marketing-Maßnahme
häufig erfolgreich. Die vernünftig klin-
gende Aufforderung, sich ein eigenes Ur-
teil zu bilden und selbst zu prüfen, ob das
Gutachten passt, wird vor dem Hinter-
grund der psychologischen Effekte von
Barnum-Aussagen ein Aufruf zum freien
Dilettieren hinsichtlich der Bewertung
ANTEIL AN BARNUM-AUSSAGEN
In allen untersuchten Gutachten haben die Rater Barnum-Aussagen identifiziert – im
Extremfall sind fast 40 Prozent aller Aussagen im Gutachten Barnum-Aussagen.
Für die mit * gekennzeichneten Verfahren/Anbieter liegen keine Informationen zum Jahr vor.
Angaben in Prozent
38,9
38,3
34,0
33,0
32,9
29,2
28,0
25,0
23,3
20,7
17,4
17,3
12,9