personalmagazin 06/2015 - page 44

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ORGANISATION
_BÜROKRATIEENTLASTUNG
personalmagazin 06/15
Noch negativer äußert sich Dieter Hege
zu den Folgen des Mindestlohngesetzes.
Der Unternehmer führt seit 1987 den
Obst- und Gemüseanbaubetrieb Hege-
Hof in Ladenburg zwischen Mannheim
und Heidelberg – und beschäftigt in der
Hauptsaison 300 bis 400 Menschen. „Ich
musste eigens eine zusätzliche Arbeits-
kraft im Personalbereich einstellen, um
die ganzen Arbeitszeitnachweise abzu-
wicklen – eine Katastrophe.”
Bei manchem HRler ist die Stimmung
seit Einführung des Mindestlohns auch
aus anderem Grund gedrückt: Fast jeder
Dritte fühlt sich auch Monate nach In-
krafttreten des Gesetzes noch schlecht
oder sehr schlecht vorbereitet auf die
Neuerung, so die Sage-Studie. Diese
Selbsteinschätzung trifft offenbar zu,
denn ähnlich wie bei der E-Bilanz verlief
die Mindestlohneinführung demnach
alles andere als optimal: Die Regelung
konnte nur von knapp der Hälfte der
Unternehmen problemlos umgesetzt
werden, lediglich vier von zehn Betrie-
ben sahen sich als ausreichend sowie
rechtzeitig informiert und ähnlich viele
bemängeln einen Mehraufwand in der
Lohnbuchhaltung (41 Prozent).
Zusätzlich wurde beim Thema Min-
destlohn nach Zeiterfassung und Ge-
neralunternehmerhaftung gefragt:
Danach musste ein Viertel der Betriebe
(27 Prozent) eigens Maßnahmen zur
Arbeitszeiterfassung umsetzen, die Ge-
neralunternehmerhaftung führt für ein
Fünftel (19 Prozent) zu Problemen.
Missstimmung in der Belegschaft
Doch auch andere Neuerungen bringen
eine höhere Arbeitsbelastung für die
HR-Manager mit sich. Berger berichtet
davon, dass seinem Unternehmen auch
das neue Elterngeld-Plus zu schaffen
mache – „denn das bedeutet viele zu-
sätzliche, nicht planbare Abwesenheiten
für uns, die wir irgendwie kompensie-
ren müssen“, so der Personalmanager.
„Dies führt bei uns im HR-Bereich nicht
nur zu zusätzlichem Aufwand, sondern
sorgt in der Belegschaft auch für Miss-
stimmung, wenn die Arbeitslasten zur
Überbrückung umverteilt werden.”
Auch Änderungen im Steuerrecht er-
schweren den Personalern das Leben.
So sieht sich Personalexperte Robert
Knemeyer, Inhaber des Personalbera-
tungsunternehmens KPI mit Sitz im hes-
sischen Friedrichsdorf, insbesondere
beim Thema Reisekostenabrechnung als
gebeuteltes Bürokratieopfer. Sein Büro
mit fünf Beschäftigten verbringe ein-
fach unverhältnismäßig viel Zeit damit,
etwa alle Hotelrechnungen gesplittet zu
verbuchen, seit der Gesetzgeber unter-
schiedliche Umsatzsteuersätze für die
Übernachtung und die Verpflegung im
Hotel eingeführt habe. „Bei der Reisekos­
tenabrechnung sorgen die komplizierten
Regelungen für enormen, eigentlich un-
nötigen Aufwand”, erklärt Knemeyer. Die
Komplexität der Vorschriften stehe in
keinem vernünftigen Verhältnis mehr zu
den Beträgen, um die es eigentlich gehe,
lautet Knemeyers Fazit.
HOLGER SCHINDLER
ist freier Journalist in
Freiburg.
„Ich musste eigens für die Arbeitszeit-
nachweise eine Arbeitskraft in HR ein-
stellen – eine Katastrophe.“
Dieter Hege, Geschäftsführer Hege-Hof
Das Kabinett hat ein Gesetz zur Bürokratieentlastung beschlossen. Neben Einzelmaß-
nahmen steht die sogenannte „Bürokratiebremse“ im Mittelpunkt des Entwurfs.
Der Name ist ein Wortungetüm: Bürokratieentlastungsgesetz heißt der jüngste Wurf
der Bundesregierung zum Thema. Inhaltlich beschlossen hat das Kabinett dabei
Ende März rund ein halbes Dutzend Einzelmaßnahmen und zudem eine sogenannte
„Bürokratiebremse“, die von Juli an greifen soll. Das Grundprinzip soll dabei lauten:
„One in, one out.“ Auf Deutsch: Für jede neue Vorschrift fliegt eine alte raus. Die
vereinbarten Einzelmaßnahmen betreffen unterschiedliche Vorschriften: So sollen mehr
kleine Unternehmen als bisher von Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten des
Handelsgesetzbuchs und der Abgabenordnung befreit werden. Die Grenzbeträge für
Umsatz und Gewinn werden hierzu um jeweils 20 Prozent auf 600.000 beziehungswei-
se 60.000 Euro angehoben. Davon sollen rund 140.000 Unternehmen profitieren und
die Wirtschaft um eine halbe Milliarde Euro jährlich entlastet werden. Weitere konkrete
Entlastungen sind für Existenzgründer bei der Wirtschaftsstatistik vorgesehen sowie
im Bereich der Umweltstatistik und der Intrahandelsstatistik – jeweils durch neue oder
höhere Schwellenwerte.
Der Gesetzentwurf enthält auch drei Maßnahmen im Steuerrecht: Die Mitteilungs-
pflichten für Kirchensteuerabzugsverpflichtete werden reduziert, die Lohnsteuer-
pauschalierungsgrenze für kurzfristig Beschäftigte wird auf 68 Euro angehoben und
das Faktorverfahren beim Lohnsteuerabzug bei Ehegatten oder Lebenspartnern wird
vereinfacht.
Das Prinzip des „One in, one out“ erlaubt allerdings einige Ausnahmen. So ist laut Ka-
binettsbeschluss die zeitliche Entkopplung zwischen der Einführung der neuen und der
Abschaffung der alten Regulierung grundsätzlich möglich.
Darum geht‘s im Gesetzentwurf
HINTERGRUND
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