personalmagazin 11/2015 - page 76

76
RECHT
_KÜNDIGUNG
personalmagazin 11/15
L
ässt ein Arbeitnehmer sich
nachweislich Verfehlungen zu
Schulden kommen, so kann der
Arbeitgeber – je nach den Ge-
samtumständen – zum Ausspruch einer
Kündigung berechtigt sein (sogenannte
Tatkündigung). In der Praxis ist jedoch
beiWeitemnicht jeder Sachverhalt derart
klar. Nicht selten sehen sich Arbeitgeber
mit der mangelnden Beweisbarkeit des
vorgeworfenen Verhaltens konfrontiert.
Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesarbeitsgerichtes (BAG) ist da-
her – unter strengen Voraussetzungen
– bereits der bloße Tatverdacht als Kün-
digungsgrund ausreichend (vergleiche
nur BAG, Urteil vom 28.11.2007, 5 AZR
952/06). In diesen Fällen spricht man
von einer Verdachtskündigung.
Wichtig: Klar unterscheiden zwischen
Tat- und Verdachtskündigung
Die Tat- und die Verdachtskündigung
stellen zwei unterschiedliche und eigen-
ständige Kündigungsgründe dar: Anders
als bei der Tatkündigung steht bei einer
Verdachtskündigung gerade nicht fest,
ob sich der Arbeitnehmer tatsächlich
einer Pflichtverletzung oder gar Straftat
schuldig gemacht hat. Die Kündigung
wird vielmehr auf den bloßen Verdacht
einer erheblichen Arbeitspflichtverlet-
zung oder Straftat des Arbeitnehmers
gestützt, welcher für sich genommen
das Vertrauen in die Redlichkeit des Ar-
beitnehmers derart erschüttert hat, dass
eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnis-
ses unzumutbar erscheint. Der Arbeit-
Von
Andrea Panzer-Heemeier
und
Eva Trost
geber muss sich bereits aufgrund des
Verdachts einer Straftat oder schweren
Pflichtverletzung zur Weiterbeschäfti-
gung außerstande sehen.
Welche Alternative vorliegt, entscheidet
sich grundsätzlich nach den vom Arbeit-
geber vorgebrachten Tatsachen zur Kün-
digungsbegründung. Die Bezeichnung
der Kündigung stellt dabei regelmäßig
nur ein Indiz im Rahmen einer Gesamt-
betrachtung dar.
Eine Einordnung der Verdachtskündi-
gung anhand der Kriterien des § 1 Abs. 2
Kündigungsschutzgesetz (KSchG) als
personen- oder verhaltensbedingte Kün-
digung ist nicht ganz unproblematisch.
Grundsätzlich gilt bei verhaltensbe-
dingtenKündigungen, dass dieKündigung
immer das letzte Mittel (ultima ratio) sein
muss und somit eine Abmahnung vor-
rangig ist. Die Abmahnung soll dem Ar-
beitnehmer sein Fehlverhalten aufzeigen
und zukünftig für ein ordnungsgemäßes
Verhalten sorgen. Eine personenbedingte
Kündigung bedarf dagegen in der Regel
keiner vorherigen Abmahnung, da einmal
zerstörtes Vertrauen des Arbeitgebers in
den Arbeitnehmer nicht durch eine Ab-
mahnung wiederhergestellt werden kann.
Vor jeder Verdachtskündigung Erfor­
derlichkeit einer Abmahnung prüfen
Während die Tatkündigung in der Regel
als verhaltensbedingte Kündigung ein-
zuordnen ist, hat das BAG die Frage der
Einordnung einer Verdachtskündigung
bisher noch nicht abschließend entschie-
den. In der juristischen Literatur wird
die Frage der Einordnung der Verdachts-
kündigung in die Systematik der Kün-
digungsgründe des Kündigungsschutz-
gesetzes kontrovers diskutiert. Damit
sollte vor Ausspruch der Verdachtskün-
digung stets im Einzelfall geprüft wer-
den, ob der von dem Arbeitgeber ange-
Bei Verdacht richtig kündigen
ÜBERBLICK.
Ist ein Arbeitnehmer einer Pflichtverletzung oder gar Straftat verdächtig,
kann dies eine Kündigung rechtfertigen. Doch gelten sehr strenge Voraussetzungen.
1...,66,67,68,69,70,71,72,73,74,75 77,78,79,80,81,82,83,84,85,86,...92
Powered by FlippingBook