personalmagazin 11/2015 - page 41

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Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
Zu jeder Frage existiert zudem ein Be-
wertungsraster, mit dem die Antworten
im Hinblick auf die zu untersuchenden
Kompetenzen eingeschätzt werden.
Hoch strukturierte Interviews gewähr-
leisten ein Maximum an Vergleichbar-
keit zwischen den Bewerbern und las-
sen wenig Platz für Einflüsse von Seiten
des Interviewers. Nach der Metaanalyse
von Allen I. Huffcutt and Winfred Arthur
von 1994 ist die prognostische Validität
– also die Möglichkeit, mithilfe des In-
terviews den beruflichen Erfolg zu pro-
gnostizieren – bei hoch strukturierten
Verfahren um ein Vielfaches höher als
bei unstrukturierten.
Die Position der Forschung ist eindeu-
tig. Unstrukturierte Interviews haben
sich schon lange überlebt und sollten
durch hoch strukturierte Verfahren
ersetzt werden. Befragungen wie von
Professor Heinz Schuler und Mitarbei-
tern von 2007 zeigen, dass die meisten
Unternehmen von sich sagen, dass sie
strukturierte Interviews einsetzen. Doch
was bedeutet das konkret? Wie hoch ist
der Grad der Strukturierung? In einer
Befragung von Personalern sind mein
Team und ich dieser Frage erstmals dif-
ferenziert nachgegangen.
Studie hinterfragt die Interviewpraxis
Um einen Einblick in die Interview­
praxis der deutschen Unternehmen
gewinnen zu können, haben wir einen
Online-Fragebogen entwickelt. Die Fra-
gen bezogen sich auf die Entwicklung,
Durchführung und Auswertung von Ein-
stellungsinterviews in den Unterneh-
men, bei denen die Befragten beschäf-
tigt waren.
Insgesamt haben 215 Menschen den
Fragebogen vollständig ausgefüllt. Ihr
Durchschnittsalter lag bei 41 Jahren, wo-
bei sie imMittelwert seit zehn Jahren Ein-
stellungsinterviews führten. 60 Prozent
waren Frauen, 40 Prozent Männer. Die
Unternehmen, in denen sie arbeiten, un-
terschieden sich erheblich in ihrer Größe.
Das kleinste Unternehmen bestand aus
acht, das Größte aus 300.000 Mitarbei-
tern (Durchschnitt: 3.212 Mitarbeiter).
Die durchschnittliche Interviewdauer lag
bei rund einer Stunde (58 Minuten).
Anforderungsprofile: selten
Ein Teil der Befragung beschäftigte sich
mit dem Anforderungsprofil als Grund-
lage eines aussagekräftigen Einstel-
lungsinterviews. Hier sind zunächst die
Kriterien festzulegen, nach denen die
Auswahlentscheidung getroffen wer-
den soll. Liegt keine klare und stellen-
spezifische Definition der gewünschten
Kompetenzen vor, so kann auch keine
gezielte Stellenbesetzung erfolgen. Die
Forschung empfiehlt eine Anforderungs-
analyse, bei der mehrere Menschen, die
den fraglichen Arbeitsplatz aus verschie-
denen Perspektiven gut einschätzen
können, befragt werden. Geht es zum
Beispiel um die Besetzung einer Füh-
rungsposition, würde man nicht nur den
Vorgesetzten, sondern auch einen Stel-
leninhaber, einen Kollegen, einen unter-
stellten Mitarbeiter und gegebenenfalls
einen wichtigen Kunden befragen. Die
Personen sollten dabei nicht einfach nur
Kompetenzen auflisten, sondern die Ar-
beitsaufgaben sowie das Verhalten, das
zur Lösung dieser Aufgaben notwendig
ist, beschreiben. Erst im Zuge der Aus-
wertung der Gespräche ergeben sich die
relevanten Kompetenzdimensionen, die
im Interview untersucht werden müssen.
Im Ergebnis resultiert ein Anforderungs-
profil, das aufzeigt, wie stark die einzel-
nen Kompetenzen mindestens ausge-
prägt sein müssen, damit ein Bewerber
als geeignet eingestuft werden kann.
Soweit der Anspruch, doch wie sieht
es in der Praxis aus? In 86 Prozent der
Fälle legt eine einzige Person die Krite-
rien fest, und zwar ist dies in der Regel
der Fachvorgesetzte. Die Subjektivi-
tät des Einzelnen sowie das Problem,
dass die Perspektive des Vorgesetzten
zwangsläufig einen eingeschränkten
Blickwinkel auf die Anforderungen mit
sich bringt, werden dabei übersehen
oder ignoriert. Ein explizites Anforde-
rungsprofil ist keineswegs die Regel,
sondern die Ausnahme: Nur 29 Prozent
ADD-ON
In der Personalmagazin-App finden Sie
weitere Ergebnisse der Studie in grafi-
scher Aufbereitung.
Interviewleitfaden
Einen Interviewleitfaden gibt es zwar recht häufig in den Unternehmen – 60 Prozent der
Befragten geben dies an. Allerdings ist ihr Strukturierungsgrad recht gering.
GESTALTUNG DER INTERVIEWLEITFÄDEN
Angaben in Prozent
60
Themenliste – freie Auswahl
22
Themenliste – verbindlich
19
Fragenliste – freie Auswahl
20
Fragenliste – verbindlich
11
Mehrere Fragen pro Kompetenz
15
Vergabe von Punkten pro Frage
5
Definition der Punktwerte
4
1...,31,32,33,34,35,36,37,38,39,40 42,43,44,45,46,47,48,49,50,51,...92
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