personalmagazin 06/2015 - page 63

06/15 personalmagazin
63
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
RECHT
_URTEILSDIENST
Stichtagsregel: Mehr Geld für einige Gewerkschafter
Eine Stichtagsregelung in Haustarifver-
trägen, nach der nur die Mitglieder der
Gewerkschaft eine Leistung beanspru-
chen können, die zum Zeitpunkt der
Tarifeinigung der tarifschließenden Ge-
schaftliche und soziale Nachteile für ta-
rifgebundene Arbeitnehmer abmildern.
Zur Wirksamkeit sogenannter Differen-
zierungsklauseln äußerten sich die Rich-
ter jedoch nicht.
werkschaft bereits beigetreten waren,
ist wirksam. Das entschied das BAG in
einem aktuellen Fall. Die Normen des
Haustarifvertrags hatten einen sozial-
planähnlichen Inhalt und sollten wirt-
URTEIL DES MONATS
Im konkreten Fall hatte die IG Metall im Zuge eines massiven
Stellenabbaus bei Nokia Siemens Networks und der Gründung einer
Auffanggesellschaft einen Transfer- und Sozialtarifvertrag verein-
bart. Zusätzlich handelte die Gewerkschaft noch einen Ergänzungs-
tarifvertrag aus, der nur für die Arbeitnehmer gilt, die bis zu einem
Stichtag in die Gewerkschaft eingetreten waren. Das aber hätte
sich gelohnt: eine zusätzliche Abfindung von 10.000 Euro sowie ein
um zehn Prozent höheres Monatsgehalt. Die klagende Angestellte
sollte davon nicht profitieren – sie war erst zwei Monate nach dem
Stichtag, und das auch nur für ein gutes halbes Jahr, in die Gewerk-
schaft eingetreten. Auch ihre Klage vor dem BAG blieb erfolglos:
Die Stichtagsregel führe zu keiner ungerechtfertigten Bevorzugung
der Gewerkschaftsmitglieder, urteilten die Richter. Interessant ist
die Ausführungen zur Differenzierungsklausel; also Normen, die in
Tarifverträgen Vergünstigungen festlegen, von denen alleine Ge-
werkschaftsmitglieder profitieren. Nicht oder anders organisierten
Mitarbeitern sind diese Vorteile verwehrt. Die Zulässigkeit solcher
Klauseln wird kontrovers diskutiert. Das BAG stellte nun fest: Entge-
gen der Meinung der Klägerin liege keine Differenzierungsklausel
vor. Die Stichtagsregel wirke nicht als Differenzierung zwischen
Gewerkschaftsmitgliedern und Nicht-Mitgliedern. Vielmehr würden
GÜNSTIGE REGELN
ZUSAMMENFASSUNG
Bei einem Günstigkeitsvergleich bilden
Arbeitszeit und Arbeitsentgelt eine einheitliche Sachgruppe. Sie
können nicht isoliert betrachtet werden.
RELEVANZ
Das Günstigkeitsprinzip zwingt dazu, gegenüberstehende
arbeitsvertragliche und tarifvertragliche Regelungen miteinander zu
vergleichen und zu entscheiden, welche für Mitarbeiter günstiger
sind. Entscheidend ist dabei stets, welche Aspekte miteinander
verglichen werden. Dabei hat das BAG nun (erneut) Rosinenpicken
unterbunden. Arbeitszeit und Arbeitsentgelt können nicht isoliert
betrachtet werden, sondern nur als einheitliche Sachgruppe. Ist
nicht zweifelsfrei festzustellen, ob die individualvertragliche Regel
günstiger ist, bleibt es bei der zwingenden tariflichen Bestimmung.
BEFRISTUNG BIS 60
ZUSAMMENFASSUNG
Gegen Geld bot Daimler seinen Führungskräf-
ten einen Umstieg von unbefristeten auf bis zum 60. Lebensjahr
befristete Arbeitsverträge an. Dies war rechtmäßig. Die Klage einer
Ex-Managerin, die eine Befristung zunächst vereinbarte, mit der
Klage diese jedoch als unwirksam ansah, wies das Gericht zurück.
RELEVANZ
Nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG kann der Wunsch
des Mitarbeiters nach einer zeitlich begrenzten Beschäftigung eine
Befristung des Arbeitsverhältnisses sachlich rechtfertigen. Wunsch,
urteilte das LAG, bedeute nicht, dass Arbeitnehmer mit dem Ange-
bot der Befristung nur einverstanden seien. Die Umwandlungen bei
Daimler akzeptierte das Gericht jedoch. Schließlich bot der Autobau-
er attraktive finanzielle Anreize sowie eine lange Überlegungsfrist.
der Transfer- sowie der Ergänzungstarifvertrag in ihrem personellen
Geltungsbereich allein zwischen verschiedenen Gruppen von Mit-
gliedern der IG Metall differenzieren. Die Stichtagsregelung formu-
liere daher nur Anspruchsvoraussetzungen für tarifliche Leistungen,
die die Klägerin mit dem späteren Eintritt nicht erfülle.
Gleiche Behandlung? In Tarifverträgen darf differenziert werden.
Quelle
BAG, Urteil vom 15.4.2015, Az. 4 AZR 796/13
Quelle
LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 4.3.2015, Az. 2 Sa 31/14
Quelle
BAG, Urteil vom 15.4.2015, Az. 4 AZR 587/13
1...,53,54,55,56,57,58,59,60,61,62 64,65,66,67,68,69,70,71,72,73,...84
Powered by FlippingBook