personalmagazin 11/2015 - page 45

45
11/15 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Auch aus der Warte eines langjährigen
Unternehmensberaters lassen sich An-
zeichen für die Sinnkrise der Führungs-
kräfte ausmachen: So geben junge High
Potentials in der Software-Branche un-
umwunden zu, dass sie wenig Interesse
an klassischen Managementpositionen
haben. Der Spagat zwischen Mitarbei-
tern und Unternehmensleitung scheint
den gefragten Experten wenig attraktiv.
Ausblick: Neue Organisationsformen
Die Software-Branche reagiert mit neuen
Organisationsstrukturen – etwa Scrum –,
die Führungs- und Ergebnisverantwor-
tung nicht primär Einzelnen übertragen,
sondern auf mehrere Schultern verteilen.
So trägt in den Entwicklerteams oft ein
sogenannter Product Owner die Verant-
wortung für die Realisierung der Kun-
denwünsche. Hinzu kommt ein Team-
Moderator, der dafür sorgt, dass Regeln
für die Zusammenarbeit eingehalten
und Konflikte frühzeitig gelöst werden.
Ebenso werden Führungspositionen in
modernen Organisationen zunehmend
projektweise und auf Zeit vergeben. Das
bedeutet: Immer mehr Mitarbeiter wis-
sen aus eigener Erfahrung um die Anfor-
derungen an eine Führungskraft und die
Führungskräfte kennen wiederum die
Arbeit des normalen Teammitglieds - das
gegenseitige Verständnis wächst.
Obwohl derartige Maßnahmen die be-
schriebenen Probleme lösen können und
gleichzeitig Antwort auf die gestiegene
Komplexität in Unternehmen sind, wird
es nicht allen Führungskräften leicht fal-
len, hierarchisch organisierte Weisungs-
befugnisse abzugeben. Zu raten ist ihnen,
die neuen Strukturen als zukunftswei-
send und entlastend zu betrachten und
nicht etwa als Bedrohung. Die Unterneh-
men sollten sie dabei unterstützen, sich
an die neue Rolle zu gewöhnen.
DR. MICHAEL FALLER
ist
Geschäftsführer der Baumann
Unternehmensberatung
Executive Search.
Gerade Manager in mittleren Positionen sind vielfach unzufrieden mit ihrem Job. Dies
kann sich negativ auf Motivation, Effizienz und das innerbetriebliche Arbeitsklima
auswirken. Um dem vorzubeugen, haben wir einige Lösungsansätze versammelt.
Neue Organisationsstrukturen einführen: Großen Druck von den mittleren Führungs-
kräften nehmen moderne Organisationsstrukturen, in denen die Führungsverantwortung
stärker verteilt und mehr Verantwortung in die Teams hineingegeben wird. Auf diese
Weise sieht sich der Manager nicht länger allein in der Pflicht.
Für mehr Transparenz sorgen: Werden die Projektteams offen und direkt an wirtschaft-
lichen Kennzahlen gemessen, können die Mitarbeiter den Druck besser nachvollziehen.
Sie empfinden ihn nicht länger als Willkür der Führungskraft. Wichtige Voraussetzung
hierfür ist ein transparenter Umgang mit den Firmenfinanzen.
Mehr Mitspracherecht einräumen: Was für die Teammitarbeiter gilt, gilt auch für die
Manager: Auch sie sollten in wichtige Entscheidungen einbezogen werden. Das steigert
ihre Zufriedenheit und verbessert zugleich die Zukunftsfähigkeit der Firma.
Handlungsspielräume vergrößern: Je enger der Handlungsrahmen, desto weniger
Potenzial für neue Ideen und kreative Lösungen. Wichtig daher: Den Managern mehr
Spielraum geben, was die Arbeitsorganisation ebenso wie die Arbeitsinhalte angeht.
Neue Rollenbilder stärken: Neue Organisationsstrukturen erfordern ein neues Rollen-
verständnis der Führungskräfte. Sie sind nicht länger als Anführer, sondern als Wissens-
vermittler, Moderator und Ermöglicher gefragt. Diese Rolle gilt es zu reflektieren und
einzuüben, damit sie als Erleichterung und nicht als Bedrohung erlebt wird.
Mehr Wertschätzung zeigen: Anerkennung motiviert. Es gilt daher, die Mittelmanager
bewusst höher zu schätzen – auch von Seiten der Personalabteilung. Ihre Leistung für
das Unternehmen muss anerkannt und für die Belegschaft sichtbar werden.
Trainingsmaßnahmen 40 plus anbieten: Wie kann ein erfolgreicher Mittelmanager auf
lange Sicht motiviert werden? Hier haben sich unter anderem sogenannte Development
Center bewährt, in denen die Kompetenzen und Erwartungen der Führungskräfte erfasst
und konkrete Entwicklungspläne erstellt werden. Solche Maßnahmen zeigen den älte-
ren Mitarbeitern: Wir schätzen euch und rechnen noch für lange Zeit mit euch.
Sabbaticals und flexible Arbeitszeiten ermöglichen: Das Arbeitsleben einer Führungs-
kraft im Vollzeitmodus zehrt an den Kräften. Die Belastung ist hoch, der Spielraum für
Privates klein. Um Führungskräfte über 30 Jahre oder länger motiviert und leistungsfä-
hig zu halten, bieten sich gezielte Auszeiten wie Sabbaticals an. Sinnvoll können auch
phasenweise verkürzte Arbeitszeiten sein. Ganz grundlegend wünschen sich Führungs-
kräfte eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung. Das heißt vor allem: Eine Lockerung der
Anwesenheitspflicht im Unternehmen.
Neue Managementkultur
PRAXISTIPP
die spezifischen Belange der erfahrenen
Manager finden sich nur selten.
Die schwierige Situation und die
stiefmütterliche Behandlung der Mit-
telmanager führen dazu, dass ein Hie-
rarchieaufstieg wenig erstrebenswert
erscheint. Die Prioritäten verschieben
sich auf die persönliche Entwicklung
sowie die Erweiterung der Handlungs-
spielräume: Während in der Studie der
Baumann Unternehmensberatung je-
weils etwa die Hälfte der Befragten die
Steigerung ihrer fachlichen Kompetenz
sehr wichtig finden und großen Wert auf
mehr Entscheidungs- und Handlungs-
freiheit legen, bleiben die Werte für das
Streben nach mehr Mitarbeiterverant-
wortung (39 Prozent) sowie beim Willen
zum Aufstieg in der Hierarchie (36 Pro-
zent) deutlich dahinter zurück.
1...,35,36,37,38,39,40,41,42,43,44 46,47,48,49,50,51,52,53,54,55,...92
Powered by FlippingBook