personalmagazin 11/15
S
eit Juli 2015 ist Frauenförderung
wieder einmal Chefsache – kor-
rekter: Chefinnensache. Bundes-
kanzlerin Angela Merkel tritt als
chirmherrin der „Initiative Chefsache“
an, in der sich Gründungsmitglieder wie
Bayer, Allianz, Bosch, IBM, Siemens, aber
auch das mittelständische Familienun-
ternehmen Warema Renkhoff stark ma-
chen für die Chancengleichheit zwischen
Frauen und Männern. Den wievielten
Anlauf dieses Thema in der deutschen
Wirtschaft nimmt, hat wahrscheinlich
niemand nachgehalten, aber eine Vor-
aussetzung ist neu: Die Quote hat einen
Termin. Bis zum 30. September mussten
rund 3.500 börsennotierte oder mitbe-
stimmte Unternehmen sich eine flexible
Frauenquote verordnen – für Aufsichts-
gremien, Vorstand oder Geschäftsfüh-
rung sowie die beiden Führungsebenen
unter dem Vorstand.
Unternehmen ducken sich weg
Aber es blieb bisher merkwürdig ru-
hig. Nur wenige Unternehmen sind bis
Ende September mit ihren Zielen an
die Öffentlichkeit gegangen. Die meis-
ten nutzen die Spielräume, die ihnen
das Gesetz erlaubt, und „verstecken“
ihre Zielgrößen im hinteren Teil ihres
Geschäftsberichts für das Jahr 2015,
der erst 2016 erscheint. Zudem haben
einige Unternehmen, beispielsweise
die Commerzbank oder BASF, bereits
durchscheinen lassen, dass sie lediglich
den Status Quo als Zielgröße festschrei-
ben wollen. Sie verpflichten sich damit
Von
Ruth Lemmer
also lediglich, den bisher erreichten
Frauenanteil in den oberen Führungs-
ebenen nicht mehr zu unterschreiten.
Das Ziel des Gesetzes, die Frauenanteile
zu erhöhen, läuft damit ins Leere.
Unternehmen strategie- und planlos
Auch diverse Studien über unterneh-
merische Aktivitäten zur Gleichstellung
machen wenig Hoffnung. Kienbaum
bezifferte in seiner aktuellen HR-Trend-
studie die Firmen mit Frauenförderstra-
tegie auf ein Viertel, wobei 50 Prozent
der Befragten keine Zielvorgabe für die
Frauenquote definieren. 63 Prozent der
von der DGFP zu „Frauen in Führungs-
positionen“ befragten Mitgliedsunter-
nehmen setzen sich dafür ein, dass der
Frauenanteil in Führungspositionen
erhöht wird, aber nur zwölf Prozent se-
hen darin ein strategisches Ziel und elf
Prozent wollen in nächster Zeit Umset-
zungspläne ausarbeiten. Und die HKP
Group veröffentlichte eine Untersu-
chung, nach der weniger als 25 Prozent
der Firmen Zielquoten und Fristen defi-
niert hat und fast 20 Prozent fürchten,
die Vorgaben des Gesetzgebers nicht
einhalten zu können – auch weil der
operative Aufwand zu hoch sei.
Beratungen wittern ihr Geschäft
Katharina Heuer, DGFP-Geschäftsfüh-
rerin, warnt davor „leichtfertig an die
Quote heranzugehen“. Aber sie hält die
Steigerung des Frauenanteils auch nicht
für eine Geheimwissenschaft. „Man
muss mit Augenmerk die Zielquote
festlegen und bei Stellenbesetzungen
die Talentpipeline im Blick haben“, sagt
Heuer. Die DGFP bietet Workshops zum
„Wie“ an. Auch die Unternehmensbera-
tungen stehen bereit und wittern beim
Thema Frauenquote ihr Geschäft. So
hat beispielsweise Kienbaum extra ei-
nen „Female Desk“ ins Leben gerufen,
an dem sich Expertinnen und Experten
zur Frauenförderung zusammenfinden
und Beratungsprojekte übernehmen.
Die Beratungsgesellschaft KPMG positi-
oniert sich mit dem Thema, indem sie
den offiziellen Praxisleitfaden des Bun-
desministeriums zum Gesetz verfasst
hat. Auch die HKP Group hat mit ihrer
oben erwähnten Studie ihre Expertise
in Sachen Frauenförderung öffentlich-
keitswirksam untermauert.
Ohne Ziele in Zahlen geht es nicht
Talent Management-Expertin Harriett
Sebald, Senior Partnerin bei HKP in
Frankfurt, rät den Zögerlichen zu klaren
Besetzungs- und Personalentwicklungs-
regeln: „Ziele in Zahlen zu setzen ist die
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UPDATE.
Die gesetzliche Quote befeuert die Aktivitäten zur Frauenförderung in Unter-
nehmen – sollte man meinen. In der Praxis bleibt das Thema ein mühsames Geschäft.
Viele Unternehmen
schreiben lediglich den
Status Quo ihrer Frauen
anteile als Zielgröße
fest und unterlaufen so
das eigentliche Ziel des
Gesetzes.
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