personalmagazin 11/2015 - page 80

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RECHT
_FORMVORSCHRIFTEN
personalmagazin 11/15
M
an kann sich ja über alles
streiten, aber diese Kündi-
gung ist absolut bedenken-
los: Mit dieser Bemerkung
sah Walter B., Personalsachbearbeiter
eines mittelständischen Metallunter-
nehmens der Kündigungsschutzklage
eines Mitarbeiters gelassen entgegen.
Die Kündigung erfolgte eine Woche be-
vor eine klar vereinbarte sechsmonatige
Probezeit abgelaufen war. Das war dann
auch die einzige Erklärung, die Walter
B. dem Gericht zur Vorbereitung auf
den Gütetermin gab. Als sich die Par-
teien fünf Wochen später vor dem Ar-
beitsgericht trafen, fühlte sich Walter B.
zunächst bestätigt, als der Richter die
Verhandlung mit den Worten eröffnete:
„Gegen die Kündigung wird man wohl
nichts einwenden können. Das Kündi-
gungsschutzgesetz kommt noch nicht
zur Anwendung und sonstige allgemei-
ne Gründe, die zu einer Unwirksamkeit
führen könnten, sind nicht ersichtlich.“
„Da ist aber noch eine Kleinigkeit“, mel-
dete sich der Anwalt des Mitarbeiters mit
gespieltem Understatement zu Wort. „Wir
bestreiten den Zugang der Kündigung.“
Aufgeregt erwiderte Walter B.: „Das ist
doch wohl nicht Ihr Ernst. Sie werden
nicht sagen wollen, dass Sie Klage gegen
eine Kündigung eingelegt haben und jetzt
behaupten, es habe gar keine gegeben.“ –
„Ok, dann noch mal,“ korrigiert sich der
Anwalt. „Wir bestreiten den ordnungs-
gemäßen Zugang der Kündigung. Mein
Mandant hat erst von seiner angeblichen
Kündigung erfahren, als er von seinem
Von
Thomas Muschiol
Vorgesetzten darauf angesprochen wur-
de.“ – „Ja wenn das so ist“, schaltete sich
der Richter mit Blick auf Walter B. ein.
„Bevor wir uns über den Inhalt der Kün-
digung unterhalten, sollten Sie erstmal
vortragen, wann die Kündigung zugegan-
gen ist. Und“, so fährt der Arbeitsrich-
ter fort, „da der Zugang bestritten wird,
sollten Sie am besten gleich sagen, wie
Sie Ihren Vortrag beweisen möchten.“
Formfehler führt zu Unwirksamkeit
Eine solche Situation ist keinesfalls sel-
ten. Bevor man über die Frage debattiert,
ob eine Kündigung zu Recht erfolgt ist,
wird mitunter heftig darüber gestritten,
ob die formalen Voraussetzungen einer
Kündigung überhaupt erfüllt sind. Der
für die Praxis wohl wichtigste Aspekt
ist dabei der Streit um den Zugang der
Kündigung. Dabei kann sowohl bestrit-
ten werden, dass überhaupt eine Kündi-
gung zugegangen ist, als auch nur der
Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung.
Der Grund, warum der Streit um den
Kündigungszugang für Arbeitgeber ein
hohes Risiko darstellt, liegt in der so-
genannten Beweislastverteilung eines
arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutz-
prozesses. Während beim Streit um die
inhaltliche Berechtigung einer Kündigung
mitunter der Arbeitnehmer zu bestimm-
ten Voraussetzungen etwas vortragen
oder im Einzelfall auch einen Beweis da-
für erbringen muss, reicht beim Streit um
den Zugang ein schlichtes Bestreiten aus,
um den Arbeitgeber dazu zu zwingen, den
Zugangsvorgang zu beweisen.
Posteingang muss bewiesen werden
Wann aber ist eine Kündigung rechtlich
als zugegangen zu werten? Wird diese
einem Mitarbeiter persönlich ausgehän-
digt und kann dies im Bestreitensfall,
beispielsweise durch eine Empfangs-
quittung oder einen Zeugen, bewiesen
werden, so liegen problemlose Fälle vor.
Risikoreich sind dagegen die Fälle, in
denen eine Zustellung gegenüber Ab-
wesenden streitig ist. Hier wenden die
Gerichte folgende Zugangsdefinition an:
„Eine Kündigung ist dann zugegangen,
wenn sie derart in den Machtbereich des
Empfängers gelangt ist, dass dieser nach
dem gewöhnlichen Lauf der Dinge von
ihr Kenntnis nehmen kann.“
Mit anderen Worten: Nicht bewie-
sen werden muss, dass der Mitarbeiter
Kenntnis vom Kündigungsschreiben ge-
nommen hat, sondern nur, ob er die Mög-
lichkeit zur Kenntnisnahme gehabthat.
Für den gerichtlichen Streit um den Zu-
gang hat der Arbeitgeber daher zunächst
zu beweisen, dass er die Kündigung in
den „Machtbereich“ des Arbeitnehmers
verbracht hat. Geführt werden kann
dieser Beweis beispielsweise durch po-
stalische Zustellungsnachweise – wobei
darauf zu achten ist, dass ein klassisches
Der Streit um den Zugang
ÜBERBLICK.
Ein Problem, an dem viele Kündigungen im Rechtsstreit scheitern, ist der
mangelnde Beweis dafür, dass das Kündigungsschreiben zugegangen ist.
Praxistipps
zum sicheren Zugang der Kün-
digung (HI568519)
Den Beitrag mit den Praxistipps finden Sie im
Haufe Personal Office (HPO). Internetzugriff:
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