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personalmagazin 11/15
MANAGEMENT
_EINSTELLUNGSINTERVIEWS
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
der Befragten geben an, dass in ihrem
Unternehmen explizite Anforderungs-
profile existieren.
Aber selbst wenn Anforderungsprofile
vorliegen, bedeutet dies nicht, dass die
Interviewer sich später auch daran ori-
entieren müssen. In lediglich fünf Pro-
zent der Fälle definiert ausschließlich
das Anforderungsprofil die Auswahlkri-
terien. Viel üblicher ist, dass das Profil
bestenfalls einige wenige Kriterien defi-
niert, letztlich aber die globale Einschät-
zung des Interviewers entscheidend ist
(62 Prozent der Fälle).
Interviewleitfaden: Oft unstrukturiert
Auf der Grundlage der Anforderungs-
analyse sollte ein Interviewleitfaden
entwickelt werden, der verbindlich fest-
legt, welche Fragen den Bewerbern zu
stellen sind. Nur wenn die Interviewer
allen Bewerbern die gleichen Fragen
stellen, lassen diese sich später auch
untereinander vergleichen. Jede der zu
untersuchenden Kompetenzen muss zu-
dem mit mehreren Fragen erfasst wer-
den. Das reduziert Messfehler. Erfasst
man beispielsweise die Teamfähigkeit
nur mit einer einzigen Frage, so besteht
die Gefahr, dass die tatsächliche Team-
fähigkeit stark über- oder unterschätzt
wird, weil der Bewerber die Frage viel-
leicht unklar ausdrückt oder der Inter-
viewer die Antwort falsch interpretiert.
Je mehr Fragen zur Teamfähigkeit ge-
stellt werden, desto geringer ist die
Wahrscheinlichkeit, dass derartige
Messfehler auftreten.
Ein weiteres wichtiges Kriterium ist
die Vergabe von Punktwerten. Bei hoch
strukturierten Interviews wird bei jeder
Frage nicht nur definiert, welche Kompe-
tenz sie erfassen soll, sondern auch, wie
die Antworten zu bewerten sind, welche
Antwort also zum Beispiel für eine sehr
hoch ausgeprägte Teamfähigkeit (fünf
Punkte) oder eine sehr geringe Teamfä-
higkeit spricht (ein Punkt). Nach jeder
Frage wird die Antwort des Kandidaten
auf der Grundlage der Anforderungsana-
lyse nach diesem System bewertet.
Auch hier zeigt die Befragung, wie dies
in der Praxis gehandhabt wird: In nur
60 Prozent der befragten Unternehmen
werden überhaupt Interviewleitfäden
eingesetzt. Dabei ist der Strukturie-
rungsgrad der Leitfäden sehr gering. 22
Prozent der Befragten geben an, dass le-
diglich eine Liste mit Themen existiert,
aus denen jeder Interviewer selbst aus-
wählen kann, welche er ansprechen
möchte. Es ist daher nicht gewährleistet,
dass er bei ein und derselben Stelle in
allen Interviews dieselben Themen an-
spricht. Dies ist nur bei 19 Prozent der
Fälle gegeben. Konkrete Fragen existie-
ren lediglich in 20 Prozent der Unterneh-
men, wobei auch hier der Interviewer
jeweils entscheidet, welche Frage er in
einem konkreten Interview einsetzen
möchte. In gerade einmal elf Prozent
der Unternehmen wird der Interviewer
angehalten, jedem Bewerber dieselben
Fragen zu stellen. In nur 15 Prozent der
Fälle wird darauf geachtet, dass sich et-
waige Messfehler ausgleichen können,
indem zu jeder Kompetenz mehrere
Fragen gestellt werden. Die Bewertung
der einzelnen Antworten mithilfe eines
Punktesystems ist eine schon fast exo-
tisch zu nennende Praxis: Nur fünf Pro-
zent der Unternehmen sehen dies vor,
wobei in gerade einmal vier Prozent der
Unternehmen diese Punktwerte auch
verbindlich definiert sind.
Entscheidungsprozess: spontan
Nach dem Einstellungsinterview fällt die
Auswahlentscheidung. Die Forschung
empfiehlt hierbei einen stark regelge-
leiteten Ansatz: Zu jeder Kompetenz
werden die Punktwerte der passenden
Fragen gesammelt und der Mittelwert
berechnet oder durch Diskussion der
Entscheidungsträger ein Endergebnis
pro Kompetenz festgelegt. Anschließend
erfolgt ein Vergleich zwischen dem Er-
gebnisprofil des Bewerbers und dem
Anforderungsprofil der Stelle. Erfüllt
der Kandidat alle Mindestanforderun-
gen, gilt er als prinzipiell geeignet. Erst
Gute, hoch strukturierte Einstellungsinterviews sind nicht schwer zu realisieren, man
muss sich nur Zeit für deren Entwicklung nehmen. Die etwas höheren Kosten amorti-
sieren sich durch bessere Entscheidungen. Folgende Punkte sind zu beachten:
•
Führen Sie eine Anforderungsanalyse durch. Befragen Sie hierzu mehrere Personen,
die aus unterschiedlicher Perspektive (Vorgesetzter, Stelleninhaber, Kollege, Mitarbei-
ter, Kunde) den fraglichen Arbeitsplatz gut einschätzen können.
•
Definieren Sie auf der Grundlage der Anforderungsanalyse ein Anforderungsprofil, aus
dem hervorgeht, wie stark die verschiedenen Kompetenzen ausgeprägt sein müssen,
damit ein Bewerber als geeignet angesehen werden kann.
•
Entwickeln Sie einen Interviewleitfaden, in dem jede Kompetenzdimension mit
mehreren Fragen abgedeckt wird. Achten Sie darauf, dass der Interviewleitfaden auch
verbindlich in jedem Interview zur Besetzung der Stelle Verwendung findet.
•
Definieren Sie für jede Frage ein Punktesystem, aus dem hervorgeht, bei welchen
Antworten wie viele Punkte zu vergeben sind.
•
Nehmen Sie die Bewertung der Antworten durch mindestens zwei Personen (zum
Beispiel Interviewer und Beisitzer) vor, und zwar unabhängig voneinander.
•
Erstellen Sie nach dem Interview ein Kompetenzprofil des Bewerbers, das mit dem
Anforderungsprofil verglichen wird. Nur diejenigen Bewerber, die alle Mindestanfor-
derungen erfüllt haben, werden untereinander verglichen.
Empfehlungen für die Praxis
TIPPS