personalmagazin 11/2015 - page 30

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TITEL
_FRAUENQUOTE
personalmagazin 11/15
B
eobachtet man die aktuelle
Diskussion zur Frauenquote,
so erkennt man sehr schnell,
dass diese Diskussion von
Männern geprägt wird. Der Tenor: „Gute
Frauen setzen sich auch so durch.“ Doch
so einfach ist es nicht. Denn dass Frau-
en, insbesondere vor dem Hintergrund
der Umfeldsituation (Kinderbetreuung,
Wiedereinstieg) sowie der internen Kar-
rieresituation (Akzeptanz von Frauen in
Führungsfunktionen) Nachteile haben,
zeigt sich offen oder verdeckt leider im-
mer noch in vielen Unternehmen.
Sieht man sich die aktuellen Ergebnisse
der Logib-D-Analyse (Lohngleichheit im
Betrieb) an, die Baumgartner & Partner im
Auftrag des Bundesfamilienministeriums
in den letzten Jahren für 200 Unterneh-
men realisiert hat, dann fallen folgende
Ergebnisse auf: Erstens, in relativ ein-
fachen Stellen ist das Verhältnis von
Frauen und Männern oft fast ausgegli-
chen. Und Frauen werden in einfachen
und damit homogenen (tariflichen)
Stellen im Hinblick auf die Entgelthöhe
nicht wesentlich schlechter gestellt als
Männer. Aber: In den höherwertigen An-
forderungsstufen nimmt der Anteil der
Frauen rasant ab. So sinkt der Anteil der
Frauen von 24 Prozent bei operativen
Führungsstellen auf zehn Prozent bei
hoch qualifizierten Führungsstellen ab.
Mithin sind in diesen höherwertigen
Stellen Frauen fast nicht präsent. Gleich-
zeitig nimmt die Entgeltlücke zu.
Zweitens ist zu erkennen, dass in
Branchen, die sich durch eine relativ
Von
Friedrich Fratschner
niedrige Vergütung „auszeichnen“, der
Frauenanteil relativ hoch ist.
Beide Aspekte zeigen, dass verschie-
dene Einflussfaktoren wirken: Zum ei-
nen die (fehlenden) Möglichkeiten zu
einer Fach- und Führungskarriere für
Frauen, zum anderen die spezifische Be-
rufs- oder Stellenwahl von Frauen, wobei
Letzteres durch Faktoren wie Kinderbe-
treuung et cetera beeinflusst wird.
Demografischer Wandel, Frauenquote
und Entgeltlücke
Das Thema wird aktuell von drei Ent-
wicklungen getrieben: Dem demografi-
schen Wandel und dem einhergehenden
Fachkräftemangel, der gesetzlichen Frau-
enquote sowie der finanziellen Situation
der Frau (Stichwort „Entgeltlücke“).
Der demografischeWandel derArbeits-
welt kann in Zukunft nur erfolgreich be-
wältigt werden, wenn nicht konsequent
ein Geschlecht ausgeblendet wird. Da
sind sich fast alle Spezialisten einig. In
diesem Kontext gehört die Steigerung
des Frauenanteils über alle Ebenen zu
den strategischen und damit zukunfts-
sichernden Aufgaben eines modernen
HR- und Diversity-Managements. Solan-
ge viele Unternehmen aber nur auf den
Stereotyp des „Vollzeit-Mannes“ fokus-
siert sind und entsprechend rekrutie-
ren, wird dieses System nicht nur teuer,
sondern auch unflexibel. Teuer bedeutet
dabei erstens Knappheitspreise in der
Recruiting junger Professionals und
zweitens hohe Gehälter für männliche
Mitarbeiter mit langer Betriebszugehö-
rigkeit (und langer Dynamisierung der
Bezüge). Unter dem Gesichtspunkt „Ko-
sten und Flexibilität“ ist es also ein Muss
für HR, die Ressource „Frau“ stärker in
die Überlegungen zur Nachfolge- und
Karriereplanung einzubeziehen.
Mit der gesetzlichen Frauenquote in
Form der fixen und der Flexi-Quote wurde
ein wichtiger Schritt getan, die Diskus-
sion über den Anteil der Frauen in Vor-
stands- und Geschäftsführungsstellen in
den Mittelpunkt zu stellen. Dies ist – ins-
besondere auch aus den Erfahrungen aus
Logib-D und der weitgehenden Abwesen-
heit von Frauen in der Führungskarriere
–positiv zu bewerten. Auch wenn aktuell
Themen wie die Berechnung der Quote
oder die Abgrenzung der Führungsebe-
nen Probleme bereitet. Denn unabhängig
davon, ob es sich um Vorstandspositi-
onen, sonstige Führungskräftestellen
Die Lohnlücke los werden
UMSETZUNG.
Die Frauenquote wird auch dazu beitragen, den sogenannten „Gender Pay
Gap“ zu schließen. Damit dies gelingt, muss HR viele Handlungsfelder beackern.
Der sogenannte Gender Pay Gap wird
meist „unbereinigt“ und „bereinigt“ an­
gegeben. Was bedeutet das eigentlich?
Die unbereinigte Entgeltlücke von
Frauen liegt aktuell bei circa 20 bis 25
Prozent. Das bedeutet, Frauen verdie­
nen im Durchschnitt 20 bis 25 Prozent
weniger als Männer. Wenn alle erklärba­
ren Kriterien für die Entgeltunterschiede
abgezogen werden, verbleibt eine Lücke
von fünf Prozent. Diese sogenannte be­
reinigte Entgeltlücke lässt sich also nur
auf das Geschlecht zurückführen.
Entgeltlücke
ERKLÄRUNG
1...,20,21,22,23,24,25,26,27,28,29 31,32,33,34,35,36,37,38,39,40,...92
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