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MANAGEMENT
_WISSENSCHAFTSTRANSFER
personalmagazin 11/15
U
nlängst hat eine Studie des
McKinsey Global Institute
nach drei Dekaden perma-
nent steigender Profite das
Schrumpfen von Unternehmensgewinnen
angekündigt. Der Trend zum permanen-
ten Mehr sei gebrochen. Künftig könnten
nur noch Top-Unternehmen ihren Profit
steigern. Und was macht diese besten Un-
ternehmen aus? Neben wenigen weiteren
Faktoren natürlich die Innovation.
Nicht von ungefähr besetzt der „Ma-
nagement Thinker Number One in the
World“, Harvard-Professor Clayton
Christensen, dieses Thema. Seine nicht
mehr taufrische Kernbotschaft aus dem
Jahr 1997 dreht sich um disruptive In-
novation, bei der sich anfängliche Ni-
schenprodukte ihren Weg vorbei an den
Platzhirschen bahnen. Seither beunru-
higen die Schockwellen des disruptiven
Wandels selbst gelassene Gemüter an
der Unternehmensspitze. Eigentlich je-
den Tag können Innovatoren wie Apple
Von
Martin Claßen
und
Christian Gärtner
Fährtensuche im Herbstnebel
SERIE.
Wie finden Unternehmen den Weg zur Innovation? Eine Metastudie aus den
USA macht hier wenig Hoffnung: Über die Theorie werden sie sich kaum annähern.
Zu oft hakt es immer noch am Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Praxis.
Darum stellen der Berater Martin Claßen und der Wissenschaftler Christian Gärtner in
den folgenden Ausgaben des Personalmagazins betriebswirtschaftliche Studien aus den
USA mit ihren Kernergebnissen vor und ziehen Schlussfolgerungen für das deutsche
Personalmanagement. In diesem Serienteil geht es um die Studie „Innovation and
Creativity in Organizations: A State-of-the-Science Review, Prospective Commentary,
and Guiding Framework“ von Neil Anderson, Kristina Potocnik, Jing Zhou. Sie ist 2014 in
„Journal of Management, 40/5“ erschienen.
(end)
SERIE
oder Google in den Märkten auftauchen
und alles Bestehende aus dem Weg räu-
men. Besonders hierzulande ist man
nervös, belegt doch Deutschland im
jüngsten Innovationsindex des World
Economic Forum nur den zwölften Rang.
Die Frage bleibt: Wie können Unter-
nehmen innovativ werden? Antworten
darauf suchten die Autoren eines in-
terdisziplinären Forschungsartikels in
Hunderten von (Meta-) Studien rund um
Innovationsmanagement aus dem Zeit-
raum 2002 bis 2013. Ambitioniertes Ziel
ist ein ganzheitlicher Erklärungsansatz
zur Erzielung von Wettbewerbsvorteilen,
für den sie zwischen Kreativität (Ideen-
Generierung) und Innovation (Ideen-
Implementierung) unterscheiden. Dazu
stellen die Autoren zunächst sechs gän-
gige Theorieschulen vor, bevor sie sich
der Auswertung einer stark gewachsenen
Anzahl empirischer Studien widmen.
Was man sich merken sollte
Kreativität und Innovation spielen sich
auf vier Ebenen ab, dem Individuum
(Mikroebene), seiner Zugehörigkeit zu
Teams (Mesoebene), dem organisatori-
schen System (Makroebene) sowie der
Kontextebene. Aus Theorie und Praxis
liegen jeweils zahlreiche Erklärungsan-
sätze vor. Dabei zeigt sich, dass dieses
Forschungsfeld selbst höchst kreativ
und innovativ ist. Ohne nun diese An-
sätze weiter zu vertiefen, muss das
resignative Fazit der Autoren betont
werden: „komplexe Muster“, „spärliche
Belege“, „paradoxe Ergebnisse“. Es sei
eine weitere Vertiefung erforderlich, die
verstärkt den systemischen und kultu-
rellen Kontext in den Blick nimmt. Als
Fazit diagnostizieren sie einen „Dschun-
gel inkonsistenter Ergebnisse“. Ver-
gleichsweise valide Erkenntnisse liegen
zu folgenden Aspekten vor:
• Individuelle Lernorientierung fördert
Kreativität.
• Intuitives – im Gegensatz zu systema-
tischem – Denken fördert Kreativität.
• Teamklima ist wichtiger als Teamzu-
sammensetzung.
• Team-Diversität vermindert Innovation.
• Aktives HR-Management verstärkt or-
ganisatorische Innovationsfähigkeit.
• Große Unternehmen sind innovativer
als kleine.
Gerne hätten wir eine zusammenfassen-
de Auflistung kreativitäts- und innovati-
onsfördernder Faustregeln vorgelegt, an
der sich Unternehmensführung und HR-
Management ausrichten könnten, um die
Firma zukunftssicher zu machen. Diese
gibt es aber so nicht. Der Glaube an sim-
ple Erklärungsmuster zur Steigerung der
Innovationsfähigkeit sinkt nach Lektüre
dieses Artikels gegen Null. Aber genau