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11/15 personalmagazin
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
ein Bindungsprogramm während der
Erwerbsunterbrechung. Auch Online-
und
Offline-Schulungsmöglichkeiten
werden während der Erwerbsunterbre-
chung selten bereit gestellt, sodass vie-
le Frauen bei ihrem Wiedereintritt fast
eine neue Organisation vorfinden. Dies
erschwert es, die Fach- oder Führungs
karriere unterbrechungsfrei fortzuset-
zen. Wichtig ist auch, dass es konkrete
Pläne und Vereinbarungen gibt, wie
man die Frauen nach der Erwerbsun-
terbrechung schnell wieder ins Berufs
leben eingliedert. Es darf nicht passie-
ren, dass der berufliche Wiedereinstieg
zum Karriereabbruch führt – so wie es
heute insbesondere viele akademische
Frauen erleben müssen.
Die Workshops zu Logib-D haben ge-
zeigt, dass viele gut ausgebildete Frauen
(insbesondere nach einer Erwerbsun-
terbrechung) auf niedrigerwertige und
schlechter bezahlte Jobs ausweichen
mussten, da es für gut ausgebildete
Frauen zu wenige Teilzeit-Spezialisten-
stellen gibt. Das muss nicht sein. Gera-
de der HR-Bereich ist ein Musterbeispiel
dafür, wie man Know-how durch den
Einsatz von Teilzeitfrauen binden kann.
Oft ist eine Teilzeitbeschäftigung besser
geeignet, Know-how zu binden (und da-
zu noch kostengünstiger) als eine neue
Vollzeitkraft einzustellen.
Leistungsmanagement:
Feedbacksysteme überprüfen
Die Erfahrungen von Baumgartner &
Partner und zum Teil auch die Logib-D-
Beobachtungen haben gezeigt, dass Frau-
en in Feedbacksystemen oft schlechter
abschneiden als Männer. Ob dies in der
unterschiedlichen Entgeltfokussierung
begründet ist oder in der unterschiedli-
chen Rollenwahrnehmung, mag von Un-
ternehmen zu Unternehmen unterschied-
lich sein. Wenn aber Frauen schlechter
im Feedback und in der Potenzialbemes-
sung abschneiden, werden sie auch weni-
ger an der Karriere teilnehmen können.
Die Feedbacksysteme sollten deshalb auf
jeden Fall im Hinblick auf das Gender-
Thema überprüft werden. Denn oft sind
dort Rollenbilder hinterlegt, die eindeutig
männlich belegt sind. Veränderungen im
Bereich Leistungsmanagement wirken
somit auch auf die Bereiche Unterneh-
menskultur und Karrieremanagement.
Anforderungsmanagement:
Eingruppierung überprüfen
Immer wieder lässt sich feststellen, dass
Stellen, die mehrheitlich von Frauen be-
setzt werden, schlechter eingruppiert
werden als Stellen, die mehrheitlich von
Männern besetzt werden, obwohl die Ein-
gruppierung eigentlich stellenbezogen
und nicht personen- oder geschlechter-
bezogen erfolgen sollte. Nur wenige Un-
ternehmen analysieren dies regelmäßig.
Schieflagen zwischen den Geschlech-
tern sind meist nicht in den dahinter
liegenden
Eingruppierungsverfahren
begründet, denn die meisten anerkann-
ten analytischen Bewertungsverfahren
sind diskriminierungsfrei. Deshalb führt
nach Ansicht von Baumgartner & Partner
die Diskussion über diskriminierungs-
freie Verfahren bei der Eingruppierung
in die falsche Richtung. Es geht vielmehr
darum, die Bewertungsverfahren auch
richtig anzuwenden.
Im Rahmen der 200 Logib-D-Analysen
zeigte sich darüber hinaus auch, dass
Männer im Tarifbereich schneller Kar-
riere machen können als Frauen. Und
zwar bevor Frauen an die immer wieder
beschworene „gläserne Decke“ stoßen.
Zum Teil ist die Höhergruppierung von
Männern auch in unterschiedlichen
Rollenbildern begründet: Männer kämp-
fen mehr für Höhergruppierungen als
Frauen und männliche Führungskräf-
te zeigen dafür Akzeptanz –jedenfalls
mehr als bei Frauen.
Vergütungsmanagement:
Entgeltlücke ermitteln und schließen
Die Entgeltlücke ist – schon aufgrund
des Wortes „Lücke“ – ein sogenanntes
„Schuldthema“. Deswegen gehen viele
Unternehmen es nicht aktiv an. Dabei
geht es gar nicht um Schuldzuweisungen,
sondern um die Frage, wie weit es Frauen
gelingt, bei gleicher oder vergleichbarer
Anforderung der Stelle und persönlichen
Leistung auch vergleichbar vergütet zu
werden. HR sollte die Frage nach der
Höhe der Entgeltlücke im eigenen Unter-
nehmen unbedingt beantworten können.
Außerdem sollte HR die Gleichwertigkeit
der Tätigkeiten von Frauen und Män-
nern im Vergleich zu ihren Verdiensten
prüfen. Eine Durchführung eines ana-
lytischen Arbeitsbewertungsverfahrens
schafft Rechtssicherheit, dass Frauen
nicht mittelbar benachteiligt werden.
Zu beachten ist allerdings, dass die Hö-
he der Entgeltlücke keine finale Aussage
über die (gute oder schlechte) Entwick-
lung und Förderung von Frauen in einem
Unternehmen zulässt. Denn dort, wo es
keine Frauen gibt, ist auch die Lücke nicht
existent. Und was hilft es, wenn 100 Män-
nern zehn Frauen gegenüberstehen und
diese dann vergleichbar bezahlt werden?
Außerdem – und dies ist ebenso be-
deutsam – werden zusätzliche Vergü-
tungselemente wie Zulagen oder Boni
oft dort bezahlt, wo der Anteil der Män-
ner sehr hoch ist. Diesbezüglich müssen
unseres Erachtens auch die Tarifpartner
neu nachdenken.
Ohne Reporting keine Veränderung
Auch wenn inzwischen viele Unterneh-
men den Frauenanteil reporten, so ist
dies nur ein erster Schritt. Es muss in
den Unternehmen zur täglichen Praxis
werden, nicht nur den Frauenanteil,
sondern auch die oben genannten As-
pekte konsequent zu reporten. Denn
Führungskräfte werden ihr Verhalten
nur anpassen, wenn sie durch Reports
dazu gebracht werden, wenn es Ziele
und Zielvereinbarungen zum Anteil der
Frauen, zum Anteil Potenzialträger und
zur Vergütung gibt.
DR. FRIEDRICH A. FRATSCH-
NER
ist Geschäftsführender
Partner bei Baumgartner & Part
ner Management Consultants.