personalmagazin 4/2015 - page 59

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04/15 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
auszuarbeiten. Daraus ergeben sich drei
Aufgaben: Was ist der Istzustand, was
ist der Zielzustand und welche Abwei-
chungen gibt es?
Für den Einstieg empfehlen sich
Fragen nach den funktionellen Ein-
schränkungen und Möglichkeiten, um
zu klären, welche Tätigkeiten unter
welchen Bedingungen wie lange ausge-
führt werden können. Dabei gilt es, die
Passung zwischen den Möglichkeiten
des Mitarbeiters und den Anforderun-
gen des (potenziellen) Arbeitsplatzes zu
erfassen. Auch bei primär körperlichen
Erkrankungen sollte die Erfassung des
Istzustands sowohl fachliche als auch
überfachliche Kompetenzen umfassen.
Denn eine längere Zeit der Arbeitsent-
wöhnung und die Konfrontation mit
einer womöglich existenzbedrohenden
Erkrankung können sich etwa auch auf
die personalen Kompetenzen auswirken.
Oft ist zur realistischen Erfassung
des Istzustands eine konkrete Arbeits-
erprobung mit Selbst- und Fremdein-
schätzung notwendig. Zudem sollte der
BEM-Verantwortliche die subjektiven
Anforderungen des Arbeitsplatzes, die
der Mitarbeiter schildert, durch objek-
tive Facetten ergänzen – wie zum Bei-
spiel die Arbeitsplatzbeschreibung, die
Ergebnisse der Sicherheitsbegehung
und die Sichtung des Arbeitsplatzes.
Eine mögliche Diskrepanz zwischen
subjektiven und objektiven Anforderun-
gen und Kompetenzen sollte der BEM-
Verantwortliche thematisieren.
Neben dem Arbeitsplatz sollte der
BEM-Verantwortliche aber auch das pri-
vate Umfeld des Mitarbeiters und des-
sen Stresslevel erfassen. Denn nicht nur
bei Erkrankungen der Psyche, sondern
auch bei den häufigsten Muskel-Skelett-,
Herz-Kreislauf- und Atemwegserkran-
kungen spielen psychosoziale Faktoren
eine Rolle. In manchen Fällen sind diese
Faktoren sogar ausschlaggebend dafür,
dass die Arbeitsfähigkeit des Mitarbei-
ters akut gefährdet ist. Hier kann auch
der Kontakt zu Beratungsdiensten oder
Selbsthilfegruppen helfen.
Wichtig in dieser Phase ist es, dass
dem Mitarbeiter bewusst ist, dass er der
Probleminhaber ist, denn nur so enga-
giert er sich wirklich für eine Lösung.
Phase 3: Problemlösung
Es hat sich bewährt, erst nach einer sys-
tematischen Erfassung des Problems an
die Lösung zu gehen. Wenn es mehr als
ein Problem gibt, gilt es eine Reihenfol-
ge aufzustellen. Dabei empfiehlt es sich,
bei lösbaren Schwierigkeiten zu begin-
nen. Dies schafft ein Erfolgserlebnis am
Anfang des Prozesses, das Optimismus
für dessen weiteren Verlauf weckt.
Der BEM-Beauftragte sollte dem Mit-
arbeiter helfen, möglichst viele eigene
Lösungen zu finden, aus denen dieser
eine auswählt. Dabei bietet sich die Refe-
renzmethode an. Ein Satz wie „Ein Kollege
von Ihnen war einmal in einer ähnlichen
Situation und da hat er folgende Lösung
umgesetzt“ ermöglicht Modelllernen und
macht eventuell schambesetzte Lösungen,
wie eine Psychotherapie, gangbar.
Auch hier ist es wichtig, dass der Mit-
arbeiter eine aktive Rolle übernimmt,
zum einen, um Zielbindung und Enga-
gement für den Erfolg der Lösungen zu
erhöhen, zum anderen, um ihn aus der
Krankenrolle herauszuführen und sein
Gefühl der Selbstwirksamkeit zu stär-
ken. Letzteres ist, das zeigt die Saluto-
genese-Forschung, auch für die weitere
Entwicklung der Gesundheit wichtig.
Phase 4: Abschluss
In der letzten Gesprächsphase werden
die besprochenen Aspekte noch einmal
zusammengefasst und klar benannt, wer
welches Arbeitspaket hat. Diese Pakete
sollten mit einem eindeutigen, zeitnahen
Termin versehen werden. Auch der Effekt
der sich selbst erfüllenden Prophezeiung
kann bei BEM-Gesprächen genutzt wer-
den: Der BEM-Verantwortliche sollte sei-
nen Optimismus zum Ausdruck bringen,
um die Chancen für ein erfolgreiches
BEM weiter zu verbessern. Um den Erfolg
zu erfassen, wird ein Folgetermin verein-
bart, bei dem offene Punkte und neue As-
pekte besprochen werden können.
Ausblick: Wider das „Betriebliche
Entsorgungsmanagement“
Schlecht geführte Gespräche und der
Missbrauch des BEM als „Betriebliches
Entsorgungsmanagement“, mit dem
krankheitsbedingte Kündigungen vor-
bereitet werden, haben dazu geführt,
dass Mitarbeiter dem Konzept skeptisch
gegenüber stehen. Die hier aufgezeigte
Gesprächsführung wirkt dem entgegen.
„Der Mitarbeiter ist Herr des Verfah-
rens“ ist dabei keine juristische Formel,
sondern eine grundsätzliche Haltung.
Wie im sonstigen Leben ist auch hier ein
„Herr“ auf gute Berater angewiesen.
© ENDOPACK / THINKSTOCKPHOTOS.DE
DR. FRANK STÖPEL
ist Be-
rater, Trainer und Coach mit
den Schwerpunkten Führung
und Gesundheit.
Die Aufgabe des Arbeitgebers beim Betrieblichen Eingliederungsmanagement ist in
Paragraph 84 des Sozialgesetzbuchs IX geregelt.
„Arbeitsplatz erhalten“
DAS SAGT DAS GESETZ
„Sind Beschäftigte innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder
wiederholt arbeitsunfähig, klärt der Arbeitgeber mit der zuständigen Interessenvertretung
im Sinne des § 93, bei schwerbehinderten Menschen außerdem mit der Schwerbehin-
dertenvertretung, mit Zustimmung und Beteiligung der betroffenen Person die Mög-
lichkeiten, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen
Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz
erhalten werden kann . . . Die betroffene Person oder ihr gesetzlicher Vertreter ist zuvor
auf die Ziele des betrieblichen Eingliederungsmanagements sowie auf Art und Umfang
der hierfür erhobenen und verwendeten Daten hinzuweisen.“
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