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TITEL
_FRAUENQUOTE
personalmagazin 11/15
Bei Fragen wenden Sie sich bitte an
ment“, sagt Lutz. „Wenn man aber den
Status ernsthaft verfolgen will, muss
man wiegen und messen.“
Vergleichbarkeit bleibt Knackpunkt
Da jedes Beratungsunternehmen auf
das Thema Gleichstellung stoßen kann,
werden in unterschiedlichsten Tools
Kennzahlen hin und hergeschoben.
Doch Tools wie der FKi, die Kennzahlen
zum Geschlechterverhältnis erfassen
und messen, und Auditverfahren zum
Arbeitgeberverhalten in Diversity-Fra-
gen sind das eine, die Vergleichbarkeit
der diversen Modelle, die Beratungs-
unternehmen im Portfolio haben, das
andere. Einheitliche Standards gibt es
noch nicht, lediglich die Zielquoten hat
das Teilhabegesetz fixiert.
Vor allem aber leiden alle Tools darun-
ter, dass das Wollen nicht erzwingbar ist,
sondern auf einem Umdenken basiert –
getrieben vom betriebswirtschaftlichen
Ausschöpfen aller Potenziale im Talent-
management. „Die Manager müssen sich
bewusst machen, aus welchen Gründen
sie sich für eine Führungskraft entschei-
den“, betont Yvonne Ziegler, Betriebs-
wirtschaftsprofessorin an der Frankfurt
University of Applied Sciences. „Neben
objektiven Kriterien spielen das Bauch-
gefühl und Vertrauen eine große Rolle.“
Vertrauen entsteht durch enge Zusam-
menarbeit und gemeinsame Erlebnisse
– und die haben Männer eher mit Män-
nern. Zu einem Gleichstellungsplan
gehört also auch, dass Frauen sichtbar
werden, zum Beispiel in Projekten, da-
mit im beruflichen Kontext Vertrauen
aufgebaut werden kann. Und es gehört
dazu, ernsthaft daran zu arbeiten, den
„Gender Pay Gap“ zu schließen, wie un-
ser Beitrag „Die Lohnlücke los werden“
(ab Seite 28) zeigt.
Auf Sichtbarkeit der Frauen zielt auch
die Europäische Akademie für Frauen in
Politik und Wirtschaft Berlin EAF, wenn
sie, gefördert vom BMFSFJ und vom
Bundesjustizministerium, mit KPMG
bis Sommer 2017 zur Frauenförderung
forschen und beraten will. Eine B2B-
Workshopreihe und Veröffentlichungen
sollen das Thema pushen. Was unstrittig
weiterhin nötig ist, wenn man die oben
erwähnten müden Werte der Studien be-
trachtet.
Vom Umdenken zur Veränderung
Um vom Umdenken zu realen Verän-
derungsschritten zu kommen, ist es
unabdingbar, in jeder Firma neu nach
den Voraussetzungen zu schauen. Die
promovierte Diplomingenieurin Beate
Ratzka, die von Jesteburg aus mit dem
praxiserprobten Programm Equal Chan-
ce Objective (EChO) Unternehmen be-
rät, stellt immer wieder die Frage: „Wie
hoch ist der Frauenanteil, den ich bei
Nachbesetzungen auf die nächste Ebene
berücksichtigen kann und dann auch
berücksichtigen muss?“ Da spielt die
Branche eine Rolle – sind in Technik-
unternehmen oft 20 Prozent schon ein
hohes Ziel, können es bei Finanzdienst-
leistern leicht 50 Prozent sein. Die Situ-
ation im Unternehmen entscheidet über
Maßnahmen wie Mentoring oder die
Formulierung der Stellenausschreibun-
gen, Weiterbildung von Führungskräf-
ten, die in der Frage sensibilisiert wer-
den müssen, oder die Entwicklung eines
Talentpools. „Realistische Zielzahlen zu
ermitteln, ist ein essenzieller Schritt“,
beschreibt sie. „Denn nur dann werden
die notwendigen Maßnahmen planbar
und die Erfolge messbar.“
Ein Unternehmen, das sich von Ratz-
ka hat beraten lassen, ist die Sparkasse
Hannover. 2011 nahmen die Banker die
Novelle des niedersächsischen Gleichbe-
rechtigungsgesetzes zum Anlass, kon-
kret zuwerden: Sie zähltendieUnter- und
Überrepräsentanz von Mitarbeiterinnen
und Managerinnen aus. ImVorstand gab
es keine Frau, auf Bereichsleiterebene
zehn und unter den Vertriebs- und Ab-
teilungsleitern 19 Prozent. „Wir haben
dann moderate Ziele definiert“, erinnert
sich Personalbereichsleiterin Martina
Dahncke, „denn wir wollen langfristig
besser werden, und zwar betriebswirt-
schaftlich und in einem verträglichen
Klima.“ In Stellenausschreibungen für
Führungskräfte werden Empathie und
Resilienz neben dem fachlichen Know-
how gewichtet, Führung in Teilzeit ist
akzeptiert, ein Team „Gleichstellung“
macht ebenso Mut wie der Vorstand und
in einem Führungspool werden Kandi-
daten und Kandidatinnen für die Nach-
folgeplanung erfasst. „Wir müssen nicht
mit dem Geschlecht argumentieren, son-
dern besetzen eine Stelle mit dem oder
der Besten“, sagt Dahncke. Im Vorstand
verantworten heute zwei Frauen und
zwei Männer gemeinsam das Geschäft,
in der ersten Ebene sind es 25 und in der
zweiten 26 Prozent – angestrebt waren
16 und 20. Im Januar 2016 werden neue
Zielgrößen gesetzt.
Die Sparkasse Hannover hat umge-
setzt, was diverse Ansätze vom FKi über
Beratermodelle raten: Zählen, Ziele set-
zen und die Kennzahlen nachhalten. Ein
weiteres Beispiel für erfolgreiche Frau-
enförderung ist die Linde Group, das wir
im Beitrag „Frauen in Führung“ (ab Seite
32) vorstellen. Beide Unternehmen kön-
nen damit für sich werben und müssen
nicht fürchten, öffentlich angeprangert
zu werden. Anders als die Firmen, die
den Quotentermin Ende September nicht
ernst genommen haben.
RUTH LEMMER
arbeitet als freie Journalis-
tin in Düsseldorf.
Kennzahlen zu messen
ist das eine, die Ver-
gleichbarkeit das ande-
re. Vor allem aber leiden
alle Tools darunter, dass
das Wollen nicht er-
zwingbar ist.